Abendblatt-Reporter Florian Heil versuchte, die Einheiten der HSV-Fußballprofis im Trainingslager möglichst identisch nachzumachen. Sein Fazit fällt durchwachsen aus.

Hamburg. Lesen Sie hier, wie Abendblatt-Reporter Florian Heil seine Versuche beschreibt, eine Woche lang den original Trainingsplan der Fußballprofis des HSV zu befolgen:

Ein nie erlebter Muskelkater

Das Fazit

Hamburg. Es ist vollbracht. Fünf Tage lang habe ich versucht, das Training der HSV-Profis im Trainingslager im österreichischen Zillertal so detailgetreu wie möglich nachzustellen: Läufe am frühen Morgen, Kraftzirkel und Stabilisationsübungen bei einem Physiotherapeuten und natürlich Fußballtraining satt. Zudem habe ich mich strikt an den Ernährungsplan der Fußballer gehalten, der mit meiner bisherigen Kost nicht viel gemein hatte.

Um es gleich auf den Punkt zu bringen: Für einen 37-Jährigen, der sonst zweimal die Woche joggen geht, ist das Programm in der von den HSV-Trainern zusammengestellten Intensität nicht annähernd durchziehbar. Wo der Profi bei Kräftigungsübungen 30 Wiederholungen macht, platzte mir bei 15 fast der Oberschenkel. Zudem habe ich überwiegend mit den Bezirksligafußballern des Niendorfer TSV trainiert, die freundlicherweise darauf verzichtet haben, in mir einen Konkurrenten um einen Stammplatz zu sehen und mich dementsprechend zu drangsalieren. Jeder seriöse Zweikampf gegen einen Bundesligaspieler hätte einen ganz anderen Grad an Belastung ausgelöst, in dessen Folge ernsthafte Verletzungen wohl nicht ausgeblieben wären.

Schon am zweiten Tag des Projekts musste ich mich zurücknehmen, am dritten schoss ein bis dato nie erlebter Muskelkater durch meinen Körper. Auch an Stellen, an denen ich bis dahin keine Muskeln vermutet hatte. Vor allem nach dem Aufstehen fühlte ich mich völlig ausgemergelt. Zwischenzeitlich lief ich wie ferngesteuert, die Kontrolle der Beine oblag nur noch einem Ur-Instinkt. HSV-Arzt Philip Catala-Lehnen hatte mir im Vorwege prognostiziert, dass mein Körper nach drei Tagen spätestens bei einem Spiel über eine Halbzeit „zumachen“ wird.

Er hatte recht. Auch wenn mein Spiel nur im Zuge einer Trainingseinheit stattfand, war ich nur darauf bedacht, den Ball gleich wieder abzuspielen. Bloß keine kraftraubenden Alleingänge, keine Sprints, keine Duelle. Mein Körper war ein Zellhaufen, der deutliche Signale sendete: Ausruhen! Doch die Regeneration beschränkte sich auf das zwölf Grad kalte Entmüdungsbecken und Saunagänge in den späten Abendstunden. Eine Vollmassage am Ende des zweiten Tages war Gold wert.

Der fünfte Tag endete mit einem letzten Lauf und einem abschließenden Kraftzirkel, der den Rumpf stabilisieren sollte. Seit Jürgen Klinsmann als Nationaltrainer das Theraband wiederentdeckt hatte, wird beim Profitraining der meisten Mannschaften viel Wert auf Stabilisation gelegt. Ich durfte bei meiner Abschlusseinheit mit meinem Physiotherapeuten Sebastian Möller-Riepe (möller-riepe.de) jedoch auch mit dicken Seilen einen sogenannten „Rope Circle“ absolvieren, den sich HSV-Konditionstrainer Nikola Vidovic ausgedacht hat. Sieht harmlos aus, bringt einen geschundenen Körper jedoch schnell an die absolute Grenze. Die war für mich nach fünf Tagen eigentlich längst überschritten.

