Aus 20 Metern stürzt sich die Deutsche in die Tiefe - und ist Favoritin auf WM-Gold. Vor fünf Jahren sprang sie von der Rickmer Rickmers.

Hamburg/Barcelona. Als Anna Bader sich zum ersten Mal vom WM-Turm aus 20 Metern stürzte, blieben die Passanten am Hafen von Barcelona stehen und schauten ihr staunend zu. Die Klippenspringerin genießt die Blicke. „Mir gefällt der Moment vor dem Sprung, wenn ich alle Gesichter unten sehe. Dann kommt die Energie nach oben“, sagte die 29-Jährige.

Am Montag lockte die WM-Premiere der Männer Zehntausende Zuschauer zum Port Vell, die immer wieder staunend nach oben blickten und den Mut der Extremsportler bewunderten. Beste Chancen auf das erste offizielle WM-Gold hat der Kolumbianer Orlando Duque, der nach zwei starken Sprüngen aus waghalsigen 27 Metern in Führung liegt. Die Entscheidung fällt am Mittwoch.

Einen Tag vorher steht Anna Bader im Mittelpunkt. Sie, die noch vor gut einer Woche vor einer Handvoll Zuschauern von den Felsen bei Ponte Brolla im Schweizer Maggiatal als einzige Frau bei den Männern mitsprang und ihren siebten EM-Titel gewann – ohne Konkurrenz. Die einstige Wasserspringerin, der zehn Meter nicht hoch genug waren, die mit der kleinen Gruppe Gleichgesinnter im Sommer von einem Event zum anderen tingelt. Auch in Hamburg sprang sie 2008 schon vom Museumsschiff Rickmer Rickmers in die Elbe.

„Ich bin schon überrascht, es gab sehr viele Anfragen“, berichtete sie, „aber ich freue mich, auch wenn ich manchmal gar nicht weiß, wo mir der Kopf steht.“ Auch der Playboy wurde auf die attraktive Mainzerin aufmerksam und lichtete sie für sein August-Heft ab.

Das WM-Debüt ihrer Sportart ist für sie „ein Traum, der wahr wird, ich versuche, die besten Sprünge zu zeigen, die ich kann – für mich und fürs Publikum“. Natürlich würde die Serien-Europameisterin gerne gewinnen, „aber Punkte und Platzierungen stehen absolut nicht im Vordergrund, ich mache es aus Spaß und Leidenschaft“. Die fünf Konkurrentinnen aus den USA, Kanada und der Ukraine seien „schon gut, das erste Mal, dass was Richtiges an den Start geht“.

Um WM-Medaillen hätte sie schon eher springen können, wenn sie beim konventionellen Wasserspringen geblieben wäre, zwischenzeitlich gehörte sie zum B-Kader der Nationalmannschaft. Doch sie wollte höher hinaus – wie in ihrem Jamaika-Urlaub. Einheimische beobachteten die Sprünge der damals 17-Jährigen von einer „Plattform für Touris, sieben Meter hoch“, und luden sie prompt ein: „Du bist Profi, du kannst bei uns mitspringen.“ Bis zum Sonnenuntergang stürzte sich der Teenager aus Mutlangen „von den richtigen Klippen, zwölf Meter hoch“, ins karibische Meer.

Die Sprünge vom Zehn-Meter-Turm in den Schwimmhallen reizten sie immer weniger. Als sie 2005 in die Schweiz fuhr, „um Höhenluft zu schnuppern“, wurde sie „wie aus Versehen Europameisterin im Klippenspringen“. Sie war in die kleine Gruppe Extremsportler geraten, die sich alljährlich in Ponte Brolla treffen.

Anna Bader, die in Mainz Englisch, Spanisch und Geografie studierte, ist seitdem dabei geblieben. Vor zwei Wochen sahen 20.000 zu, als sie bei der Red-Bull-Weltserie am Gardasee den ersten Frauenwettbewerb vor zwei Amerikanerinnen und einer Kandierin gewann. Ihr Geld verdient sie als Artistin in einer Wassershow in China: „Mein Kindheitstraum war immer, zum Zirkus zu gehen. Dieser moderne Zirkus mit Masken und Wasser ist perfekt für mich.“

Beim freien Fall mit bis zu 90 Stundenkilometern springt ein bisschen Angst immer mit: „Ich weiß um die Gefahren. Ich springe nur, wenn ich mir 100 Prozent sicher bin, dass es klappt. Aber es bleibt ein Restrisiko.“ Klippenspringer tauchen immer mit den Füßen zuerst ein, „der Aufprall ist enorm hart“. Ernsthaft verletzt hat sie sich noch nicht: „Blaue Flecken gab's schon öfter, einmal habe ich mir das Steißbein geprellt.“ Die Schmerzen vergingen, die Liebe zum Extremen blieb.