Die Hamburger Profiboxerin Susi Kentikian vor der Revanche gegen die US-Amerikanerin Moreno

Köln. „Rache“, so sagt es der Volksmund, „ist ein Gericht, das am besten kalt serviert wird.“ Und so besteht die wichtigste Aufgabe für Susi Kentikian seit Wochen darin, kühlen Kopf zu bewahren. Denn das, was die 25 Jahre alte Profiboxerin an diesem Sonnabend (22.45 Uhr/Sat.1) in der Dortmunder Westfalenhalle vorhat, ist mit dem Begriff „Revanche nehmen“ auf den Punkt beschrieben. Kentikian trifft auf die US-Amerikanerin Carina Moreno, 31, an die sie im Dezember 2012 nach einem skandalösen 1:2-Punkturteil den WBA-WM-Gürtel im Fliegengewicht verloren hatte.

„Seitdem will ich nichts sehnlicher als diesen Rückkampf“, sagt sie. Es herrscht Konsens im Berufsboxen, dass es nicht förderlich ist, starke Gefühle in den Ring mitzunehmen, weil sie die Konzentration auf das Wesentliche, die kämpferische, taktische Linie verhindern können. Kentikian gibt jedoch zu, dass ein gewisses Maß an Rachelust dabei sein wird, wenn der erste Gong ertönt. „Ich glaube auch, dass das für mich eher förderlich ist. Das erhöht die Aggressivität, und ich weiß, dass ich alles geben muss, was in mir ist, um Carina für alle überzeugend zu besiegen.“

Die 1,52 Meter kleine Hamburgerin hat nicht vergessen, dass die Umstände andere waren vor dem ersten Duell mit Moreno. Sie war gerade vom Magdeburger SES-Team in den Kölner Stall von Ex-Mittelgewichtschampion Felix Sturm gewechselt, sie litt unter dauerhaften grippalen Infekten, und sie fühlte sich grundsätzlich zu wenig wertgeschätzt. Und dennoch hatte die nicht berauschende Leistung eigentlich ausgereicht, um einen Punktsieg über die Zeit zu bringen. Dass Moreno anschließend so tat, als sei ihr Sieg hochverdient gewesen, hat Kentikian nicht vergessen. „Ich will ihr all die Schmerzen, die sie mir körperlich und vor allem seelisch zugefügt hat, zurückzahlen.“

Vielleicht ist es dieser Schuss Aggressivität, der der einstigen Dreifachweltmeisterin hilft, wieder zu der zu werden, die sie war. Natürlich hat sie sich menschlich enorm entwickelt im Vergleich zu ihrer Anfangszeit, als sie als Teenager wie ein Wirbelsturm über ihre Kontrahentinnen hinweggefegt war, gleichzeitig ist ihr Kampfstil ruhiger geworden. „Trotzdem schlage ich im Training manches Mal Kombinationen, die so schnell sind, dass ich mich selbst überrasche. Dann denke ich: Warum machst du das im Kampf nicht?“

Susi Kentikian ist überzeugt davon, dass sie im Ring noch nie all das gezeigt hat, was in ihr steckt. Seit sich im vergangenen Jahr ihr langjähriger Manager Christoph Wesche aus dem Berufsboxen zurückzog, ist die gebürtige Armenierin in der Öffentlichkeit kaum noch präsent. Sie sieht das Positive darin: „Ich kann mich jetzt voll auf das Boxen konzentrieren.“ Promotion in eigener Mission sollen einstweilen nur ihre Kämpfe sein. „Wenn ich wieder Weltmeisterin bin, kommen die anderen Dinge von selbst“, sagt sie, „und wenn ich das abrufe, was ich kann, dann kommt auch der WM-Titel von selbst.“

Sie hat aufgehört, an Fernziele zu denken, weil sie erfahren hat in den vergangenen Monaten, wie schnell Pläne sich in Luft auflösen. Dafür hat sie ihr Umfeld so eingerichtet, dass sie sich zum ersten Mal seit Jahren darin komplett wohlfühlt. „Deshalb sage ich auch nicht, dass ich gewinnen will, sondern gewinnen werde.“ Mit kühlem Kopf, aber heißem Herzen.