Die beiden am Hamburger Rothenbaum topgesetzten Spieler benötigen vor 7500 Zuschauern jeweils drei Sätze für den Einzug ins Achtelfinale

Hamburg. Schatten war gerade auf den zuvor sonnendurchfluteten Centre-Cout gefallen, als der König vom Rothenbaum um kurz vor 19 Uhr einem märchenhaften Tag die Krone aufsetzte. Mit seinem vierten Matchball folgte Roger Federer seinem Kumpel Tommy Haas ins Achtelfinale des Hamburger Tennisturniers und erhielt damit die Hoffnungen der Fans am Leben. Auch wenn am Rothenbaum einige der besten Sandplatzspieler der Welt aufschlagen, erwarten die meisten den Schweizer Superstar und den besten deutschen Profi am Sonntag im Endspiel, und welche Sogwirkung diese beiden entfalten können, war am Mittwoch eindrucksvoll zu besichtigen.

Es war ein Tag, der an vergessen geglaubte Zeiten erinnerte. Bereits um zehn Uhr hatten sich Schlangen vor den Kassenhäuschen gebildet, eine Stunde später waren Tickets der Kategorien eins und drei ausverkauft, eine weitere Stunde später mussten wartende Menschen nach Hause geschickt werden, weil alle Eintrittskarten vergriffen waren. Auf der Anlage, die an allen Tagen kostenlos besucht werden kann, drängten sich die Massen, und auf dem Centre-Court saßen 7500 Fans – viele wie seit dem Endspiel 2008 nicht mehr, als rund 8000 Zuschauer Rafael Nadals Sieg gegen Federer bei der letzten Masters-Auflage feierten.

Dass die Veranstalter die mit einer schwarzen Plastikplane abgehängten Oberränge nicht spontan öffneten, um das Fassungsvermögen (maximal 13.000) zu erweitern, hatte einerseits logistische Gründe, da die Arbeiten zur Instandsetzung der Plätze nicht während des laufenden Betriebs durchgeführt werden können. Ob für die kommenden Tage mehr Tickets in den Verkauf gehen, ließ Turnierdirektor Michael Stich offen. „Wir denken darüber nach“, sagte er, „andererseits wollen wir nicht auf 10.000 Plätze erweitern und dann plötzlich wieder in einem zu einem Drittel leeren Stadion sitzen, wenn dann doch nur 7000 Menschen kommen.“ Die Tendenz geht dahin, die Kapazität zum Wochenende zu erweitern, sollte mindestens einer der Topstars das Halbfinale erreichen.

In der Form vom Mittwochnachmittag dürfte das im Fall Haas allerdings Wunschdenken bleiben. Nach einem überlegen herausgespielten 6:1 im ersten Satz verlor der Vorjahresfinalist die spielerische Linie, schenkte seinem in der Weltrangliste an Position 135 notierten Gegner Blaz Kavcic, 26, aus Slowenien viele einfache Punkte und musste hart arbeiten, bis nach 105 Spielminuten der 6:1, 4:6, 6:4-Erfolg feststand. Lediglich mit seinen ansatzlos eingestreuten Stopps wusste der Weltranglistenelfte zu begeistern.

„Am Anfang war Kavcic etwas nervös, dann hat er aber sehr gut gespielt. Ich bin stolz darauf, dass ich am Ende die wichtigen Punkte gemacht habe“, sagte der 35-Jährige, der in seiner Geburtsstadt von den Fans trotz der durchschnittlichen Leistung gefeiert wurde. Steigert sich Haas nicht, dann könnte schon die nächste Hürde Carlos Berlocq an diesem Donnerstag zu hoch sein. Der 30 Jahre alte Argentinier, der in der Weltrangliste auf Position 46 rangiert und in der Vorwoche im schwedischen Bastad seinen ersten Triumph auf der ATP-Tour gefeiert hatte, setzte sich gegen den Slowenen Martin Klizan mit 4:6, 6:1 und 7:6 (8:6) durch und ist auf Sand durchaus in der Lage, dem seltsam emotionslos auftretenden Haas gefährlich zu werden.

Für diesen Auftritt hatte der Wahl-Amerikaner eine ebenso seltsame Erklärung. „Für mich wäre eine Niederlage auch kein Problem gewesen, dann hätte ich nach drei Monaten auf Europatour nach Hause fliegen können“, sagte er. Da war er wieder, der rotzige Tommy von früher, der so gar nichts mit dem gereiften Thomas zu tun hatte, als der er sich im vergangenen Jahr bei seiner Rückkehr nach Hamburg nach sechs Jahren Abstinenz präsentiert hatte. Für ihn wäre ein frühes Aus am Rothenbaum vielleicht kein Beinbruch; für die vielen Fans und das Turnier allerdings schon, und dessen sollte sich ein Lokalmatador bewusst sein.

Wie wohltuend war dagegen Federers Reaktion! Der Weltranglistenfünfte hatte gegen den 53. der Welt, Daniel Brands, nach Startschwierigkeiten zu seinem Spiel gefunden und geradlinig einen 3:6, 6:3, 6:2-Erfolg herausgearbeitet. Dass er dem couragiert angreifenden Bayern damit den 26. Geburtstag verdorben hatte, war dem Grand-Slam-Rekordsieger beinahe unangenehm. „Ich wusste gar nicht, dass Daniel Geburtstag hat. Aber als nach dem Match Michael Stich mit einer Torte auf den Platz kam, war ich mir sicher, dass die nicht für mich ist“, sagte er.

Für seinen Gegner hatte der 31-Jährige noch ein paar aufmunternde Worte übrig. „Er hat sehr stark gespielt und mir das Leben schwer gemacht“, sagte er. Nachdem Brands bewiesen hatte, dass seine starke Leistung bei den French Open in Paris, als er dem späteren Turniersieger Rafael Nadal in der ersten Runde einen Satz abnehmen konnte, keine Eintagsfliege war und der Schritt in die Top 50 der Welt ein realistisches Ziel bleibt, dachte Federer schon an seinen nächsten Gegner, den Tschechen Jan Hajek. „Er wird mich mehr spielen lassen als Daniel“, sagte er. Die Hamburger Tennisfans dürften nichts dagegen haben.