Tennis-Altstar Mats Wilander, 48, über das Legendenmatch gegen Michael Stich am Rothenbaum, seine Vorliebe für Camping und die Stars von heute

Hamburg. Mats Wilander ist zwar seit 17 Jahren Tennis-Rentner, dennoch ist der 48-Jährige ein viel gefragter Mann. Der Schwede, der in seiner Karriere sieben Grand-Slam-Turniere gewann und von September 1988 bis Januar 1989 die Weltrangliste anführte, ist Tennistrainer und -kommentator, dazu Ehemann und Vater von vier Kindern. Am 14. Juli (19 Uhr) tritt er zur Eröffnung des Turniers am Rothenbaum zum Legendenmatch gegen Turnierdirektor Michael Stich, 44, an.

Hamburger Abendblatt:

Herr Wilander, was reizt Sie daran, für zwei Tage nach Hamburg zu jetten und ein Showmatch zu spielen?

Mats Wilander:

Oh, das ist ganz einfach zu erklären. Tennis ist mein Leben, mein Job, meine Leidenschaft. Als Michael mich fragte, ob ich ihm helfen kann, war das eine große Ehre für mich. Ich habe immer gern mit ihm Doppel gespielt, er ist ein Freund von mir. Und wenn so jemand anfragt, dann ist es klar, dass ich komme. Außerdem habe ich in Hamburg etwas gutzumachen.

Wieso das? Sie haben hier 1984 und 1985 immerhin im Halbfinale gestanden. Sind die Erinnerungen so schlecht?

Wilander:

Sportlich schon, ich habe mich am Rothenbaum immer schwergetan und nie mein bestes Tennis gezeigt. Das will ich jetzt nachholen. Michael, du musst dich warm anziehen, ich werde dir sehr wehtun! Andererseits habe ich in Hamburg eine Menge erlebt. 1981 sind mir bei meiner ersten Teilnahme wichtige Siege gegen Topspieler wie John Fitzgerald oder Mel Purcell gelungen. Viel prägender waren jedoch zwei andere Erfahrungen in dem Jahr. Ich habe nämlich meine einzige Strafe wegen Fluchens erhalten, 1500 Dollar musste ich zahlen, weil ich auf Schwedisch geschimpft hatte. Und ich habe die Reeperbahn kennengelernt. Ich war 17 damals und habe das getan, was schwedische Jugendliche in Hamburg damals eben taten.

1985 war das letzte Jahr, in dem Sie als Profi in Hamburg gespielt haben. Waren Sie danach noch mal hier? Wissen Sie um die Probleme, die Hamburg hat?

Wilander:

Ich war zuletzt 2009 am Rothenbaum, als Trainer des französischen Topspielers Paul-Henri Mathieu. Ich bin über Michaels Kampf um Anerkennung für das Turnier informiert, und ich kann nicht verstehen, dass es an Ansehen verloren hat. Für mich ist es immer noch eins der klassischen Turniere auf der Tour, das wichtigste und bekannteste in Deutschland. Ich liebe die Arena, besonders wenn das Dach geschlossen ist. Für mich ist das Turnier größer, als es der aktuelle Status aussagt. Aber das liegt sicherlich auch daran, dass ich mich hier als Spieler immer so wohl gefühlt habe. Ich habe in einem kleinen Hotel an der Rothenbaumchaussee gewohnt, und meine Eltern sind immer mit dem Auto aus Schweden zum Zuschauen gekommen.

Sie sind dem Tennis verbunden geblieben. Warum fällt es Topathleten schwer, die Karriere hinter sich zu lassen?

Wilander:

Ich kann das nur für mich beantworten. Ich habe den Wettkampf immer geliebt, aber ich habe das Glück gehabt, dass ich nach dem Ende meiner Karriere festgestellt habe, dass die Liebe zum Spiel viel größer ist als die zum Wettkampf. Ich bin in der glücklichen Lage, dass ich den Sport, den ich liebe, auf einer anderen Ebene weiterführen konnte. Das ist die absolute Erfüllung.

Sie haben gemeinsam mit einem Partner, dem früheren Navy-Offizier Cameron Lickle, 2009 die Aktion „Wilander on Wheels“ ins Leben gerufen. 90 Tage im Jahr reisen Sie per Wohnmobil durch die USA und geben Amateurspielern Tennisunterricht. Ist das für Sie ein Ersatz für Ihren früheren Tour-Alltag?

Wilander:

Das mag sein, ich bin wirklich gern auf Reisen. Aber viel wichtiger ist für mich das Gefühl, Menschen etwas geben zu können. Wenn wir auf Tour sind, spüre ich jeden Tag eine tiefe Zufriedenheit mit dem, was ich tue.

Sie reisen dahin, wo man Sie hinbestellt?

