Bei der 21. Hamburg Soirée plauderten Bert van Marwijk und Michael Neumann über Auszeichnungen und Gefahren für den Sport

Hamburg. Am Ende der 90-minütigen, hochklassigen und überaus kurzweiligen „Spielzeit“ gab es wie immer Geschenke. Der modebewusste Bert van Marwijk bekam ein Buch über die von ihm so geschätzten Sneaker-Schuhe geschenkt, Michael Neumann freute sich, stolzer neuer Besitzer eines Bildbandes über den Autoklassiker Renault R4 zu sein. Beschenkt hatten der HSV-Trainer und der Innen- und Sportsenator Michael Neumann zuvor die 200 Gäste im Gobelin-Saal des Fairmont Hotels Vier Jahreszeiten reichlich mit vielen neuen, mal humorvollen, mal ernsthaften Einsichten

Sowohl für Neumann als auch van Marwijk war der Auftritt bei der 21. Hamburg Soirée, wie immer ermöglicht von den Partnern Sparda-Bank und „guenstiger.de“, eine Premiere. Weil Bürgermeister Olaf Scholz, sonst ein Stammgast der seit 2003 fest etablierten Talkrunde, wegen Koalitionsgesprächen unabkömmlich war, nutzten die Moderatoren Jens Meyer-Odewald (Hamburger Abendblatt) und Christian Hinzpeter (Hinzpeter Wagner) die Chance zu einer gelungenen Einwechslung. Der gebürtige Dortmunder Neumann, ein bekennender Sympathisant der Borussia, und van Marwijk, der den BVB von 2004 bis 2006 trainierte und seit dem 25. September den HSV betreut – diese Kombination musste einfach glücken.

Gleich zu Beginn bekannte der Niederländer: „Ich mag eigentlich große Städte nicht. Aber genau wie in Hamburg hatte ich ein gutes Gefühl. Und wenn Franz Beckenbauer sagt, dass Hamburg die schönste Stadt ist, muss ich das glauben.“ Van Marwijk erzählte, er hätte aus einer Vielzahl von Angeboten auswählen können, wollte am liebsten wieder in die Bundesliga oder in die Premier League. „Ich finde, die Bundesliga hat sich sehr verbessert, kann im Moment als die beste Liga in Europa bezeichnet werden.“ Die Frage, warum er dauerhaft im Hotel leben möchte, beantwortet er nonchalant: „Hamburg hat sehr schöne Häuser, aber im Moment ist das so für mich das Beste.“

Neumann lebt mittlerweile seit 21 Jahren in Hamburg und hat die Stadt dank des Sports von einer ganz anderen Perspektive kennengelernt. Frühmorgens um sechs Uhr ist der 43-Jährige häufig auf der Alster beim Rudern anzutreffen: „Das ist etwas ganz Emotionales, ganz großartig.“ Van Marwijk entspannt am liebsten mit der Familie: „Ich habe unheimlich Spaß mit meinen drei Enkelkindern.“

Natürlich durfte auch die aktuelle sportliche Einschätzung nicht fehlen. Van Marwijk warnte davor, nach nur einem gewonnenen Spiel nun übertriebene Erwartungen zu haben: „Wir haben noch einen sehr langen Weg vor uns.“ Seine Art, wie er eine Mannschaft führen möchte, skizzierte er so: „Die Disziplin entsteht auf dem Platz, ein Trainer ist auch Vorbild für die Spieler. Aber auch Spaß gehört dazu, es muss eine Kombination aus beidem sein.“

Zu Hause in Holland liegt auch der Ritter-Orden von Oranien-Nassau, den der 61-Jährige nach dem Gewinn der Vize-Weltmeisterschaft verliehen bekommen hat: „Die Begegnung mit der Königin hat mich sehr beeindruckt“, sagte der HSV-Coach, gab aber zu: „Eigentlich müsste ich den Orden bei offiziellen Anlässen tragen, aber ich weiß gar nicht, wo er liegt.“ Das habe aber nichts mit fehlendem Stolz zu tun, fügte er schmunzelnd hinzu. Einmal in Plauderstimmung, verriet er auch, dass er seinen späteren Schwiegersohn Mark van Bommel während seiner eigenen silbernen Hochzeit kennengelernt habe – van Bommel war zu Gast mit der gesamten niederländischen Nationalmannschaft.

Doch es gab auch nachdenkliche Momente. Während van Marwijk die Vergabe der WM 2022 nach Katar als großen Fehler bezeichnete („In Katar fehlt jegliche Fußballkultur“), warnte Neumann: „Die schöne Idee des Sports droht kaputtzugehen. Es wäre ein zu hoher Preis, wenn lebenserfahrene Männern nur ihrem Geschäft nachgehen.“ Der Sportsenator kritisierte auch die Natursünden und die Verletzung der Gleichstellungsrechte von Homosexuellen im Umfeld der Winterspiele in Sotschi 2014. Zum geplanten Mitgliederentscheid der SPD über den Koalitionsvertrag mit der CDU/CSU hat er ebenfalls eine klare Meinung: „Zu viel Basisdemokratie kann auch schaden.“

Ähnlich angriffslustig gab sich Neumann auch bei der Frage, ob sich der HSV neue Strukturen geben sollte: „Eine weitere Professionalisierung kann nur nutzen; wie diese genau aussehen soll, will ich niemandem vorschreiben. Aber die Abhängigkeit von Mitgliedern in diesem hochprofessionellen Geschäft ist großes Risiko.“ Mit feiner Klinge bewertete er zudem das forsche Auftreten von Investor Klaus-Michael Kühne: „Ich bewundere die Gelassenheit des Vorsitzenden Carl Jarchow…“

Dann präsentierte Neumann erstaunliche Zahlen: Bis 2016 will die Stadt im Rahmen eines Investitionsprogramms für Sportstätten 300 Millionen Euro in die Sanierung von 100 Sporthallen und den Neubau von 25 Hallen stecken: „Ohne Breitensport kann es niemals Spitzensport geben.“