Drei Generationen treten am Wochenende in Hamburg gemeinsam in einer Staffelmannschaft an – und liegen damit im Trend. Auch Vereine haben Familien, die gemeinsam Sport treiben wollen, als Zielgruppe entdeckt.

Hamburg. Gegen Ende des Fotoshootings, als die Wangen vom vielen Lächeln schon zu schmerzen beginnen, holt Silke Berecke endlich die weißen T-Shirts heraus, zweimal Größe S, einmal Größe L. Sie hat sie schließlich extra anfertigen lassen: „Tri Generations“ steht darauf gedruckt. Der Artdirector des Verlags, für den sie arbeitet, hat beim Entwurf des Schriftzugs mitgeholfen. In die Zeitung, das wird bald klar, werden es die Bilder mit den T-Shirts zwar nicht schaffen. Aber ein Platz im Familienalbum ist ihnen sicher. Großmutter, Mutter und Sohn gemeinsam als Staffelteam beim Triathlon in Hamburg – wer weiß schon, ob sich dieses Motiv so schnell noch einmal ergibt?

Um 12.08 Uhr am Sonnabend wird sich Nelson Berecke, 16, vom Jungfernstieg aus in die Alster stürzen. Nach 500 Meter Schwimmen übergibt er an Frieda Metz, 74, die die 20-Kilometer-Fahrradstrecke absolviert. Das Laufen, fünf Kilometer, übernimmt dann Silke Berecke, 42. Als sich die Niendorferin das mit der Familienstaffel ausgedacht hatte, war der Wettbewerb bereits ausgebucht. Aber dann hat sie bei der Veranstaltungsagentur Upsolut angerufen, und dort fand man die Idee so charmant, dass man ihr doch noch einen Startplatz gab.

Ihre Liebsten brauchte Silke Berecke nicht zu überreden. Der Sport liegt in der Familie. Frieda, genannt Friedel Metz ist dreifache Europameisterin im Triathlon, dazu fünffache Weltmeisterin im Duathlon (Laufen/Rad/Laufen). Vielleicht sind es auch ein paar mehr Titel, Metz hat irgendwann aufgehört, sie zu zählen. Die Pokale zu Hause in Hadamar füllen ganze Schränke. Aber sie sind ihr eigentlich gar nicht so wichtig: „Ich brauche die Bewegung einfach.“

Wenn sie frühmorgens aufbreche, um mit einer Freundin durch den nahen Westerwald zu laufen oder im See zu schwimmen, dann lasse sie auch die Nöte des Alltags, die Sorge um den kranken Ehemann, für ein paar Stunden hinter sich. „Der Sport“, sagt Friedel Metz, „ist für mich auch ein Stück Krisenbewältigung. Durch ihn bekommt man wieder Luft zum Atmen.“

Mit dem Triathlon hat sie bereits vor etwa 30 Jahren angefangen, kaum dass die Welle aus den USA nach Europa geschwappt war. 1989 gründete sie mit Gleichgesinnten die Triathlon-Equipe Elz. Sie ist als Einzige noch immer dabei. In ihrer neuen Altersklasse, W75, ist sie in Deutschland inzwischen ohne Konkurrentinnen.

Natürlich ist auch Friedel Metz nicht mehr so schnell, wie sie einmal war, gerade beim Laufen. Früher schaffte sie die zehn Kilometer in 43 Minuten, heute benötigt sie 56, obwohl sie ihr Trainingspensum über die Jahre immer weiter gesteigert hat. Aber sie würde sich von den üblichen Nebenwirkungen des Alters nie entmutigen lassen. Deshalb macht sie weiter – bei allzu schlechtem Wetter eben auf der Fahrradrolle, die sie im Keller stehen hat. 7000 Kilometer strampelt sie im Jahr zusammen. „Vielleicht ist das ein bisschen verrückt“, sagt Metz, „aber mir macht es Spaß.“ Und sie habe festgestellt, dass die jungen Athleten sie sogar als Vorbild wahrnähmen. (Außer dann, wenn sie hin und wieder zur Zigarette greift, weil ein bisschen Genuss eben auch sein müsse.)

