Ein Kommentar von Rainer Grünberg

Als der ein bisschen geständige Dopingsünder Jan Ullrich einst behauptete, er habe niemanden betrogen, mag das für die Generation des US-Amerikaners Lance Armstrong gegolten haben. Welchen nachhaltigen Kollateralschaden Ullrich im deutschen Radsport angerichtet hat, zeigt sich erst jetzt. Die fünf Etappensiege der Marcel Kittels, André Greipels und Tony Martins bei der ehemaligen Apotheken-Rundfahrt Tour de France werden hierzulande erfreut registriert, bejubeln will sie niemand. Und das aus verständlichem Grund. So gern man die Botschaft der heutigen Spitzenfahrer, nicht zu dopen, auch hört, so recht glauben mag man sie noch nicht. Beteuerungen dieser Art haben wir seit Jahrzehnten von Vorzeigeathleten aller Disziplinen vernommen, viele dieser Schwüre sind in den Reagenzgläsern der Labors inzwischen zur Lüge zerronnen. Da bleibt Zurückhaltung erste Chronistenpflicht – auch auf die Gefahr, den Kittels, Greipels und Martins bitter Unrecht zu tun.

Der internationale Radsport hat in den vergangenen Jahren viel im Kampf um seine Reputation getan. In keiner anderen Sportart gibt es derzeit mehr Kontrollen, sehr viele davon allerdings im Wettkampf, wo sich nur noch die Dümmsten erwischen lassen. Es wird vermutlich dennoch Jahre dauern, bis die letzten Zweifel verschwunden sind. Und die Vorstellung des Tour-Führenden Christopher Froome trägt nicht gerade dazu bei, diesen Prozess zu beschleunigen. Wer beim Tritt in die Pedale annähernd auf Wattzahlen wie Armstrong und Ullrich (je 448; Froome 446) kommt, ist nicht über jeden Verdacht erhaben.