Ein Kommentar von Rainer Grünberg

Es hätte nicht einmal des abschließenden Sieges der Speerwerferin Christina Obergföll bedurft, um aus deutscher Sicht eine positive Bilanz der 14. Leichtathletik-Weltmeisterschaften zu ziehen. Das wichtigste Bewertungskriterium steckt nämlich hinter dem Medaillenspiegel. Fast 80 Prozent der deutschen Starter traten in Moskau in Bestform an, bestätigten ihre bisherigen Saisonleistungen, einige liefen sogar schneller oder warfen weiter. Ähnliche Zielvorgaben hatten die deutschen Schwimmer bei ihrer WM Ende Juli in Barcelona zum Teil grob verfehlt. Das spricht für die Trainingsplanung der Leichtathleten.

Betrachtet man die Platzierungen der bisherigen 14 Weltmeisterschaften, fällt auf, dass sich die gesamtdeutsche Leichtathletik auf dem Niveau der ehemaligen Bundesrepublik eingependelt hat – mit einer höheren einstelligen Medaillensammlung als nun über 20 Jahre fast schon konstantes Resultat. Die einstige Hoffnung, dass eins plus eins gleich zwei ist, hat sich nicht erfüllt. Der gesamtdeutsche Sport hat es geschafft, den Faktor DDR auszuradieren. Dabei war es nicht Doping allein, – das, wie wir inzwischen wissen, auch in Westdeutschland systematisch betrieben wurde –, es waren auch die Summe aus Talentfindung- und -förderung wie vor allem der gesellschaftliche Stellenwert des Sports, der sich im Osten Deutschlands nachhaltig auf Ehrgeiz, Einsatz und Ergebnisse auswirkte.

Der deutsche Sport hat heute hinter China, den USA und Russland seine Rolle gefunden. Jedem sollte aber klar sein, dass es schwer genug wird, diese Position gegen die Herausforderer aus Asien, Afrika und Südamerika zu behaupten, die oft ein Vielfaches in ihr Sportsystem investieren. Die Leichtathleten haben es wieder geschafft. Das ist anzuerkennen.