Bei den vier Einzelabstimmungen in Bayern haben die Bürger am Sonntag gegen eine Bewerbung um die Winterspiele 2022 gestimmt. Befürworter und Gegner hatten sich in den vergangenen Wochen einen intensiven Wahlkampf geliefert.

München. Das Münchner Olympia-Projekt ist bei den Bürgern krachend durchgefallen – Deutschland wird 2022 keine Winterspiele in den bayerischen Alpen erleben. Die Gegner konnten bei den vier Bürgerentscheiden in der bayerischen Landeshauptstadt, Garmisch-Partenkirchen sowie den Landkreisen Traunstein und Berchtesgaden einen überraschenden 4:0-Sieg bejubeln. Schon ein einziges erfolgreiches Votum hätte ihnen zum Erfolg gereicht.

Die Befürworter reagierten geschockt. „Ich bin der Ansicht, dass es nicht am Konzept gelegen hat. Es ist eher eine zunehmend kritische Einstellung von Bevölkerungsteilen gegen Sportgroßereignisse“, sagte Münchens Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) nach dem K.o..

„Jetzt heißt es, in der Niederlage Größe zu beweisen. Der eine oder andere wird das Ergebnis später vielleicht noch bereuen“, kommentierte Ski-Olympiasiegerin Maria Höfl-Riesch, die kräftig für die Winter- und Paralympischen Spiele in ihrer Heimat getrommelt hatte. „Es ist traurig, aber wahr“, sagte sie spürbar niedergeschlagen. Sie hatte am Wahltag sogar ihre Fingernägel in den Olympia-Farben lackiert.

In München, wo fast 1,1 Millionen der insgesamt 1,3 Bürger zur Wahl aufgerufen waren, votierten nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis 52,1 Prozent mit Nein. Die höchste Abfuhr kassierten die Befürworter ausgerechnet rund um den extra neu hinzugezogenen Wettkampfort Ruhpolding im Landkreis Traunstein mit 59,67 Prozent. Im Berchtesgadener Land betrug die Ablehnung 54,02 Prozent, in Garmisch-Partenkirchen 51,56 Prozent.

Trotz materieller und personeller Unterlegenheit im Wahlkampf erreichten die Olympia-Gegner ihr Ziel. „Das Votum ist kein Zeichen gegen den Sport, aber gegen die Profitgier des IOC. Ich glaube, in ganz Deutschland sind Olympia-Bewerbungen mit dem heutigen Tag vom Tisch. Zuerst muss sich das IOC ändern. Nicht die Städte müssen sich dem IOC anpassen, sondern umgekehrt“, sagte Ludwig Hartmann, der Fraktionsvorsitzende der Grünen im bayerischen Landtag und einer der Wortführer des Bündnisses „NOlympia“.

Politik und Sport hatten sich verpflichtet, das Votum der Bürger als bindend für eine Bewerbung beim Internationalen Olympischen Komitee (IOC) zu bewerten. „Wir haben ein ganz anderes Ergebnis erwartet. Ich persönlich glaube, dass es unsere letzte Chance war, Winterspiele zu bekommen“, kommentierte Garmischs Bürgermeister Thomas Schmid. Womöglich werden nach der Erholung der deutschen Sportfunktionäre von der Pleite Stimmen für eine Sommerspiel-Bewerbung im kommenden Jahrzehnt laut werden. „Ich sehe Winterspiele in absehbarer Zukunft in Deutschland nicht – übrigens auch Sommerspiele nicht“, meinte Ude zu solchen Gedankenspielen.

Der 66-Jährige hatte immer wieder die seiner Meinung nach einzigartige Chance beschworen, dass München als erste Stadt überhaupt ein halbes Jahrhundert nach den Sommerspielen 1972 auch Gastgeber von Winter-Olympia werden könnte. Jetzt musste er mit seinen Mitstreitern die zweite Niederlage nach der gescheiterten 2018-Kandidatur gegen das südkoreanische Pyeongchang verkraften.

„Es ist sehr bitter für den deutschen Sport, dass wir nicht die Chance haben, der Welt zu zeigen, wie man heutzutage nachhaltige Olympische Winterspiele veranstalten kann“, sagte Michael Vesper, Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB). Das sportliche Konzept war extra modifiziert worden. Der Neubau von Wettkampfstätten wäre durch vier Wettkampforte verringert worden. Die Kosten der Spiele wurden mit 3,3 Milliarden Euro veranschlagt, die Bewerbungskampagne sollte 29 Millionen Euro betragen.

Die Gegner führten als ihre Hauptargumente gegen Olympia die Eingriffe in die sensible Natur der Alpenregion, „Knebelverträge“ mit dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) und eine von ihnen befürchtete Kostenexplosion an. Diese Argumente zogen bei den Bürgern anscheinend mehr als die Aussicht auf ein bayerisches Wintermärchen analog zum Sommermärchen bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland. „Ökologisches Bewusstsein und Heimatliebe der Bürger haben über Kommerz und Gigantismus gesiegt“, sagte Hubert Weiger, Vorsitzender des Bundes Naturschutz in Bayern. Der Deutsche Alpenverein (DAV) hatte sich erst am Samstag mit großer Mehrheit gegen Winterspiele 2022 ausgesprochen.

Die Bewerbungsfrist für die Winterspiele 2022 beim IOC läuft am Donnerstag ab. Nach Münchens K.o. gehen nun wohl neben dem klaren Favoriten Oslo noch Peking, Krakau, Almaty in Kasachstan und das ukrainische Lwiw ins Rennen. Das IOC entscheidet über den Ausrichter der Winterspiele 2022 Ende Juli 2015 in Kuala Lumpur.