Auf spontane Nachfrage kann Nelson Berecke das bestätigen: „Es beeindruckt mich schon, mit wie viel Ehrgeiz und Motivation sie ihren Sport betreibt.“ Für den Schüler aus der Nähe von Kiel wird es die erste Triathlonerfahrung. Anfang August will er in Felde einen Einzelstart wagen, versuchsweise. Um sich jetzt schon ganz auf diesen Sport festzulegen, dazu sind seine Neigungen einfach zu vielseitig. Schwimmen und Radfahren betreibt er regelmäßig, aber eben auch Tauchen, Surfen, Segeln, Reiten. Früher hat er Kampfsport betrieben, was erklären würde, warum so ein kräftiger Kerl aus ihm geworden ist.

Sport mit den Familienangehörigen zu treiben ist für Nelson Berecke nichts Ungewöhnliches. Im Frühjahr hat er mit der Mutter einen Radurlaub auf Mallorca gemacht. Jeden Morgen ging es früh raus aus dem Bett und die Berge hinauf. „Da kannte ich kein Pardon“, sagt Silke Berecke. Dabei, sagt sie, sei sie sportlich das schwarze Schaf der Familie. Ihr Bruder habe die Fähigkeit, sich zu quälen, so sehr, dass er mehrmals beim Ironman Hawaii gestartet ist, was selbst für Friedel Metz nie infrage gekommen wäre: „Dafür wäre mir das Trainingspensum viel zu hoch.“ Silke Berecke ist schon zufrieden, dass sie morgens öfter zum Laufen kommt, so um die 50 Minuten. Der Sport sei ihr schon wichtig, was man ihr auch ansieht: „Aber ich bin nicht so verbissen.“

Die Idee, mit der Verwandtschaft Sport zu treiben, ist eigentlich kaum erwähnenswert. Der gemeinsame Fahrradausflug, der Schwimmbadbesuch, Wander- oder Skiurlaub gehören zur Freizeitgestaltung vieler Familien. Eine neuere Entwicklung scheint zu sein, dass man auch gemeinsam bei Wettkämpfen auftritt. Beim Triathlon sind Familienstaffeln so beliebt, dass es dafür eine gesonderte Wertung gibt. Beim Hamburg-Marathon, der seit dem vergangenen Jahr als Staffellauf angeboten wird, haben sich viele Angehörige zu Mannschaften zusammengeschlossen.

Auch die Vereine haben Familien, die gemeinsam Sport treiben wollen, längst als Zielgruppe entdeckt. Der Landessportverband Schleswig-Holstein hat bereits 1996 ein Projekt „Familiensport“ ins Leben gerufen. Ziel ist es, Angebote zu schaffen, die die Generationen zusammenführen – und den Clubs auf diesem Wege am Ende neue Mitglieder erschließen. Eine vergleichbare Initiative startete vor zwei Jahren das Bundesfamilienministerium zusammen mit dem Deutschen Olympischen Sportbund. Titel: „Sport bewegt Familien – Familien bewegen den Sport“.

Die Fördermittel dürften im gesamtgesellschaftlichen Interesse gut angelegt sein. Mehr als die meisten anderen Lebensbereiche hat der Sport die Kraft, Altersschranken zu überwinden. Und er vermittelt auf spielerische Weise Werte, ohne die das Zusammenleben nicht funktionieren würde: Respekt, Toleranz, Fairness. „Familiensport ist Sozialarbeit in grandioser Form“, sagt der Kieler Sportwissenschaftler Manfred Wegner.

Die Metz-Bereckes sind dafür ein grandioses Beispiel. Sie wollen, jeder und jede für sich, am Sonnabend ihr Bestes geben. Was dabei herauskommt, spiele keine Rolle, solange es nicht gerade der letzte Platz ist. Friedel Metz hat sich für ihre Triathlonkarriere ohnehin nur noch einem Ziel verschrieben: „Nicht auf allen Vieren durchs Ziel zu gehen. Es sollte schon noch ästhetisch aussehen – gerade bei einer Frau.“