Nur 4000 Zuschauer pro Tag sehen in Hamburg zwei Siege der deutschen Handball-Nationalmannschaft

Hamburg. Bob Hanning trägt seit einer Woche eine Anstecknadel mit der deutschen und dänischen Flagge an den Revers seiner Jacketts. Es mag das Symbol der Hoffnung auf eine bessere Zukunft seiner Sportart sein, die der Vizepräsident des Deutschen Handball-Bundes (DHB) jetzt bei offiziellen Anlässen zur Schau stellt. Am vergangenen Montag hatten der deutsche und dänische Verband in Doha (Katar) den Zuschlag für die gemeinsame Austragung der Männer-Weltmeisterschaft 2019 erhalten – womit das neue Präsidium des DHB einen Monat nach seinem Amtsantritt die auf dem Feld zuletzt vermisste Handlungsschnelligkeit bewies.

Die Gegenwart des deutschen Handballs war an diesem Wochenende in Hamburg beim 18. Supercup zu besichtigen. Sie hat zwei Gesichter. Die sportliche Leistung war sehr ansehnlich, drei Siege in drei Tagen, die Resonanz des Publikums ernüchternd – wie schon bei den vergangenen Heimspielen des HSV in der Bundesliga, im Pokal und der Champions League. Nur insgesamt 8000 Zuschauer wollten die Nationalmannschaft am Sonnabend gegen Ägypten (36:26) und am Sonntag gegen Polen (24:23) in der O2 World siegen sehen. Auch der Zuspruch am Freitagabend in Bremen beim 29:24 gegen Schweden fiel mit 4050 Besuchern ähnlich bescheiden aus. Noch zehn Monate zuvor hatten in Hamburg 11.269 Zuschauer für das WM-Vorbereitungsspiel gegen den Olympiazweiten Schweden (28:28) Eintritt bezahlt. Danach folgte im Januar Platz fünf bei der WM in Spanien und im Juni die verpasste Qualifikation für die EM im Januar 2014 in Dänemark.

„Wir haben mit unseren jüngsten Leistungen in der Öffentlichkeit Kredit verspielt. Das merkt man an den Zuschauerzahlen, ganz klar“, sagte Bundestrainer Martin Heuberger. Rechtsaußen Patrick Groetzki (Rhein-Neckar Löwen) tut „dieses Desinteresse schon ein bisschen weh, aber vielleicht müssen wir uns in den kommenden Jahren daran gewöhnen“. Die Hamburger Konzertagentur Karsten Jahnke beklagte als Ausrichter finanziell ein hohes fünfstelliges Minus. Etwa 6000 Zuschauer am Tag hätten die Kosten gedeckt, darunter die Hallenmiete von rund 60.000 Euro. „Wir werden die Ursachen analysieren, doch wir wollen weiterhin Sportveranstaltungen ausrichten“, sagte Sprecher Frehn Hawel. Die Praxis, Events an Vermarkter abzutreten, will DHB-Vize Hanning indes überdenken: „Du erhältst eine Garantiesumme und musst dich faktisch um nichts kümmern. Das ist zwar bequem, letztlich ist es aber der falsche Weg, alles aus der Hand zu geben. Wir wollen unser Produkt gewinnbringend präsentieren, und dann macht eine leere Halle auf Sponsoren einen schlechten Eindruck.“

Hanning, zugleich Geschäftsführer der Füchse Berlin, moniert zudem, dass kein Bundesligaclub, „auch nicht meine Füchse“, die Nationalmannschaft auf seiner Homepage führt. Auch sei in Hamburg die Idee nicht ausreichend verfolgt worden, am Sonnabend Zuschauer des Fußball-Bundesligaspiels zwischen dem HSV und Mönchengladbach anschließend in die O2 World zu holen. Dennoch, sagt Hanning, „muss es unser Anspruch sein, auch in Zukunft große Hallen zu füllen“. Hamburg, ergänzte der neue DHB-Präsident Bernhard Bauer, werde auf der Landkarte des Verbandes bleiben: „Wir haben Hamburg vor drei Wochen als WM-Standort für 2019 eingeplant, obwohl wir von den enttäuschenden Vorverkaufszahlen wussten.“ Die Stimmung in der Arena sei „trotz der zahlreichen Lücken auf den Rängen aber großartig gewesen“. Die trommelnden HSV-Fans erhielten dafür einen Extrabeifall.

Bauers Resümee: „Die Spiele hätten weit mehr Zuschauer verdient gehabt. Unsere Mannschaft hat gezeigt, dass sie auf dem richtigen Weg ist.“ HSV-Profi Adrian Pfahl steuerte sieben Tore zum Supercupsieg bei, der Berliner Torhüter Silvio Heinevetter hielt ihn mit einer Weltklasseleistung in der zweiten Halbzeit gegen Polen fest. Mit jeweils fünf Treffern war Rechtsaußen Johannes Sellin (MT Melsungen) gegen Ägypten und Polen bester deutscher Werfer.

Hanning fordert nun einen engen Schulterschluss zwischen Liga (HBL) und Verband: „Wir wollen künftig unsere Erfolge gemeinsam feiern, und wenn diese ausbleiben sollten, werden wir auch zusammen die Ursachen erforschen.“ Dass der Verband den Gewinn der Heim-Weltmeisterschaft 2007 nur für sich als Erfolg verbucht habe und die Bundesligavereine außen vor standen, „das wird es nicht mehr geben“. Wie es im deutschen Handball in den nächsten Jahren miteinander zugehen soll, schreibt Hanning gerade in seiner Agenda 2020 nieder.