Immerhin habe ich mich während der Zeit des Projekts sportgerecht ernährt. Viel Eiweiß, keine raffinierten Kohlenhydrate wie Getreide, auch keine Nudeln. So gut wie kein Zucker. Stattdessen Obst und Salat, Fisch und Geflügel. Das mag meinem Körper gutgetan haben, meiner Seele dagegen gar nicht. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass viele Profifußballer ihre Karriere lang konsequent nach diesem Plan leben. Wer bei dem derzeitigen Wetter Leute mit einem Becher voller Haselnusseis mit Sahne vorbeischlendern sieht und selbst nur Haselnüsse aus der Tüte essen darf, fragt sich schon, was er falsch gemacht hat.

Natürlich hatte dieses Projekt auch gute Seiten. Selbst ich, der im Gegensatz zu den Profis sein Essen selbst zubereiten und seine Erfahrungen täglich niederschreiben musste, hatte noch reichlich Freizeit zwischen den Einheiten. Mangels profigerechter Bezahlung habe ich diese zwar nicht mit Besuchen von Sportwagenhändlern oder Designerboutiquen verbracht, aber auch der Garten gewinnt in der Nachbetrachtung deutlich gegen das Großraumbüro.

Zudem hat die knappe Woche der Quälerei und Enthaltsamkeit tatsächlich Veränderungen an mir hervorgerufen, wie die Nachuntersuchung im Athletikum des UKE ergab: Der Fettgehalt meines Körpers hatte sich von 23 auf 18,4 Prozent beachtlich reduziert, zudem soll ich rund 200 Gramm pure Muskelmasse zugelegt haben. Ich hab mich vorher allerdings auch mit 23 Prozent Fett am Körper ganz wohl gefühlt und bin inzwischen schon wieder fleißig dabei, das wieder hinzukommen.

Was bleibt nach diesem Selbstversuch? Zuallererst die Einsicht, dass meine Zeit als aktiver Fußballer vorbei ist. Als Leistungssportler sowieso. Dass Schmerzen relativ sind. Und dass sich Profis in der Blüte ihres Lebens solch einem Training ruhig aussetzen sollten – ein Hobbysportler wie ich, im Herbst seiner Leistungsfähigkeit angekommen, am Schreibtisch jedoch besser aufgehoben ist.

Für das durchschnittliche Jahresgehalt eines Fußballprofis würde ich es mir freilich noch mal überlegen.

200 Gramm zusätzliche Muskelmasse

Tag 5, Abschlussuntersuchung im UKE

Das Projekt endet dort, wo es begann: im Athleticum des UKE. Auch wenn ich nur fünf Tage wie ein Profifußballer trainiert und mich streng nach Plan ernährt habe, bin ich doch gespannt, ob sich an den zuvor gemessenen Werten irgendwas geändert hat. Mein Gewicht hat sich nur unwesentlich reduziert: 81,6 Kilogramm im Gegensatz zu 82,2 vor knapp einer Woche. Ich war zwischendurch aber schon mal auf gut 80 Kilo runter. Also wenig aussagekräftig.

Ganz anders dagegen die Messung des Fettgehaltes meines Körpers. Von anfangs 23 Prozent habe ich mich auf 18,4 Prozent verbessert. Die radikale Umstellung der Ernährung hat offensichtlich etwas bewirkt. Zudem soll ich rund 200 Gramm reine Muskelmasse neu aufgebaut haben - immerhin. Mein Lungenvolumen hat sich hingegen nur marginal verändert, was anders wohl auch nicht zu erwarten gewesen wäre in der kurzen Zeit. Trotz dieser kleinen Erfolge bin ich dennoch glücklich, ab heute mein altes Leben leben zu können. Bei einem durchschnittlichen Jahresgehalt eines Profis würde ich es mir freilich noch mal überlegen - doch ich habe mich auch mit 23 Prozent Fett am Körper ganz wohl gefühlt. Und die Mahlzeit, die im Hintergrund köchelt, wird mich vermutlich in ganz schneller Zeit wieder dorthin bringen.

