Europameister Sebastian Bayer vom HSV geht als Außenseiter in die Weitsprungqualifikation

Hamburg. Die Aufforderung ist unmissverständlich: „Lauf, triff, flieg!“ Sebastian Bayer kann sie nachlesen auf dem „Glücksbrett“, das ihm treue Fans gebastelt haben und das er mitgenommen hat zur Leichtathletik-WM nach Moskau. Jetzt geht es für den Europameister vom HSV nur noch darum, es umzusetzen an diesem Mittwochmorgen in der Weitsprungqualifikation um 8.25 Uhr unserer Zeit. 8,10 Meter sind gefordert, um am Finale am Freitag teilnehmen zu dürfen.

Wenn Weitsprung nur so einfach wäre, dass es sich in drei Wörtern zusammenfassen ließe! Hinter jedem einzelnen steckt eine ganze Serie von Unwägbarkeiten. Beim Laufen noch am wenigsten. Was das betrifft, hat Bayers Trainer Uwe Florczak keine Bedenken: „Die Anlaufkontrolle stimmt, die Kraftwerte auch.“ Eine der sogenannten Zubringerleistungen aber kann Florczak nicht abschätzen: „Wir konnten die Mehrfachsprünge im Training nicht so entwickeln wie vorgesehen.“

Der Grund ist ein Muskelfaserriss, den Bayer im Mai beim Training auf Teneriffa erlitten hatte. Zudem schlug er sich immer wieder mit Problemen an Fuß und Knie herum, die ihn schon seit Jahren begleiten. So kommt es, dass Bayer, 27, in Moskau mit einer Saisonbestleistung gemeldet ist, die mit 8,04 Meter um 45 Zentimeter unter seiner Marke von 2009 liegt und gar um 67 Zentimeter unter seinem Halleneuroparekord aus dem gleichen Jahr.

Aber die ganz langen Sätze brauchte Bayer in diesem Jahr auch gar nicht unbedingt zu machen. Als Europameister war er gleichsam befreit von der WM-Norm, die mit 8,25 Meter so hoch gesetzt war wie noch nie. Deshalb konnte es sich Bayer auch leisten, auf die weitenträchtigen deutschen Meetings zu verzichten, die er noch nie besonders gemocht hat. „Sebastian nutzt lieber die Chance, auf internationalen Meetings zu starten“, sagt Florczak.

Mindestens 8,20 Meter, glaubt der Hamburger Bundestrainer, werden für eine Medaille geleistet werden müssen. Zwei seiner Athleten haben dies in diesem Jahr geschafft: der Rehlinger Christian Reif (8,27) und Alyn Camara aus Leverkusen (8,29). Reif, 28, hat bereits nachgewiesen, dass er einer Situation wie in Moskau gewachsen ist. 2010 qualifizierte er sich bei der EM mit dem letzten Versuch fürs Finale und gewann dann mit 8,47 Meter den Titel. Für Camara, 24, ist es die erste WM. Aber seit er bei den deutschen Meisterschaften Bayers 8,04 Meter im letzten Durchgang mit 8,15 Meter konterte und damit die acht Jahre währende Bayer-Reif-Dominanz beendete, weiß Florczak, dass sein größtes Talent „in der Spitze angekommen ist“.

Wie eng es dort zugeht, musste Bayer 2012 in London erfahren: Zwei Zentimeter trennten ihn als Fünften von einer olympischen Medaille. Aber damals konnte er auch nicht die Lockerheit eines Außenseiters beanspruchen.