Lewis Hamilton feiert in Ungarn seinen ersten Formel-1-Erfolg für Mercedes, Sebastian Vettel baut als Dritter seine WM-Führung aus

Budapest. Wie erfinderisch Hitze machen kann, war am schönsten beim McLaren-Rennstall zu beobachten. Die Briten hatten die feuerfesten Hemden von Jenson Button und Sergio Perez am Vormittag vor dem heißesten Grand Prix des Formel-1-Jahres in Ungarn nass in einen Eisschrank gehängt, um den Fahrern zu Rennbeginn wenigstens ein paar Minuten Abkühlung zu verschaffen. Vor dem Start legten sie den Piloten spezielle Westen um, auf deren Innenseite Kühlaggregate eingenäht waren. Der Wasservorrat der Boxencrew wurde auf die doppelte Menge erhöht, Truhen mit Trockeneis sorgten in der Garage für einigermaßen erträgliche Temperaturen, während draußen die Luft bei 35 Grad flirrte.

Geholfen hat es nicht: Wie die meisten Rennställe litten die Briten zu sehr unter der Hitze auf dem Hungaroring, um den wie entfesselt fahrenden Lewis Hamilton auf dem Weg zum ersten Sieg für Mercedes zu gefährden. „Das war hart“, stöhnte der Brite später nass geschwitzt. „Ich musste sehr, sehr viel trinken.“ Erst am Ende habe er ein wenig durchatmen können. Einzig Lotus und Red Bull konnten ihm halbwegs folgen und wurden mit Platz zwei für Kimi Räikkönen und drei für Sebastian Vettel belohnt. Auf dem Siegerpodest zelebrierte das Trio das Champagnerspritzen so ausgiebig wie bei keinem anderen Rennen; die Flaschen kamen aus dem Kühlschrank, entsprechend erfrischend war die klebrige Dusche.

Anders als in vorherigen Rennen gelang es Vettel in Budapest nicht, den vor ihm gestarteten Silberpfeil gleich zu Beginn zu überholen. Hamilton, der als Erster ins Rennen gegangen war, konnte sich früh absetzen und dann weitgehend ungestört seiner silbernen Siegpremiere entgegenfahren. „Der Start war nicht gut, ich bin schlecht weggekommen“, sagte Vettel später. „Wir wollten natürlich mehr als Platz drei. Es war sehr hart, heute gegen die Lotus-Piloten zu bestehen.“ Anstatt sich auf die Verfolgung konzentrieren zu können, musste sich der dreimalige Weltmeister rundenlang den Attacken des starken Romain Grosjean erwehren. Dessen Auto war auf dem 50 Grad heißen Asphalt sogar schneller als der Red-Bull-Bolide, der in den Trainingsfahrten noch dominiert hatte.

Zum Glück für den Deutschen hat Grosjean seine Crashkid-Vergangenheit, als er wegen zu vieler Unfälle sogar für ein Rennen gesperrt worden war, inzwischen überwunden. Die Auseinandersetzung war hart, aber fair. Am Ende warf Grosjean eine Durchfahrtstrafe, die er für das Verlassen der Strecke bei einem Überholmanöver gegen Felipe Massa kassiert hatte, zurück auf Rang sechs. Ohne diese Sanktion wäre er wohl vor Vettel über den Zielstrich gefahren. Doch Hamiltons Verfolgung war an diesem Tag ein aussichtsloses Unterfangen. Obwohl Mercedes vor anderthalb Wochen als einziges Team nicht an den Reifentests in Silverstone teilnehmen durfte, war Hamilton mit Abstand schnellster Mann im Feld. Die Gummis harmonierten besser mit dem Auto als bei jedem anderen Saisonrennen. „Wir wussten nicht genau, wie die Reifen funktionieren würden“, sagte er später.

Der 28-Jährige nutzte die Gunst der Stunde, um seine Position als Nummer eins bei den Silberpfeilen zu zementieren. Die hatte durch die beiden Siege seines Team-Kollegen Nico Rosberg in England und Monaco ein paar Risse bekommen. „Das ist einer der wichtigsten Grand-Prix-Siege meiner Karriere“, bewertete er seinen 22. Triumph. „Das Team hat unfassbar hart gearbeitet, das ganze Jahr schon. Das ist einfach phänomenal. Momente wie diese sind die Belohnung für die Mühen.“ Von einer Chance auf den WM-Titel wollte er zur Halbzeit der Saison aber noch nichts wissen. Mit nunmehr 40 WM-Punkten Vorsprung vor Rosberg, der in Ungarn mit einem Motorschaden ausschied, rückte Hamilton die Verhältnisse teamintern wieder zurecht.

Zeitweise wuchs Hamiltons Vorsprung vor dem Rest des Feldes auf 15 Sekunden an, am Ende waren es noch zwölf. Nach der Enttäuschung der vergangenen Rennen, als selbst beste Startplätze nicht für vordere Ränge gereicht hatten, war die Genugtuung bei den Mercedes-Bossen beinahe greifbar. „Das war eine perfekte Leistung von Lewis“, lobte Niki Lauda, der Vorsitzende des Aufsichtsgremiums beim Mercedes-Team. „Auf einer Strecke, wo das Überholen schwer ist, hat er jede Überrundung fehlerfrei gemeistert.“

Vettel hingegen scheiterte in der Schlussphase mehrmals mit dem Versuch, Räikkönen zu überholen. „Er hat mich rausgedrückt“, klagte er über den Boxenfunk, nachdem der Finne sich in der drittletzten Runde regelkonform gewehrt hatte. Der 33-Jährige, dessen Vertrag beim klammen Lotus-Team am Jahresende ausläuft, sagte: „Ich glaube nicht, dass das irgendwelche Auswirkungen auf die kommende Saison haben wird.“ Er gilt weiterhin als Kandidat für das zweite Red-Bull-Cockpit.

Doch scheint Räikkönen prominente und überraschende Konkurrenz zu bekommen. Wie „Sport Bild“ berichtet, soll sich der zweimalige Weltmeister Fernando Alonso bei den Österreichern angeboten haben. Das Management des 31-Jährigen soll bereits erste Sondierungsgespräche mit Red-Bull-Teamchef Christian Horner geführt haben. Der Spanier ist zunehmend frustriert von der stockenden Entwicklung bei Ferrari; auch in Ungarn reichte es wieder nur zu Rang fünf. Den zweiten WM-Rang verlor Alonso vorerst an Räikkönen.

Das Ferrari-Team musste 15.000 Euro Strafe zahlen, weil bei Alonso das Überholhilfesystem DRS falsch aktiviert war. Lotus-Mann Grosjean wurde gar wegen eines riskanten Überholmanövers mit 20 Sekunden Zeitstrafe belegt, behielt aber seinen sechsten Platz.