Tag 5, erste Einheit, 10 Uhr

Trainingsplan, Tag 5

Ein letzter 30-minütiger Lauf, der mich auf den krönenden Abschluss vorbereitet: Noch einmal 45 Minuten Kraftzirkel, ausgearbeitet vom HSV-"Quäler" schlechthin, Nikola Vidovic. Rope (zu deutsch: Seil) Circle Training, in Kombination mit Rumpf Kraft und Stabilisation. Mein Physiotherapeut Sebastian Möller-Riepe rief mich vorher ungläubig an, ob ich mir sicher sei, dieses Training mit dem Seil auf 45 Minuten anzusetzen. Er gäbe mir 30 Sekunden pro Übung, nach vier Übungen wäre ich platt. Und: Er hat Recht. Das Seil bauen wir während der anderen Übungen zwar immer mal wieder ein, aber die dicken Taue 45 Minuten in hohem Tempo zu bewegen ist völlig illusorisch. Im Übrigen hatten sich auch andere Freizeitsportler in den letzten Tagen in Möller-Riepes (www.möller-riepe.de) Praxis an Vidovic´ Übungen versucht, in der von ihm vorgegebenen Intensität hat sie niemand absolvieren können. Ich bin also nicht alleine mit meinen Misserfolgen. Am Ende des Projektes kann ich festhalten: Ich habe es überlebt, mich nicht ernsthaft verletzt, jedoch an jeder erdenklichen Stelle des Körpers Muskelkater. Mal gucken, ob sich die Quälerei bei der Nachuntersuchung ausgewirkt hat.

Der Schmerz weicht dem freudigen Ausblick auf das Finale

Tag 4, zweite Einheit, 18.45 Uhr

Sieben gegen Drei, Passübungen, Flanken und Torschüsse. Diese 45 Minuten sind paradiesisch im Gegensatz zu allem, was vorher war. Der Ball ist im Spiel, und auch wenn er mir nicht wie früher gehorcht, macht das richtig Spaß. Obwohl die letzte Fußballeinheit in meinem Programm auf dem Grandacker in Osdorf stattfindet, genieße ich die Übungen. Der Schmerz weicht dem Ausblick, dass mit dem letzten Lauf und einem allerletzten Kraftzirkel am Donnerstag das Projekt ein Ende hat.

Ich könnte seit fünf Jahren Alte Herren spielen, und da gehöre ich auch hin. Bis hierhin habe ich es immerhin ohne kritische Verletzungen durchgestanden und zumindest versucht, bei dem Programm nicht klein beizugeben. Doch ich sehne mich nach einem Tag wie vor dieser Tortur: Mittags ne Currywurst, abends vielleicht nen entspannten Lauf, danach drei schöne Schnitten mit Tartar und als Belohnung zwei Gin Tonic in der Schanze. Oder drei.

Beine sind wie ferngesteuert

Tag 4, erste Einheit, 11.30 Uhr

Trainingsplan, Tag 4

Immerhin bin ich heute ausgeschlafen. Doch das ändert nichts an dem erbärmlichen Zustand, in dem ich mich durch die Gegend schleppe. Der HSV hatte gestern ein zusätzliches Testspiel angesetzt, das ich so nicht nachstellen kann, da mein Team aus Niendorf heute selbst spielt und ich bei einem offiziellen Vorbereitungsspiel nicht einfach mitkicken kann. Doch auf diese Situation hatte mich HSV-Konditionstrainer Nikola Vidovic im Vorwege eingestellt: Ich solle einfach zehn 320-Meter-Läufe absolvieren in jeweils 80 Sekunden, mit kurzer Pause.

Im Anschluss wären noch einige 120-Meter-Läufe angebracht, jeden in 20 Sekunden, dafür mit längeren Pausen. Zusätzlich kurze Sprints mit Richtungswechsel. Also ab auf die Jahnkampfbahn im Stadtpark. Nach dem ersten (!) Lauf über 320 Meter sagen mir meine Beine, dass ich aufhören soll. Drei weitere gelingen mir dennoch. Danach ist Sense. Die kürzeren Sprints nehme ich kaum noch wahr, die Beine sind wie ferngesteuert. Nach 35 Minuten bin ich völlig am Ende. Heute Abend muss ich nochmal 45 Minuten an den Ball, u.a. Flanken und Torschüsse absolvieren. Ich bezweifle, dass ich das ohne Verletzungen überstehe.

