Vor dem Ruhrpott-Derby zwischen Borussia Dortmund und Schalke 04 haben beide Teams etwas gutzumachen. Boateng, der bereits mit dem BVB Derbyerfahrung gesammelt hat, will sich unsterblich machen.

Gelsenkirchen. Jürgen Klopp will „die Schatten der letzten Saison“ vertreiben, der „Vollblut-Schalker“ Kevin-Prince Boateng dagegen einfach nur „unsterblich werden“: Mit gewohnt großen Emotionen und pathetischen Worten fiebert der Ruhrpott dem 143. Revierschlager zwischen Schalke 04 und Borussia Dortmund (Sonnabend, 15.30 Uhr/Sky) entgegen.

Eine Hypothek tragen beide: Schalke die vom frustrierenden 0:3 gegen den FC Chelsea in der Champions League, Dortmund die der beiden Derby-Niederlagen im Vorjahr. Drei Siege in Folge gegen den Erzrivalen feierten die Schalker zuletzt vor 45 Jahren. Ein Szenario, dass BVB-Coach Klopp auf jeden Fall vermeiden will.

Der Wunsch nach Wiedergutmachung für das Vorjahr sei „sehr stark ausgeprägt“, sagte dieser: „Weil es die beiden Schatten auf der sehr guten letzten Saison waren.“ Die Chancen auf einen Sieg seines Teams seien „nicht so schlecht, aber dafür muss das Komplett-Paket BVB auf den Platz“.

Gerade Klopp, für seine markigen Sprüche und seine (über-) emotionale Art am Spielfeldrand bekannt, versucht jedoch den schweren Spagat zwischen Motivation und Sachlichkeit. „Mit Vertragsunterschrift bei uns ist jedem klar: Wir haben 32 Bundesliga-Spiele und zwei Derbys“, erklärte er: „Man muss sich der Bedeutung bewusst sein, aber wir werden keine Heldensagen hervorkramen. Übermotivation hilft in keiner Lebenslage. Wenn am Ende alle so verkrampfen, dass sie sich die Bälle ins Gesicht stoppen, hat keiner was davon.“ Er hoffe auf ein „hochemotionales, faires Spiel, in dem kein Ergebnis akzeptiert wird bis der Schiedsrichter abpfeift.“

Dies sieht die Gegenseite genauso. Selbst einem Spieler wie Dennis Aogo, der noch kein Revierderby auf dem Platz erlebte, ist die Bedeutung bewusst, „sonst hätte ich ja die letzten zehn Jahre in Quarantäne verbracht“. Sein Klubkollege Kevin-Prince Boateng hat erst eines gespielt - am 20. Februar 2009 im Trikot von Dortmund. Inzwischen hat der 26-Jährige mit Leib und Seele das Lager gewechselt. „Schalke ist meine neue Liebe. Ich bin jetzt schon ein Vollblut-Schalker. Komme, was wolle! Schalke ist der geilste Verein überhaupt. Für diese Fans gebe ich alles, bis ich nicht mehr stehen kann“, sagte er beschwörend in der Sport Bild und verkündete: „In diesem Spiel kann man unsterblich werden. Das ist ein Anreiz auch für mich. Ich habe die Derbys in Mailand gespielt. Aber das hier ist für einen in Deutschland geborenen Fußballer einfach das Riesen-Spiel. Da geht es um alles.“

Fakt ist, dass Boateng noch nicht richtig fit ist. Gegen Chelsea hielt er nach zweiwöchiger Trainingspause 70 Minuten durch und signalisierte schon zur Pause Müdigkeit. „Jetzt ist er sicher einen Schritt weiter“, erklärte Schalke-Coach Jens Keller, der die Champions-League-Partie als „wichtige Trainings-Einheit“ für Boateng bezeichnete.

Der kann „die ganze Hysterie um mein Knie nicht nachvollziehen“, und auch Klopp hat selbst vor einem angeschlagenen Boateng großen Respekt. „Er ist auf Schalke eingeschlagen wie eine Bombe. Und dass er ein sehr guter Fußballer ist, steht außer Frage“, sagte der 46-Jährige, der mit „KPB“ bis vor kurzem in intensivem SMS-Kontakt stand, mit seinem Spott über dessen Wechsel zum Erzrivalen aber kurzzeitig für Verstimmung sorgte.

Auch Schalkes Sportvorstand Horst Heldt hatte die Stimmung zwischen beiden Klubs im Sommer angeheizt. Dies bereut er inzwischen. „Ich ärgere mich über mich selbst, weil ich da Auskunft gegeben habe“, sagte er: „Es macht keinen Sinn, das habe ich gelernt. Deshalb werde ich da auch nichts mehr zu sagen.“ Nachfragen danach „langweilen mich“. Heldt hatte seinen Verein im Sommer noch auf Augenhöhe mit Dortmund gewähnt. Die Realität vor dem Duell am Sonnabend sieht anders aus: Nach neun Spielen hat S04 bereits acht Punkte Rückstand auf den BVB.