Die HTHC Hamburg Warriors gehen am Wochenende in der Bundesliga wieder auf Punktejagd. In Deutschland gibt es nur 5500 organisierte Spieler

Hamburg. An die verständnislosen Blicke hat sich Gabrielle White längst gewöhnt. Wenn sie mit ihrem Sportgerät durch Hamburg läuft, gibt es wenige Menschen, die auf Anhieb die Sportart der 26-Jährigen zuordnen können. Als sie vor zwei Jahren nach Deutschland zog, da wusste sie, dass sie in Bezug auf ihre Leidenschaft Lacrosse in ein Entwicklungsland gehen würde. Aber gerade das fand die US-Amerikanerin aus Pittsburgh reizvoll. „Ich bin sehr gern Botschafterin meines Sports. Je mehr Menschen ich etwas darüber beibringen kann, desto besser“, sagt sie.

Lernbedarf gibt es reichlich. Die HTHC Hamburg Warriors, für die White in der Abwehr spielt, sind der einzige Verein in Hamburg, der den indianischen Sport (siehe Infokasten) anbietet. 235 Menschen spielen in Hamburg organisiert Lacrosse, in ganz Deutschland sind es rund 5500, in vier Bundesliga-Divisionen aufgeteilt in 28 Teams. An diesem Wochenende startet die Bundesliga in die Saison 2013/14. Mitte November geht sie in die Winterpause, nimmt im April den Spielbetrieb wieder auf und spielt im Juni in einem Final-Four-Turnier ihre Meister aus. Die Damen der Warriors treten am Sonntag (12 Uhr) auf der HTHC-Anlage am Beckermannweg in Langenhorn gegen Titelverteidiger DHC Hannover an, dem man in der vergangenen Spielzeit im Halbfinale unterlegen war. Die Herren spielen als Vizemeister am Sonntag zum Auftakt beim DHC Hannover.

Gabrielle White, deren Ehemann Pete DeSantis Trainer und Koordinator des Herrenteams ist, hatte in den USA ursprünglich Feldhockey gespielt und war erst am College zum Lacrosse gekommen. Die größte Überraschung für die Englischlehrerin, die in Hamburg für die Berlitz-Sprachschule arbeitet, war der Leistungsstand der deutschen Lacrosse-Spielerinnen: „Die Mannschaften, die am Finalturnier um die deutsche Meisterschaft teilnehmen, könnten in den USA durchaus in der Zweiten Liga bestehen. Ich war absolut erstaunt über das Talent in einem Land, in dem Lacrosse unbekannt ist.“ Der Altersschnitt in den HTHC-Teams liegt immerhin unter 19 Jahren.

Eins dieser Toptalente ist Jennifer Karle. Die 15-Jährige kam vor gut drei Jahren erstmals mit Lacrosse in Berührung, weil der HTHC an ihrer Schule, dem Johanneum, einen Projekttag anbot. Schon als 13-Jährige schaffte sie den Sprung in den Damenkader. Dort war sie nicht nur die jüngste Bundesligaspielerin, sondern auch auf Anhieb beste Punktesammlerin ihres Teams. Im Jugendteam, für das sie nebenbei auflief, war sie zweimal in Serie „wertvollste Spielerin“ beim Gewinn des deutschen Meistertitels. „Jenny ist eine tolle Spielerin, die extrem hart arbeitet und das Potenzial hat, irgendwann in den USA zu spielen“, sagt Damen-Koordinator Bob Eakins.

Wer mit Jennifer Karle über Lacrosse redet, der spürt sofort das Geheimnis von Nischensportarten, die oft mehr Erfolge hervorbringen, weil ihre Protagonisten ein hohes Maß an Idealismus aufweisen. Zwar hilft der Gesamtverein HTHC bei der Finanzierung des Spiel- und Trainingsbetriebs, doch ihre Auswärtsreisen zahlen die Aktiven selbst. „Lacrosse ist etwas ganz Besonderes, die Geschichte des Sports gefällt mir, und die Vielfältigkeit des Spiels, das auf Schnelligkeit und Technik gleichermaßen ausgelegt ist, finde ich super“, sagt die Elftklässlerin. Früher hat sie auch Fußball und Tennis gespielt, „aber im Lacrosse hatte ich viel schneller die Möglichkeit, zu großen Meisterschaften zu fahren“. Die U19-WM im Jahr 2015 ist ihr nächstes Ziel; ob sie sich nach dem Abitur den Schritt nach Amerika zutraut, hat sie noch nicht entschieden. Bei Lehrgängen in Florida und Chicago hat sie erste Erfahrungen gesammelt.

Aber niemand verlässt gern die familiäre Atmosphäre im Warriors-Umfeld. „Der HTHC ist meine Familie. In den USA ist Lacrosse eher wie ein Job, in Hamburg ist es ein Lebensgefühl“, sagt Gabrielle White. Eakins, der auch Bundestrainer der weiblichen U16 ist, und DeSantis arbeiten mit ihrem Schulprojekt, über das sie auch Jennifer Karle begeistern konnten, an der Verwirklichung ihres Leitsatzes „Growing the Game“ („Das Spiel muss wachsen“). Im Frühling 2014 soll es in Deutschland erstmals eine U12-Liga geben. Irgendwann soll kein Passant mehr beim Anblick eines Lacrosseschlägers verständnislos dreinschauen.