Schon zwei Kilo abgenommen

Tag 3, dritte Einheit, 19.30 Uhr

Licht am Ende des Tunnels: Drei Tage geschafft, nur noch zwei vor mir. Mittlerweile habe ich sogar Muskelkater unter den Fußsohlen, da ich die abrupten Bewegungen in Fußballschuhen auf Kunstrasen überhaupt nicht gewohnt bin. Die Jungs aus Niendorf meinen es aber gut mit mir, lassen mir bei der Ballannahme Zeit, so dass ich meine müden Glieder ordnen kann. An Tempofußball ist überhaupt nicht zu denken.

Bewegung an sich geht noch, doch jeder Sprint, jeder Zweikampf ist eine Tortur. Knapp zwei Kilo habe ich mittlerweile abgenommen, fühle mich völlig ausgelaugt. Sauna und kalte Güsse haben mich nur bedingt wiederhergestellt. Vielleicht hilft Weissweinschorle. Morgen ist immerhin Ausschlafen angesagt: Es gibt keinen Morgenlauf und auch kein Krafttraining. Aber dennoch warten wieder zwei Einheiten auf mich, die es in sich haben.

Quälerei im Schanzenpark

Tag 3, zweite Einheit, 12 Uhr

Ab in den Schanzenpark, um das gute Wetter auszunutzen. Doch auch unter freiem Himmel sind die 18 Stabi-Übungen nicht angenehmer. Das, was ich in Teilen schon am ersten Tag absolviert hatte, darf ich in dieser Einheit in Gänze nachstellen. Die HSV-Profis schaffen einen Durchgang in 20 Minuten, das ist mir unmöglich. Die ersten vier Übungen, jeweils so um die 20 Wiederholungen, betreffen beispielsweise alle die Bauchmuskulatur. Die gibt aber schon nach der zweiten Übung nur noch wenig her. 35 Minuten brauche ich am Ende, die 15 Minuten mehr sind den Pausen geschuldet.

Immerhin können wir am Ende sogar eine Schnapsdrossel motivieren, die sich in Jeans und langem T-Shirt neben uns niederlässt und fleißig Sit-Ups macht. Sport verbindet eben. Heute Abend stehen noch 90 Minuten Fußball auf dem Programm, danach Sauna und kalte Güsse. Jetzt gibt‘s Hühnchen - mal wieder. Mit Reis. Süßkartoffeln habe ich einmal probiert - das sollen die Kinder essen. Ich sehne mich nach Pasta.

Ein einziger Zellhaufen

Tag 3, erste Einheit, 7.30 Uhr

Das Aufstehen an Tag 3 fällt schwer. Der gesamte Körper ist ein einziger Zellhaufen, der mir deutliche Signale sendet, mich wieder hinzulegen. Geht aber nicht, Morgenlauf ist angesagt. Und erstaunlicherweise kann ich mir die gröbsten Schmerzen aus den Gliedern laufen. Ich fühle mich jetzt zwar nicht fidel, aber die 30 Minuten Stabi- und Koordinationstraining heute Mittag beim Physio sollte ich irgendwie hinbekommen. Ein dicker blauer und ein noch nicht ganz so dicker roter Fleck zieren meine Oberschenkel. Mir graut vor der Trainingseinheit heute Abend: 30 Minuten Spielformen, danach das erste Spiel elf gegen elf.

Trainingsplan, Tag 3

HSV-Arzt Philip Catala-Lehnen hat mir prognostiziert, dass mein untrainierter Körper spätestens bei einem Spiel über mindestens eine Halbzeit nach der bisherigen Belastung zumachen wird. Wir werden es sehen.

