Die deutsche Sledge-Eishockey-Nationalmannschaft übt in Hamburg für das Qualifikationsturnier zu den Paralympics – und muss um Mitternacht trainieren

Hamburg. Geisterstunde am Volkspark. Freitagnacht, nichts los. Leere Arenen, kein Fußball, kein Eishockey, kein Handball. Gespenstisch dunkel die Parkplätze. In der Volksbank-Arena aber, der Übungs-Eishalle der Hamburg Freezers, trainierte unbemerkt eine deutsche Nationalmannschaft. Von 23.30 bis 1.00 Uhr.

Das deutsche Sledge-Eishockeyteam beginnt an diesem Wochenende seine intensive Vorbereitung für den Weg zu den Paralympics in Sotschi. Am Sonnabend (18 Uhr) und am Sonntag, früh morgens um 8.30 Uhr, stehen in der Arena zwei Länderspiele gegen Schweden an. Anders ging es nicht., das Schicksal eines Außenseitersports. „Andere Trainingszeiten konnten wir nicht bekommen“, sagt Bundestrainer Andreas Pokorny, „wir sind aber froh, dass es in Hamburg überhaupt geklappt hat.“

Der ehemalige Eishockey-Nationalspieler Pokorny ist seit fast zwei Jahren Coach der Mannschaft, die im März die B-Weltmeisterschaft gewonnen hat und damit in die A-Gruppe aufgestiegen ist. Ab 21. Oktober versucht die Mannschaft beim Qualifikationsturnier in Turin gegen Italien, Südkorea, Schweden, Japan und Großbritannien einen von noch drei freien Plätzen für das paraolympische Turnier 2014 zu erobern.

„Sotschi 2014“ steht auf einem Zettel innen an der Wohnungstür von Frank Rennhack in Harburg. Dazu Bilder von seinem Sport, olympische Ringe. Der Hamburger ist seit zwei Jahren der Kapitän des Teams. Er gilt als einer der besten Spieler der Welt. „Der Zettel ist noch eine zusätzliche Motivation, wenn ich mal nicht so viel Lust auf Training habe“, erklärt der 23-Jährige. Schon mit 16 feierte er sein Debüt in der Nationalmannschaft, war auch bei den Paralympics in Turin dabei: „Aber damals konnte ich das noch nicht so richtig einordnen.“ Fünfmal Training die Woche ist angesagt, die „Sledger“ sind paralympische Leistungssportler. Sporthilfe allerdings bekommen sie nicht, die Ausrüstung muss im Wesentlichen selbst bezahlt werden. Immerhin kommt der Deutsche Behindertensportverband für die Kosten der Reisen zu Turnieren und Trainingslagern auf.

Das Spiel ist kaum weniger rasant und physisch fordernd als das Eishockey der „Läufer“ (Rennhack), die Regeln sind praktisch identisch. Nur dass sie in meist selbstgebauten Schlitten auf Kufen sitzen, einen kurzen Schläger in jeder Hand, der auch zum Vorwärtsabstoßen genutzt wird. Mit den Schlitten zu fahren und das Balancieren vergleicht Außenstürmer Rennhack mit Motorradfahren: „Wichtig ist, dass du Gefühl im Hintern hast.“

Hat er. Die Nationalmannschaft besteht zum größten Teil aus Amputierten und „inkompletten“ Querschnittsgelähmten. Wie Rennhack, der mit zehn Monaten bei einer Operation seine Mobilität in den Beinen verlor. Kunstfehler, die „Steuerzentrale“ im Gehirn ist kaputt, die Nervenleitungen sind aber intakt. „Es war immer so und hat mich nie gestört“, sagt er,. „Ich denke, es ist schlimmer, wenn du nach einem Motorradunfall gelähmt bist.“

Seit drei Jahren wohnt der gebürtige Sachse in Hamburg, Freundin Teresa hat einen Job im Krankenhaus Altona angenommen, er machte eine Ausbildung zum Veranstaltungskaufmann, die er im Sommer abgeschlossen hat. Rennhack spielt jedoch in Adendorf, ist dort auch Trainer. Vor zwei Jahren musste er mit den „Hamburg Bulldogs“ den Weg in die Heide gehen: „Dort waren wir willkommen, wurden und werden bei Eiszeiten unterstützt.“ Er sagt es nicht so, aber offenbar tat sich in Hamburg nichts dergleichen. Die Probleme mit Trainingshallen sind allgegenwärtig. Wie jetzt auch bei der Planung des Trainingslagers. „In Berlin ging es wochenlang hin und her, das Sportamt dort bevorzugt Berliner, es ist ein Wahnsinn“, sagt Pokorny.

Also Hamburg, auch mit diesen seltsamen Zeiten. Aber all das nimmt das Team auf sich. „Die Motivation ist extrem hoch“, sagt Pokorny. „Wir sind ein verschworener Haufen“, sagt Frank Rennhack. Alles für Sotschi – in Hamburg begann der Weg. Zur Geisterstunde am Freitag um 23.30.