Wilander:

Exakt. Wir sind nur selten länger als einen Tag am selben Ort. Ein Tag Training mit Cameron und mir sieht so aus: Morgens zweieineinhalbstündige Einheiten, dann gemeinsames Mittagessen, nachmittags noch einmal 90 bis 120 Minuten Training, dann oft noch ein Abschlussdinner, und schon sind wir wieder unterwegs.

Sie schlafen auch in Ihrem Wohnmobil, obwohl Sie sich angesichts von rund 15 Millionen Dollar, die Sie in Ihrer Karriere eingespielt haben, beste Hotels leisten könnten.

Wilander:

Ich habe in meinem Leben schon viel zu viel Zeit in Hotels verbracht. Das Wohnmobil ist perfekt, ich habe schon immer Camping geliebt. Wir sind zu dritt, neben Cameron ist noch ein Fotograf dabei, der unsere Arbeit für die sozialen Netzwerke dokumentiert. Was glauben Sie, was wir für einen Spaß haben! Wenn man auf einem Parkplatz irgendwo in der Natur campt, auf dem Gaskocher Essen aus der Dose aufwärmt und dazu ein Bier trinkt, das ist doch herrlich!

250 Dollar für einen Tag Tennistraining können sich viele doch gar nicht leisten. Was sind das für Menschen, die Sie da unterrichten?

Wilander:

Wir nehmen alle zwischen zwölf und 100 Jahren, die die Grundlagen des Sports beherrschen. Die meisten sind ambitionierte Hobbyspieler, im Schnitt zwischen 30 und 50 Jahre alt, und tatsächlich sind überdurchschnittlich viele Frauen reicher Männer dabei, die tagsüber Zeit und das Geld für so etwas haben. Aber es gibt auch viele, die lange dafür gespart haben, sich den Kurs leisten zu können.

Und was versuchen Sie Ihren Schülern innerhalb eines Tages zu vermitteln?

Wilander:

Unsere wichtigste Botschaft ist: Halte den Ball im Spiel und deinen Gegner immer im Blick. Nutze deine Energie, und überschätze dich nicht. Die Leute wollen immer spielen wie die heutigen Profis. Ich sage dann: Spielt lieber so wie wir damals, das ist das Tempo, das ihr tatsächlich gehen könnt. Die Power der heutigen Profis hat kein normaler Mensch.

Sie sehen als Kommentator für Eurosport viele Spiele live. Vergleichen Sie sich oft mit den aktuellen Spielern?

Wilander:

Das tue ich, und ich bin überzeugt, dass ich gegen einen Roger Federer oder einen Rafael Nadal selbst in meiner Bestform keine Chance hätte, wahrscheinlich würde ich nicht mal ein Spiel gewinnen. Die physische Power, die diese Jungs dank des medizinischen Fortschritts haben, und die technische Entwicklung der Ausrüstung, ist unglaublich. Dennoch glaube ich, dass wir früher mental stärker waren. Je weniger Power du im Schläger hast, desto mehr musst du im Kopf haben.

Welcher Spieler der Top vier von heute wären Sie gern?

Wilander:

Ich hätte gern die Übersicht und das Denkvermögen von Federer, die Leidenschaft von Nadal, die Flexibilität von Novak Djokovic und das Händchen von Andy Murray. Das wäre eine wirklich unbesiegbare Mischung.

Gegen wen der vier würden Sie am liebsten mal spielen?

Wilander:

Gegen Nadal, den besten Sandplatzspieler, den es je gegeben hat. Ich würde gern testen, was ich tun könnte, um auf meinem Lieblingsbelag wenigstens ein Spiel gegen ihn zu gewinnen.

Vermissen Sie es manchmal, nicht mehr in die Tour eingebunden zu sein? Sie waren viele Jahre immerhin als Profitrainer dabei.

Wilander:

Ich vermisse das überhaupt nicht und will auch nicht mehr als Profitrainer arbeiten. Der Job ist – mit Verlaub – sehr langweilig, das einzig Spannende sind die Matches, der Rest der Zeit nervt eher. Deshalb bin ich froh, dass ich verschiedene Dinge im Tennis tun kann. Der Wechsel vom Trainer im Wohnmobil zum Kommentator hält mich auf Trab und sorgt für Abwechslung. Wenn ich noch einmal einen Profispieler trainiere, dann nur meinen Sohn Karl, der 18 Jahre alt ist und derzeit am College Tennis spielt.

Die Lokalmatadoren Tobias Kamke und Julian Reister erhalten für das Rothenbaum-Turnier vom 13. bis 21. Juli jeweils eine Wild Card. Eintrittskarten gibt es unter Tel. 238 80 44 44 und online unter bet-at-home-open.com.