Wenn der Muskelkater zuschlägt

Tag 2, dritte Einheit, 19.30 Uhr

Es dauert etwa 48 Stunden, bis der Muskelkater voll zuschlägt, erklärte mir soeben mein Physiotherapeut, als er mich eine Stunde durchknetet. Dann will ich den übernächsten Tag eigentlich nicht erleben. Schon dieser zweite Tag hinterlässt seine Spuren. Während der 90 Minuten Fußballtraining mit den Jungs von Eintracht Norderstedt II orientieren wir uns an den Übungen, die der HSV am Vortag absolviert hat. Stringent hintereinander, ohne große Pausen. Meine Beine lassen beim Abschlussspiel keine gekonnten Aktionen mehr zu. Die letzten zehn Minuten lasse ich die Kollegen alleine und mache mich an meine acht 80-Prozent-Läufe von der Mittellinie an den Strafraum. Während der letzten vier, die vielleicht noch 60 Prozent der Sprintgeschwindigkeit hergeben, habe ich den Eindruck, dass meine vordere Oberschenkelmuskulatur jederzeit reißen könnte. Thorsten Fink würde mich in dem Tempo nicht dulden. Norderstedts Trainer Mike Yelkenkayali drückt ein Auge zu. Mir graut vor Morgen - um 7.30 Uhr steht der nächste Lauf an.

Als die Arme einfach wegsacken

Tag 2, zweite Einheit, 10.30 Uhr

Um 10 Uhr steht das erste Treffen mit meinem Athletiktrainer Sebastian Möller-Riepe auf dem Programm. 15 Minuten aufwärmen mit Übungen zur Stabilisation der "Körpermitte". Da habe ich offensichtlich wirklich Nachholbedarf - eher instabil, das Ganze. Danach zeigt sich erstmals in diesem Projekt, was es heißt , Profisportler zu sein: Angesetzt ist ein Kraftzirkel für den gesamten Körper. Die HSV-Profis absolvieren diesen in 40 Minuten. Auch ich bin nach 40 Minuten einmal durch - doch aufgrund meines langsameren Tempos und etwas längeren Pausen schaffe ich nur den ersten Durchgang. Um auf das gleiche Programm wie die Profis zu kommen, quält mich Möller-Riepe fast eineinhalb Stunden. HSV-Konditionstrainer Nikola Vidovic hat ihn extra darum gebeten, keine Abstriche zu machen, nur weil ich nicht ganz so in Form bin, der Dreckskerl. Im letzten Satz der letzten Übung gelingen mir noch vier Liegestütze - danach sackten meine Arme einfach weg. Mein T-Shirt ist so nass, als käme ich direkt aus einem Badesee.

Die fußballspezifischen Einheiten des Vormittags lege ich mit in meine Abendeinheit, heute mit den Jungs von Eintracht Norderstedt II, da Niendorf Trainingspause macht. Da warten nochmal 1,5 Stunden intensive Arbeit auf mich.

Enthaltsamkeit geht mir auf den Geist

Tag 2, erste Einheit, 7.30 Uhr

Leichter Muskelkater macht sich am Morgen des zweiten Trainingstages breit, der aber locker von der Müdigkeit geschlagen wird. Schon um 7.30 Uhr steht ein Morgenlauf auf dem Programm. Zwar nur 30 Minuten, aber ich bin normalerweise Abendläufer, um diese Zeit ist Sport normalerweise das Letzte, an das ich denke. Überraschend, wie viele Leute freiwillig im Morgengrauen beim Alsterlauf unterwegs sind. Gegen Ende des Laufs komme ich aber gut in meinen Rhythmus. Das größere Problem stellt jetzt schon die Ernährung dar. Morgens darf ich helles Brot und Brötchen essen und reinhauen wie es mir beliebt. Ich habe so früh aber in der Regel gar keinen Hunger, da ich normalerweise erst zwei, drei Stunden nach dem Aufstehen feste Nahrung zu mir nehme. Abends könnte ich dagegen richtig schlemmen - die Lasagne am Nachbartisch sah gestern Abend richtig gut aus. Mein Salat mit Pute war zwar lecker, aber nicht befriedigend. Diese Enthaltsamkeit geht mir jetzt schon auf den Geist.

Trainingsplan, Tag 2

Erstes Fußballtraining seit acht Jahren

Tag 1, dritte Einheit, 15 Uhr

Mein erster Auftritt bei der Bezirksligamannschaft des Niendorfer TSV. Meine Mitspieler sind im Schnitt 17 Jahre jünger als ich, dementsprechend viel handlungsschneller. Mein letztes Vereinstraining ist zudem etwa acht Jahre her. Eine Viertelstunde stehen Passübungen auf dem Programm mit wechselnden Positionen. Das verlernt man nicht, ein sauberer Flachpass reiht sich an den nächsten.

