Das deutsche Vorzeigeboot verlor erstmals seit 2008 – Hacker gewinnt Bronze, Gold für den Doppelvierer der Damen

Chungju. Beim Schlussakkord der Ruder-WM mangelte es selbst den Kraftpaketen aus dem Deutschland-Achter an Stehvermögen. Als die Nationalhymne für die siegreichen Briten erklang, ging Felix Drahotta ausgepowert in die Knie. Schlagmann Kristof Wilke überstand das Ende der Zeremonie wenig später nur sitzend. Der vergebliche Parforceritt im Final-Krimi bereitete jedoch nicht nur körperliche Pein. Nach dem Ende der langen Siegesserie machte Wilke aus seinem Frust keinen Hehl: „Niemals zuvor bin ich einen solchen Endspurt gefahren. Aber die Briten haben uns den Schneid abgekauft.“

Beim WM-Championat auf dem Tangeum-See in Chungju/Südkorea kam die von Erfolgstrainer Ralf Holtmeyer betreute Besatzung hinter Großbritannien mit einem Rückstand von 54 Hundertstelsekunden auf Rang zwei. Erstmals seit Olympia 2008 in Peking musste sich die Crew bei einem internationalen Titelkampf mit Silber begnügen – trotz eines erneut sehenswerten Auftritts. Mit Erfolg kopierten die Briten die über Jahre bewährte Rennstrategie der Deutschen und fuhren auf den ersten 1500 Metern einen Vorsprung heraus. „Unser Schlussspurt war super, aber nach 500 Metern haben wir etwas geschwächelt“, befand Holtmeyer.

Auch das Finish der Titelverteidiger konnte den ersten WM-Triumph eines britischen Achters nicht verhindern. Nur eine Luftkastenlänge fehlte zum vierten WM-Gold in Serie. Doch die Enttäuschung hielt sich in Grenzen. Trotzig wertete Wilke die Niederlage als Anreiz, die im nacholympischen Jahr verringerten Trainingsumfänge wieder anzuheben. „Heute haben wir den Briten gratuliert. 2014 sollen sie gefälligst wieder uns gratulieren.“

Wilke wies darauf hin, dass der Achter in dieser Saison längst nicht so viel trainiert habe wie in den vergangenen Jahren, „weil alle nach Olympia ihre Priorität aufs Studium gelegt haben“. Er selbst habe auch erst im Januar mit dem Training begonnen, auch weil er den Olympiasieg erst einmal genießen wollte und ein bisschen Abstand zum Sport brauchte: „Deshalb habe ich dieses Jahr nur halb so viel wie sonst trainiert. Das soll aber keine Ausrede sein. Der Rennverlauf machte unsere Defizite jedoch deutlich. Nach dem guten Start fehlte uns über die mittleren 1000 Meter einfach der Streckenschlag.“ Ein Grund war sicher auch, dass die Hälfte der Mannschaft zum ersten Mal bei einer Weltmeisterschaft im Achter saß.

Mit insgesamt einmal Gold, zweimal Silber und zweimal Bronze in den olympischen Klassen blieb die deutsche Flotte im Soll. Fünfmal Edelmetall ging ansonsten nur an die Briten und die Neuseeländer. Nicht zuletzt deshalb zog DRV-Cheftrainer Marcus Schwarzrock ein positives Fazit: „Ich bin zufrieden. In einigen Bootsklassen gibt es einen Aufwärtstrend, in anderen jedoch noch viel Arbeit.“

Für einen der Lichtblicke der Regatta-Woche sorgte Marcel Hacker. Der 36 Jahre alte Routinier gewann Bronze und damit sein erstes Einer-Edelmetall seit sieben Jahren. Nach einem beherzten Rennen kam der Magdeburger hinter dem Tschechen Ondrej Synek und dem Kubaner Angel Fournier Rodriguez ins Ziel. Noch bei der 1500-Meter-Marke lag Hacker auf dem zweiten Platz, konnte den Schlussspurt des Kubaners aber nicht kontern. „Ich bin Oberkante-Unterlippe gefahren. Auf den letzten 200 Metern wusste ich nicht mehr, wo oben und unten ist“, kommentierte Hacker.

Die Angst der DRV-Führung vor einer WM ohne Gold hatte der Frauen-Doppelvierer bereits am Vortag vertrieben. Nur wenige Minuten nach dem Erfolg über Kanada wurde aus dem Siegersteg eine Tanzfläche. Als der Welthit „Gangnam-Style“ des südkoreanischen Rappers Psy erklang, bot das mit Gold dekorierte Team um Schlagfrau Britta Oppelt eine kleine Tanzeinlage. Schon die Medaillenvergabe wenige Minuten zuvor hatte bei der Berlinerin für große Gefühle gesorgt: „Das Erlebnis, auf dem Podest in der Mitte zu stehen und die Nationalhymne zu hören, ist nicht zu beschreiben. Das ist einfach wahnsinnig schön.“

Im Männer-Doppelvierer erfüllten sich die Hoffnungen auf einen neuerlichen Coup dagegen nicht. Anders als vor einem Jahr im Kampf mit Kroatien um Olympia-Gold hatte Schlagmann Tim Grohmann aus Dresden diesmal das Nachsehen. Der starke Schlussspurt stellte aber immerhin Rang zwei hinter den aufkommenden Briten sicher. „Wir haben am Start ein bisschen was verschenkt. Dennoch war es unser bestes Saisonrennen“, befand Grohmann.

Zur Freude von Cheftrainer Schwarzrock hielt auch der leichte Frauen-Doppelzweier dem Druck stand. Das Duo Lena Müller aus Ulm und Anja Noske aus Saarbrücken belegte hinter den Favoritinnen aus Italien und den USA Rang drei. „Das war der Lohn für verdammt harte Arbeit“, kommentierte Noske. Zweimal Silber in den nichtolympischen Klassen Zweier mit Steuermann und leichter Männer-Doppelvierer rundeten die passable deutsche WM-Bilanz ab.