25 Kinder übten mit dem deutschen Daviscup-Kapitän am Hamburger Rothenbaum. Dabei zwei Profis in spe und ein Mädchen aus China

Hamburg. Irgendwann nach fast drei Stunden Training bei 30 Grad standen Lisa Ponomar und Johanna Silva allein auf dem Centre-Court am Rothenbaum und knallten die gelben Bälle hin und her und her und hin. Mit einer Intensität und Präzision, die keinen Zweifel ließ, was diese beiden 15 und 16 Jahre alten Mädchen antreibt. „Wir wollen mal Tennisprofis werden“, sagten beide, Johanna wurde noch präziser: „Unter die ersten zehn der Weltrangliste.“

Die beiden Profis in spe vom Club an der Alster hatten am Mittwoch mit 23 anderen Kindern aus Hamburg und Umgebung die Chance wahrgenommen, mit dem deutschen Bundestrainer und Daviscup-Kapitän Carsten Arriens und dem Hamburger Verbandstrainer Guido Fratzke auf der Turnieranlage an der Hallerstraße zu trainieren und mal zu erfahren, wie es denn so zugeht, unter „Profibedingungen“. Sie hatten sich auf die Initiative des Deutschen Tennis-Bundes (DTB) und des Abendblattes gemeldet, die Hamburger Talenten diese Erfahrungen ermöglichte. Der Hamburger Unternehmer und ehemalige Wirtschaftssenator Ian Karan, der ein begeisterter Hobbyspieler ist, spendete im Rahmen der Aktion außerdem 3000 Euro an die Kinderhilfs-Organisation Plan International und schaute sich das Treiben persönlich an.

„Es hat viel Freude gemacht“, sagte Arriens, „es war natürlich auch eine Herausforderung, weil die Kids zum Teil ein ziemlich unterschiedliches Niveau hatten.“ Lisa und Johanna stachen dabei natürlich heraus, aber auch die anderen waren mit viel Engagement dabei und hatten ihren Spaß. „Ich war ganz schön nervös, als mir Carsten Arriens die Bälle zugespielt hat“, sagte Mulan Bartz, „aber er war total nett, hat viel erklärt und mir tolle Tipps gegeben.“

Wenn man so will, hatte die 15-Jährige die längste Anreise aller Teilnehmer. Erst vor zwei Wochen ist sie mit ihren Eltern nach zehnjährigem Aufenthalt aus Peking nach Bergedorf übergesiedelt. Es war ihr Wunsch, sagte sie: „Der Smog in Peking ist zu stark, man konnte kaum noch atmen, Tennisspielen natürlich auch nicht richtig.“ Fast ihre halbe Klasse hätte deshalb in diesem Sommer die chinesische Hauptstadt verlassen.

Tennis hat das 1.77 Meter große Mädchen natürlich auch in Peking gelernt, wo sie die Schule der deutschen Botschaft besuchte. Im letzten Oktober hatte sie sogar bei den offiziellen Pekinger Schülermeisterschaften bei den Mädchen den ersten Platz belegt. „Da spielen aber nicht die Kinder mit, die für eine Profikarriere ausgesucht sind“, gab Mulan zu. Arriens war beeindruckt von der Geschichte der Deutsch-Chinesin, die bisher nur auf Hartplätzen gespielt hat. „Man merkt, wie begeistert sie spielt und wie gern sie besser werden will“, sagte der Daviscup-Coach, „auch wenn es für eine internationale Karriere vielleicht nicht reichen wird.“

Dass sie nun dauerhaft in Hamburg ist, muss erst noch sacken: „Bisher war ich ja immer nur im Urlaub hier“, sagte die Tochter einer Chinesin und eines deutschen Vaters, „jetzt muss ich erst einmal realisieren, dass es für immer ist.“ Tennis wird dabei möglicherweise eine wichtige Rolle spielen, schon ist sie auf der Suche nach einem Klub in Hamburgs Südosten: „Der Sport macht mir unglaublich Spaß, und das Training war sehr schön.“

Kinder mit diesem Spaß am Spiel und der Einstellung sind genau die, die der DTB und auch der Hamburger Tennis-Verband suchen und fördern wollen. Es ist nicht leicht. „Alexander Zverev hebt sich in seinem Denken schon von vielen ab“, sagt Arriens. Der 16 Jahre alte Hamburger habe nach seiner Erstrundenniederlage am Rothenbaum vor zwei Wochen noch stundenlang ein der Umkleidekabine gesessen und gegrübelt, warum er verloren hatte.

Den Biss und das unbedingte Wollen, das vermisst Arriens bei einigen Kindern. Talente seien da, das DTB-System produziert sie, aber der Übergang zwischen 18 und 23 Jahren in den Profibereich, der hakt oft genug. „Vielleicht werden die Jungs auch zu sehr verhätschelt und beschützt. Manche müssen ja schon auf einem Fahrrad-Ergometer einen Helm tragen. Die müssen doch auch mal hinfallen, Jungs sein mit ihrer Männerenergie. Die setzen sich dann auch im Sport durch.“

Als Bundestrainer ist der 44-Jährige für den A- und B-Kader zuständig. Fünf bis sechs Spieler aus dem Nachwuchs möchte er konkret begleiten. Dazu gehören Unterstützung im Bereich des Athletik und der Sportpsychologie. Arriens möchte allgemeingültige Standards einführen, die für die Betreuung der Leistungsspieler gelten, sei es an Bundesstützpunkten oder begleitend, wenn die Familien allein unterwegs sind. Kurzfristig soll außerdem die Trainerausbildung reformiert werden. „Wir brauchen eine Spitzenausbildung“, fordert Arriens, „dass sich 200 völlig unterschiedlich orientierte A-Trainer alle zwei Jahre zur Lizenzverlängerung treffen, ist nicht ausreichend.“

Lisa Ponomar, die im letzten Dezember im Doppel den Orange Bowl gewonnen hat, das bedeutendste Jugendturnier der Welt, und Johanna Silva interessiert diese verbandsinternen Strategien weniger. Sie ziehen ihren Weg durch, trainieren jeden Tag: „Man muss schon auf vieles andere verzichten“, sagt Johanna. Turniere, Reisen, Training jeden Tag. Und trotzdem konnte Carsten Arriens den beiden Toptalenten sogar noch ein paar neue Übungen zeigen und Tipps geben. „Da waren ein paar tolle Sachen dabei, es hat Spaß gemacht“, sagte Lisa. So sollte es sein.

Ein Video der Aktion www.abendblatt.de