Der Leverkusener Stürmer befindet sich wie schon in den letzten Jahren in guter Form. Gomez und Klose fehlen zudem verletzt. Kießling darf sich Hoffnungen auf eine Nominierung für die WM-Quali-Spiele im Oktober machen.

Leverkusen. Dass er Joachim Löw im Mannschafts-Kreis beleidigt haben soll, hat Stefan Kießling energisch bestritten. Der Kölner Express hatte von diesem Gerücht berichtet und den Bundesliga-Torschützenkönig damit konfrontiert. „Das stimmt nicht. So etwas habe ich nie gesagt“, betonte dieser.

Dass derartige Gerüchte ins Kraut schießen, hat einen einfachen Grund. Ein Zwischenfall irgendeiner Art, eine Beleidigung oder ein Wortgefecht, kurzum: Ein persönliches Problem zwischen dem Bundestrainer und dem Leverkusener Torjäger wäre für viele die einzige logische Erklärung dafür, dass Löw Kießling seit der WM 2010 konsequent ignoriert.

Am Mittwoch sitzt der Bundestrainer beim Leverkusener Champions-League-Spiel gegen Real Sociedad San Sebastian auf der Tribüne der BayArena. Am Dienstag traf sich Löw mit Bayer-Sportchef Rudi Völler im Breidenbacher Hof an der Kö in Düsseldorf - auf einen Espresso. Ergebnis des Gesprächs? Unbekannt! Vor einem halben Jahr hatte Löw süffisant erklärt, Kießling sei zwar für Bayer ein wichtiger Spieler, „aber international wird die Luft dünner“.

Zum Auftakt bei Manchester United (2:4) konnte „Kieß“ den 53-Jährigen nicht widerlegen. Sollte ihm dies am Mittwochabend gelungen sein, gebe es aber wirklich keinen Grund mehr, dass Löw ihn nicht für die beiden entscheidenden WM-Qualifikationsspiele in Köln gegen Irland (11. Oktober) und in Schweden (15. Oktober) nominiert.

Eigentlich ist der 29-Jährige eine gute Zwischenlösung, wenn es um die Frage geht, ob die Nationalmannschaft mit einem „echten“ Mittelstürmer oder einer „falschen Neun“ spielen soll. Kießling ist robust und kopfballstark, arbeitet aber auch ungemein für die Mannschaft und hat sich im Kombinationsspiel stark verbessert. Doch vielleicht macht er damit auf Löw auch den Eindruck, nichts Halbes und nichts Ganzes zu sein.

Ob Löw Kießling am Freitag nominieren wird, ist inzwischen aber fast schon zum Politikum geworden. Da die Platzhalter Miroslav Klose und Mario Gomez verletzt ausfallen, wäre eine Berufung des Leverkuseners logisch. Doch irgendwie sitzt Löw auch in der „Kießling-Falle“ (kicker). Sollte er auf den seit der WM 2010 nicht nominierten Bayer-Stürmer verzichten und womöglich stattdessen auf U21-Kapitän und Debütant Kevin Volland (1899 Hoffenheim) zurückgreifen, wäre dies wohl der endgültige Beweis, dass kein Szenario für ein Kießling-Comeback vorstellbar ist.

Dann bliebe jedoch die Frage, warum Löw das Thema nicht grundsätzlich beendet. Nominiert er Kießling aber am Freitag und dieser überzeugt oder trifft sogar womöglich noch, wird das von allen Beteiligten als „nervige Diskussion“ bezeichnende Thema auch nach der Rückkehr von Klose und Gomez bis zur WM nicht verstummen. Kießling selbst war vor fünf Wochen schon so genervt, dass er das Thema von sich aus beenden wollte. „Den Nationalspieler Kießling wird es unter Löw nicht mehr geben“, hatte er in der Bild-Zeitung betont, sich aber noch ein Hintertürchen offen gelassen: „Sollte vor der WM Not am Mann sein und jemand auf die Idee kommen, ich könnte helfen, dann bin ich der Letzte, der eine Mannschaft im Stich lässt.“

Aus dem Klub gab es weiterhin Rückendeckung. Der scheidende Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser bezeichnete die Kießling-Verpflichtung als seine beste Entscheidung in 15 Jahren Bayer. Und vor allem Völler, Löws Vor-Vorgänger beim Nationalteam, versuchte als Vermittler zu wirken. Die Diskussion nerve, zeige aber, „dass Stefan in einer sehr, sehr guten Verfassung ist. Ich muss Stefan nicht überreden“, stellte er zuletzt bei Sky klar. Am Sonntag in der ARD-Sportschau betonte Löw, Kießling „nie abzuschreiben“ und kündigte an, „demnächst“ mit dem Verschmähten zu reden. Es wäre das erste Gespräch seit mehr als drei Jahren zwischen den beiden. Ob an dessen Ende ein Comeback Kießlings steht, erscheint jedoch fraglich.