Triathletin Anne Haug will Sonnabend ihre WM-Führung verteidigen und Sonntag Staffelweltmeisterin werden. Sie hat sich in den Alpen vorbereitet

Morzine/Hamburg. An diesem Dienstag wird Anne Haug, 30, ihre Zelte in Morzine abbrechen. Das ist diesmal wörtlich zu nehmen. Am 4. Juni hatte die Triathletin in den französischen Alpen Quartier bezogen, und weil das Örtchen Morzine nur 900 Meter über dem Meeresspiegel liegt, hat sie die Nächte in einem speziellen Höhenzelt verbracht. Das verringerte Sauerstoffangebot setzt zahlreiche positive Anpassungsprozesse des Körpers in Gang, vor allem die Bildung zusätzlicher roter Blutkörperchen, die für den Sauerstofftransport verantwortlich sind. Weltklasse-Triathleten wie sie können dann im Flachland ein paar Tage später, optimal sind vier, länger schneller schwimmen, Rad fahren und bis ins Ziel laufen.

Am Sonnabend (15.45 Uhr; ZDF) startet Anne Haug bei der sechsten von acht Stationen der Weltmeisterschaftsserie in Hamburg. Das liegt sechs Meter über Normalnull. Haug kommt als WM-Führende zum Sprintrennen (750 Meter Schwimmen, 20 Kilometer Rad fahren, 5 Kilometer Laufen) an, in und um die Binnenalster. Hamburg ist das Heimrennen der deutschen Athleten. „Ich habe mir unter einem Heimvorteil nie etwas vorstellen können“, sagt Haug, „dann habe ich in Hamburg erlebt, wie dich die Zuschauer nach vorne schreien, dich am liebsten am Schlafittchen packen und ins Ziel ziehen würden. Da vergisst du deine Schmerzen und gehst an deine Grenzen und, wenn möglich, sogar darüber hinaus.“ Im vergangenen Jahr wurde sie Vierte, diesmal darf es ein Platz auf dem Podium sein. Und was sich Anne Haug vornimmt, schafft sie meistens auch.

Die Karriere der derzeit weltbesten Triathletin ist ein Beispiel dafür, welche Zutaten es für den Erfolg braucht. Talent ist die eine, der Wille, es zur Geltung zu bringen, die weit wichtigere Komponente. Anne Haug, in Bayreuth geboren, war sportlich vielfältig begabt. Ihr Vater, ein Sportlehrer, achtete darauf, dass seine Tochter möglichst breit ausgebildet wurde. Als sie zehn war, wollte ihr Verein ihr Talent im Tennis stärker fördern. Der Vater riet davon ab. Im Badminton wurde sie mit ihrem Team bayerische Vizemeisterin, im Indiaca später Mixed-Weltmeisterin. Indiaca ähnelt dem Volleyball.

Zum Triathlon kam sie vor zehn Jahren. Bei einem Jedermannrennen wurde sie Dritte und fand die Sportart „cool“. Ihr Studienfreund Dan Lorang, mittlerweile U23-Bundestrainer, ermunterte sie, mehr zu machen. Das Problem war das Schwimmen. „Mit 20 konnte ich gerade mal 50 Meter kraulen.“ Noch heute steigt sie hinter der Konkurrenz aus dem Wasser. „Technik und Wasserlage lernt man in jungen Jahren leichter“, sagt die Diplom-Sportwissenschaftlerin. „Aber ich werde immer besser.“

Vor zwei Jahren fasste Haug nach Abschluss ihres Studiums den Entschluss, im Triathlon anzugreifen. Ihr erstes Ziel waren die Olympischen Spiele 2012 in London. Dafür schloss sie sich im Herbst 2011 der Trainingsgruppe des australischen Coaches Darren Smith an. Smith gilt als jemand, der Triathleten das Schwimmen vermitteln kann, das für viele die Problemdisziplin des Dreikampfes ist. Haug war sich bewusst, dass die Entscheidung ihr Leben verändert. „Das war ein drastischer Schritt. Ich habe mein bisheriges Leben für den Triathlon aufgegeben. Spitzensport duldet keine Kompromisse.“

Sie zog für ein halbes Jahr nach Australien, dort ist im europäischen Winterhalbjahr Sommer, und verzichtete auf Familie, Freunde, Ferien. Im europäischen Sommer bereitete sie sich in der Höhenluft des Schweizer Kurorts Davos (1560 Meter) vor. „Ich konnte das erste Mal in einer Gruppe mit anderen Spitzenathleten trainieren. Das erhöhte die Qualität meines Trainings enorm. Zum Team gehören zudem ein Physiotherapeut und ein Masseur. Das wiederum hilft mir bei der Regeneration. Ich war zuletzt nicht mehr verletzt.“ Am Anfang mussten ihre Eltern sie bei ihrem Projekt unterstützen, inzwischen kann sie es selbst finanzieren. Erfolg zahlt sich eben aus.

„Mein Plan ist perfekt aufgegangen. Von null auf hundert in einem Jahr. Ich hatte nicht erwartet, dass es so schnell geht“, sagt sie im Rückblick. Haug qualifizierte sich für London, wurde bei Olympia als beste Deutsche Elfte, die WM-Serie 2012 beendete sie als Vizeweltmeisterin. Das letzte Rennen am 20. Oktober im neuseeländischen Auckland gewann sie. Das war keiner deutschen Triathletin zuvor gelungen. Im April wiederholte sie diesen Triumph.

Jetzt will sie Weltmeisterin werden, „doch Zweiter, Dritter oder Vierter wäre auch in Ordnung“. Anne Haug setzt sich nicht unter Druck. In Hamburg freut sie sich zudem auf die Mixed-Staffel-WM am Sonntag (15 Uhr; ARD). „Das wird ein riesiger Spaß.“ Ihr großes Ziel bleibt jedoch Olympia 2016 in Rio de Janeiro. Bis dahin will sie weiter Höhenluft atmen. Am kommenden Montag kehrt sie für weitere zwei Monate nach Morzine zurück.