Die letzte Übung des noch recht entspannten ersten Tages hat es jedoch in sich: Eine taktische Spielform sieben gegen sieben mit drei neutralen Akteuren, die immer zur ballführenden Mannschaft gehören und so für Überzahl sorgen. Das ganze auf sehr engem Raum, fünf mal vier Minuten mit jeweils 90 Sekunden Pause. Ein kurzer Sprint folgt auf den anderen, sehr hohe Intensität mit den ersten Zweikämpfen.

Schon nach den dritten vier Minuten hängt mir die Zunge aus dem Hals. Bei der letzten Einheit wird die Luft knapp, die gesamte rechte Seite ist ein einziger Seitenstich. Für die gut trainierten Bezirksligafußballer eine bessere Aufwärmübung, für mich eine erste Warnung, was mein Körper in den nächsten Tagen zulassen wird und was nicht.

Verfolgen Sie mein Training unter Profibedingungen weiter - am Montag steht der erste richtig brutale Tag auf dem Programm.

Erste Ahnung, was auf mich zukommt

Tag 1, zweite Einheit, 14 Uhr

Auch die zweite Einheit des Tages hat durchaus humane Züge. Zehn Minuten Koordinationstraining im Fitness-Center, anschließend 20 Minuten verschiedene Übungen zur Stabilisation des gesamten Körpers. Kraftübungen kenne ich bis dato nur an Geräten, die maximal ein bis zwei Muskelgruppen beanspruchen. Doch korrekt ausgeführte Stabilisationsübungen unter Aufsicht eines Fitness-Trainers sind eine ganz andere Nummer.

Nikola Vidovic, der Konditionstrainer des HSV, hat mir den Plan mitgegeben, in welchem Umfang er seine Profis quält und mit wie vielen Wiederholungen. Ich versuche, wenigstens diese 20 Minuten auf "Profiniveau" zu trainieren, was in Großteilen gelingt. Aber eine Übung, genannt die "Front Bridge", eine Liegestützposition auf den Ellenbogen, die unter Körperspannung zwei Minuten gehalten werden soll, muss ich zitternd nach 85 Sekunden abbrechen. Es gibt offensichtlich Muskeln in meinem Körper, die zuvor noch nie beansprucht worden sind.

Entspannter Beginn der Trainingswoche

Tag 1, erste Einheit, 9 Uhr

Das ist noch keine Herausforderung. 35 Minuten extensiver Lauf steht für den Morgen auf dem Trainingsplan, erst am Nachmittag muss ich wieder ran. Ich laufe zwar sonst nicht so früh am Morgen, doch diese Einheit verlangt mir noch nichts ab. HSV-Trainer Thorsten Fink hatte auf den müden Auftritt seiner Jungs beim Testspiel gegen Wacker Innsbruck (0:2) reagiert und den ersten Tag des Trainingslagers ein wenig modifiziert: Mehr Regeneration statt Schufterei.

Das kommt mir natürlich entgegen, obwohl ich am Vorabend kein Testspiel zu absolvieren hatte. Stattdessen hatte ich ein paar Intervallläufe und ein wenig Krafttraining für die Beine hinter mich gebracht. Frühstücken, dann Pause, bis am Nachmittag Kräftigungsübungen, Koordination, Passübungen und eine taktische Spielform auf dem Programm stehen.

Die Idee hinter dem Experiment

Einmal Fußball-Profi sein. Welcher Junge hat nicht davon geträumt, sich ausgemalt, wie er kurz vor dem Schlusspfiff das entscheidende Tor schießt und die Massen im Stadion seinen Namen rufen. Der mühsame Weg dahin kam in den Träumen jedoch eher selten vor. So schön das Leben als Fußball-Profi auch sein mag, es ist geprägt von Verzicht und harter körperlicher Arbeit. Erzählen die Profis zumindest. Höchste Zeit, das mal nachzuprüfen.

