Nach einem schweren Sturz feiert die Biathletin ihr Comeback

Östersund. Miriam Gössner wollte schon immer hoch hinaus. Je höher der Berg, je mehr sie sich anstrengen muss, um den Gipfel zu erreichen, desto besser. Das gilt nicht nur für den Biathlonsport. 2012 suchte sie sich mit ihrem Vater eine ganz besondere Herausforderung: Gemeinsam bestiegen sie den 4810 Meter hohen Mont Blanc. „Es ist ein total schönes Gefühl, wenn du hinunterschaust. Auch wenn es ein langer Weg war: Ich habe durchgehalten“, erzählt die Biathletin. Dieser harte, aber erfolgreiche Aufstieg war vielleicht die beste Schule für das, was folgen sollte. Denn Gössners Geschichte der vergangenen Monate ist geprägt von Schmerzen, Durchhaltevermögen und Willensstärke – ohne diese Eigenschaften wäre sie am Wochenende nicht in den Weltcup gestartet.

Platz 48 beim Weltcupauftakt im schwedischen Östersund hört sich ziemlich ernüchternd an und könnte Grund zur Sorge geben (die Rennen am Sonntag wurden wegen irregulärer Bedingungen und Windböen der Stärke 7 vorzeitig abgebrochen). Immerhin ist Miriam Gössner nicht irgendwer im Biathlon-Zirkus. Nein, mit ihren unglaublichen Lauffähigkeiten gilt die 23-Jährige als die große deutsche Hoffnung in der Ära nach Rekordweltmeisterin Magdalena Neuner. Am Schießstand hapert es bei ihr zwar manchmal noch, an ihrem Ausnahmetalent aber ändert das nichts. Da klingt Platz 48 also zunächst nach einem Fehlerfestival am Schießstand. So einfach ist es nicht. Denn nach einem schweren Mountainbike-Sturz im März hatte sie sogar um ihre Karriere gebangt. Dass Miriam Gössner nun so schnell in den Weltcup zurückgekehrt, ist die wohl beste Nachricht dieses Wintersport-Wochenendes. Sie wollte es unbedingt, schließlich hat sie in dieser Saison trotz allem viel vor. „Dieses Jahr geht es einzig und allein um Olympia. Da will ich ganz vorne mitkämpfen und eine Medaille gewinnen“, sagt Gössner.

Viel Zeit bleibt ihr nicht mehr. Die Winterspiele in Sotschi beginnen am 7. Februar. Doch das Sprintrennen von Östersund gibt der dreimaligen Weltcupsiegerin Hoffnung, doch noch rechtzeitig zu alter Stärke zurückzufinden. „Wir dürfen keine Wunderdinge erwarten“, sagte Bundestrainer Uwe Müssiggang. „Es ist eh schon ein kleines Wunder, wie sie sich seit ihrem schweren Unfall zurückgekämpft hat.“

Der Traum von der Olympiamedaille besiegte die Zweifel

Es geschah im Mai dieses Jahres. Miriam Gössner weilte gerade in Norwegen. Gemeinsam mit ihrer Schwester fuhr sie mit dem Mountainbike raus in die Berge. Dann passierte es. Wie genau, das weiß Miriam Gössner nicht, ihr fehlt die Erinnerung. Die Ärzte sagten später, sie habe sich über den Lenker überschlagen. Gössner knallte mit voller Wucht auf den Rücken und brach sich vier Rückenwirbel. Die Beine spürte sie anfangs nicht, der Sturz hätte sie auch in den Rollstuhl bringen können. Ganz langsam bauten die Ärzte und Physiotherapeuten sie wieder auf. Und der Weg zurück war nicht nur schmerzhaft und schwierig, sondern hin und wieder auch von Zweifeln begleitet. Wenn nicht gerade eine Olympiasaison anstünde, hätte der große Ansporn gefehlt. „Nur deshalb habe ich mich so sehr gequält“, sagt sie. Das ein oder andere Mal, das Gössner zu, habe sie sogar ans Aufhören gedacht. Der Traum von der Olympiamedaille aber siegte.

Der Weg zurück jedoch ist immer noch weit. Deshalb wird sie auch von Woche zu Woche neu entscheiden, welches der nächste Schritt ist: Weltcuprennen, Training oder doch lieber etwas Ruhe. Dass ihr Plan gelingen hat, glaubt sie fest: „Ich glaube, die Saison muss nicht unbedingt eine Katastrophe werden.“ Und wenn sie sich ihren Olympiatraum trotz aller Schmerzen und Probleme erfüllt hat, klingt die nächste Herausforderung wie ein Klacks: Gössner möchte irgendwann mit ihrem Vater auf den Mount McKinley, den höchsten Berg Nordamerikas. Ihr ist eben keine Herausforderung zu groß