Der Formel-1-Weltmeister ist Schirmherr beim Tag der Legenden. Auch Ruud van Nistelrooy wird erwartet, Uwe Seeler ist wie immer dabei.

Hamburg. „Als ich elf war, durfte ich dem Herrn Seeler Blumen überreichen“, erzählte Tim Borowski. „Uwe“, sagte Uwe. Das war dann auch geklärt. Die Legende bot das Du an, und die Nachwuchslegende aus Bremen war aufgenommen in den Kreis der Fußballhelden im Ruhestand. Borowski kickt am 8. September erstmals mit am Hamburger Millerntor, wenn schon zum neunten Mal Hamburg zugunsten von Reinhold Beckmanns Kinderhilfe-Initiative NestWerk mit Deutschland spielt. Nicht gegen. „Spaß wollen wir haben, für die gute Sache“, sagte Seeler, „das ist das Wichtigste.“

Mittlerweile ist dieser Termin zu einem festen Programmpunkt für die Fußballfans in der Stadt geworden. Und zu einem gesellschaftlichen Ereignis. Was auch an der Abendgala im „Schmidts Tivoli“ liegt. Der rote Teppich nach dem Kick, mit Bühnenshow und Unterhaltungsprogramm, wo Jörg Wontorra moderiert und beste Laune versprüht – ohne Phrasenschwein und kritische Fragen. Die Stars von einst kommen immer wieder und gern. Es ist fast wie ein Klassentreffen, „Weißt du noch?“, „Was machst du gerade?“ Ein kleines Zurück in die eigene Profizeit. „Was mir am meisten fehlt, ist der Spaß in der Kabine“ erzählte St.-Pauli-Sportchef Rachid Azzouzi, und Hasan Salihamidzic, der nach seinem Karriereende wie Borowski erstmals dabei sein darf, ergänzte: „Die besondere Atmosphäre in der Kabine vermisse ich schon.“

Er wird sich wundern, wenn er in der Kabine des Millerntor-Stadions sitzt und plötzlich ein ehemaliger Formel-1-Weltmeister hereinkommt. Auch Michael Schumacher hat nach dem Ende seiner Vollgas-Laufbahn mehr Zeit, seinem Hobby Fußball zu frönen. Der 44-Jährige hat sofort zugesagt, als Reinhold Beckmann ihn nach einer Fernsehsendung vor etwa anderthalb Jahren gefragt hat, ob er die Schirmherrschaft in diesem Jahr übernehmen will. „Ich kenne Michael ja schon seit 30 Jahren“, erzählt Beckmann, „damals habe ich in Köln gearbeitet, und wir waren oft auf der Kartbahn der Schumachers. Da war auch schon der kleine Ralf und hat immer gesagt: Ich fahr viel schneller als du.“ Michael Schumacher jedenfalls wird nun erstmals in Hamburg selbst mitspielen.

Er kann dann die Anweisungen von Uwe Seeler beherzigen, der auf seinem Sofa am Spielfeldrand sitzen wird, mit einer Tasse Kaffee und Kuchen – „Kohlehydrate und Obst, aber nur ein Stück. Das ist das Beste.“ Da nach dem mageren 2:1 für Deutschland im Vorjahr diesmal insbesondere die Torjäger gefragt sind, ist Uwes Rat noch wertvoller. „Vor dem Tor darf man nicht so viel Daddelkram machen, dann hat der Verteidiger Zeit, dir den Ball abzunehmen“, erklärte Seeler, „wenn ich rufe ‚Schieß‘, dann sollen sie schießen, und dann ist der Ball auch drin.“ „Moin, Moin zum Schützenfest!“ lautet 2013 das Motto. Die Legenden sollen treffen, treffen, treffen. Wie Lothar Matthäus in Schützentracht im launigen Werbefilmchen, wo der Rekordnationalspieler eine Schießbude zerlegt und in bestem Fränkisch zum „Dag der Legenden“ einlädt.

Damit es auch klappt mit dem „Schützenfest“, wird erstmals ein „Schützenkönig“ gekrönt. Dabei geht es nicht nur um die meisten Treffer, sondern auch um den schönsten – die B-Note sozusagen. Eine Jury aus zwei Fußballern und zwei Fans wird entscheiden. Ein heißer Kandidat dafür könnte einer der erfolgreichsten Torjäger der Welt in den letzten Jahren überhaupt werden: Ruud von Nistelrooy. Beckmann steht in engem Kontakt zu dem ehemaligen HSV-Star, der seine Karriere im Mai 2012 beendet hatte. Ob es klappt, den Welttorjäger 2002 nach St. Pauli zu locken, ist noch nicht sicher, aber es sieht wohl ganz gut aus.

Denn eigentlich kommen sie ja alle. „Wir sind schließlich das Original“, betonte Christian Hinzpeter, der im Vorstand von NestWerk arbeitet, angesichts mittlerweile zahlreicher anderer Prominentenspiele überall im Land. Aber keines hat eben die Strahlkraft wie der Tag der Legenden. 57 Spieler, Schiedsrichter und Betreuer haben schon zugesagt. Von Otto Addo bis Alexander Zickler. Uwe Seeler ist seit neun Jahren beim Tag der Legenden dabei. „Es ist für uns alle der Antrieb, Gutes zu tun und zu helfen“, sagt der 76-Jährige, „im Mannschaftssport geht es ums Miteinander, und das sollte auch in der Gesellschaft gelten.“

Erstmals dabei sind unter anderen Torsten Frings, Lars Ricken und Jörg Butt. Matthias Sammer feiert als Teambetreuer von Deutschland seine Legendenpremiere, die fünf Weltmeister von 1990, Lothar Matthäus, Stefan Reuter, Thomas Berthold, Karl-Heinz Riedle und Olaf Thon laufen ebenso auf wie die Hamburger Manfred Kaltz, Thomas von Heesen, Sergej Barbarez, Thomas Doll und Thomas Meggle.

Da am Millerntor nun die Gegengrade fertig ist, sind insgesamt fast 30.000 Plätze zu füllen, vor allem auch viele Stehplätze. „Das ist eine Herausforderung“, weiß Hinzpeter. Zwischen 8 und 27 Euro kosten die Karten. Der Reinerlös kommt den Jugendprojekten von NestWerk zugute. In vielen benachteiligten Hamburger Stadtteilen unterstützen Beckmann und Co. Projekte wie eine Ausbildungsplatz-Initiative, ein Straßenfußballturnier sowie Schwimmkurse, den „Jamliner“, ein rollendes Tonstudio, und die Öffnung von Sporthallen in den Abendstunden.

„Schlimm ist, dass viele Jugendliche Perspektivlosigkeit empfinden und ihr Leben schon aufgegeben haben“, sagt Beckmann, „wir wollen Möglichkeiten schaffen, die sie sonst nicht haben.“ 300.000 Euro sind vor einem Jahr durch die Veranstaltung zusammengekommen. So viel dürfen es gern wieder sein. „Es ist nicht wichtig, wie lächerlich man sich auf dem Platz macht“, sagt deshalb Dortmunds Meistertrainer Jürgen Klopp, „sondern nur, dass die Leute kommen und Spaß haben.“