Die deutschen Handballerinnen wollen bei der WM den Ausfall ihrer Führungskräfte kompensieren

Hamburg. Auf die Verteidigung ihres Titels legen die deutschen Handballerinnen bei der Weltmeisterschaft keinen Wert. Vor zwei Jahren gewannen sie in Brasilien den Presidents Cup. Ihn erhält der Sieger der Trostrunde um die Plätze 17 bis 24. Die Goldmedaille aber gewannen die Norwegerinnen, obwohl sie zum Auftakt gegen ebenjene Deutschen verloren hatten. „Offensichtlich haben wir es damals nicht verstanden, diesen Sieg richtig einzuordnen“, erinnert sich Isabell Klein.

Der Buxtehuderin wurde seinerzeit die zweifelhafte Ehre zuteil, als Spielführerin die Trophäe für den Presidents Cup entgegenzunehmen. Diesmal, beim Turnier in Serbien, das an diesem Wochenende beginnt, wird ihr das nicht passieren. Klein, 29, ist in der 29. Woche schwanger und wird die WM aus der Distanz verfolgen: in einem Fernsehstudio in Ismaning bei München, wo sie als Expertin für Sport1 im Einsatz ist.

Bis zum 22. Dezember hat sie sich von ihrem Arbeitgeber, einem Prothesenhersteller, für diese Nebentätigkeit freistellen lassen. Es ist der Finaltag der WM. Das scheint ein vermessenes Ziel für eine Mannschaft zu sein, die sich in Brasilien mit Niederlagen gegen Norwegen und Angola blamiert, die Olympischen Spiele verpasst und auch bei der Europameisterschaft vor einem Jahr als Siebter keine Bäume ausgerissen hat. Aber Klein sieht zu übertriebenem Pessimismus keinen Anlass: „Es gibt acht Mannschaften, die auf eine Medaille hoffen können. Und wir sind eine davon. Das Zeug dazu haben wir.“

Einzig Europameister Montenegro und Norwegen, der Titelverteidiger und Olympiasieger, ragten aus diesem Favoritenensemble heraus: „Sie haben beide ein Grundniveau, das sie in jedem Spiel abrufen können. Dahin müssen wir auch kommen.“ Klein wüsste auch, wie: indem die Deckungsleistung ähnlich stark ausfällt, wie es die Eindrücke der Testspiele vermuten lassen. Was die Offensive betrifft, muss Bundestrainer Heine Jensen wieder einmal improvisieren. Spielmacherin Kerstin Wohlbold vom Thüringer HC erlitt am vergangenen Wochenende einen Kreuzbandriss, wurde am Donnerstag operiert und fällt sechs Monate aus.

„Auf sie war das Angriffsspiel ganz klar zugeschnitten“, sagt Klein, „sie hatte alles im Griff.“ Weitere Führungskräfte hatte der Däne Jensen schon früh aus seinem Aufgebot streichen müssen: Torhüterin Katja Schülke erwartet wie Klein ein Kind, Kreisläuferin Anne Müller (beide HC Leipzig) erlitt eine schwere Knieverletzung.

„Aber es gibt in der Mannschaft junge, hungrige Spielerinnen, die es rausreißen können“, sagt Klein. Dass sich die Geschichte von 2011 wiederholt, ist unwahrscheinlich. Auftaktgegner ist am Sonnabend (17 Uhr/Sport1) Australien, ein Spiel, das ohne Übermut als Verlängerung des WM-Vorbereitungsprogramms angesehen werden darf. Von den weiteren Vorrundengegnern sind Rumänien und Ungarn deutlich namhafter als Tschechien und Tunesien. Der vierte Platz würde für die Zwischenrunde reichen – und, um dem Presidents Cup zu entgehen.