Mein Name ist Florian Heil, ich bin 37 Jahre alt und Reporter beim Hamburger Abendblatt. Während die Spieler des HSV ihr Trainingslager im österreichischen Zillertal abhalten, werde ich versuchen, das Trainingsprogramm dieser fünf Tage in Hamburg um einen Tag versetzt möglichst detailgetreu nachzustellen. Die Dauerläufe werde ich allein an der Alster abhalten, das Stabilitätstraining und die Regeneration bei Physiotherapeut und Athletiktrainer Sebastian Möller-Riepe (www.möller-riepe.de) im Schanzenviertel. Das Krafttraining findet im Fitness-Studio unter Aufsicht statt und für die fußballspezifischen Einheiten darf ich mich der Bezirksligamannschaft des Niendorfer TSV anschließen, deren Trainer sich bereiterklärt haben, für diese Tage ihren Trainingsplan an den des HSV anzupassen.

Trainingsplan, Tag 1

Nun ist es so, dass mein letztes Vereinstraining knapp zehn Jahre her ist. Im Alter von 18 bis 20 habe ich drei Jahre auf Bezirksliga-Niveau beim SV Grün-Weiss Harburg gekickt, danach noch einige Jahre während des Studiums auf Kreisliga-Ebene. Doch mit 29 war meine Karriere als aktiver Fußballer beendet. Mittlerweile laufe ich noch zweimal die Woche zwischen fünf und zehn Kilometern und mache hin und wieder ein wenig Krafttraining – doch meist verlässt mich nach 30 Minuten an den Geräten jegliche Motivation. Dafür bin ich in der Sauna recht stark. Da schaffe ich ohne Probleme drei Gänge.

Deshalb mache ich mir auch überhaupt keine Illusionen, das Trainingsprogramm der HSV-Profis in deren Intensität exakt kopieren zu können. Sollte ich das hinbekommen, müsste man sich wohl ernsthaft Gedanken machen, ob Thorsten Fink und sein Trainerteam die richtigen Leute sind, um den HSV wieder in die erhofften internationalen Ränge zu bringen. Die Frage ist vielmehr, ob ich die fünf Tage irgendwie durchstehe, zu welchem Zeitpunkt ich das Ausmaß zurückfahre und an welchem Tag mich ein Kran aus dem Bett hieven muss, weil ich es aus eigener Kraft nicht mehr schaffe.

Der Ernährungsplan der Profis

Um meinem Körper zumindest zwischen den Einheiten etwas Gutes zu tun, werde ich mich während der fünf Tage auch an den Ernährungsplan der Profis halten. Hauptsächlich Geflügel und Fisch, wenig Kohlenhydrate. Wenn, dann Süßkartoffeln. Jede zweite Empfehlung hat irgendwie mit Obst zu tun. Dazu sportgerechte Getränke: Neben Säften Produkte von HSV-Partner Body Attack, zudem schwören die Profis auf das Aminosäuren-Getränk Greenforce. Die Wörter Nudeln, Steak, Schokolade und Bier, mein Ernährungsplan der letzten 20 Jahre, tauchen gar nicht auf. Lieblingsessen vieler HSV-Profis: Milchreis mit Mandelmilch. Bisher wusste ich gar nicht, dass es Mandelmilch gibt.

Um mich guten Gewissens in dieses Mammutprogramm zu stürzen, ließ ich mich zuvor durchchecken – was im Übrigen jeder ehrgeizige Sportler tun sollte, der versucht, es mir gleichzutun. Wie ein potenzieller Neuzugang des HSV trat ich dafür im Athleticum des UKE in Eppendorf an und absolvierte den obligatorischen Medizincheck. Meine Lungenfunktion wurde überprüft und ein Belastungs-EKG des Herzens erstellt, währenddessen entnahmen mir die Ärzte mehrfach Blut aus dem Ohrläppchen, um meine Laktatwerte zu bestimmen. Ergebnis: Ich liege bei fast allen Werten innerhalb der Norm, bin weder besonders fit für mein Alter, noch besonders unfit. Allerdings kein Vergleich zu einem Profi. Ein Beispiel: Der Fettgehalt meines Körpers liegt bei etwa 22 Prozent – die Spieler des HSV haben Werte zwischen acht und zwölf Prozent. Da ist also durchaus noch Luft nach oben. Dennoch bekam ich am Ende eine „Unbedenklichkeitserklärung“ von HSV-Arzt Dr. Philip Catalá-Lehnen ausgehändigt, der mir das Okay für dieses Abenteuer gab.