Die 24 Jahre alte Hamburger Kitesurferin ist in der Disziplin Freestyle die Nummer eins in Deutschland. Bei der EM muss sie keine Prüfungen vorbereiten, kein Rechnungswesen pauken. Nur fliegen.

Hamburg. Sie lächelt dieses ansteckende Lächeln eines Menschen, mit dem es das Leben einfach gut meint. Sabrina Lutz freut sich, dass sie sich nach bestandener Abschlussprüfung nun inoffiziell Diplom-Mode-Textil-Managerin nennen kann. Aber so viel Freude wie Kitesurfen macht ihr nichts anderes im Leben, und deshalb will sie sich jetzt bis Ende des Jahres darauf konzentrieren. Beim Kitesurfcup auf Sylt, der am Dienstag begann, kann sie ihre neuen Freiheiten erstmals auskosten. Keine Prüfungen vorbereiten, kein Rechnungswesen pauken. Nur fliegen.

Ihr Vater wird wie immer dabei sein. Er war es auch, der sie das erste Mal auf ein Surfbrett gestellt hat, damals war sie kaum drei Jahre alt. Vom Kiteboard hat er sie lange ferngehalten, zu gefährlich. Als sie mit 17 durfte, wollte sie nichts anderes mehr, als ihre 50 Kilogramm in die Luft zu schrauben. Ein halbes Jahr später machte sie vor Sylt ihre ersten Wettkampfsprünge. Fünfte wurde sie unter elf Teilnehmerinnen, „als mit Abstand Jüngste“.

Inzwischen ist sie 24, und es gibt längst jüngere Konkurrentinnen, aber in Deutschland ist in der Disziplin Freestyle keine besser. Beim Auftaktwettbewerb der europäischen Kitesurftour in Frankreich hat sie Ende Mai im Finale sogar ihre niederländische Rivalin Annelous Lammerts besiegt, der sie im vergangenen Jahr noch knapp den Europameistertitel überlassen musste. In diesem Jahr könnte es klappen. Zumal sich auf Sylt, wo die Wogen manchmal unberechenbar hochschlagen und von der Sonne oft nichts zu sehen ist, keine so wohl fühlt wie Sabrina Lutz.

„Die Jungs machen vor, ich mache es nach“

Sylt ist das Kontrastprogramm zu Fortaleza. In der Nähe des brasilianischen Küstenorts hat Lutz im Herbst an neuen Tricks und Sprüngen herumprobiert, „dort gibt es Laborbedingungen“. Einige Kitesurfer aus Norddeutschland waren mit im Trainingslager. An den männlichen Kollegen hat sich Sabrina Lutz orientiert: „Die Jungs machen vor, ich mache es nach.“ Einen Trainer hat sie nicht, „mein Papa unterstützt und berät mich“. Wie in der Kitesurfszene üblich, tauscht man sich auf Videoclips über den Stand der Technik aus.

Zum Beispiel der, beim Sprung die Lenkstange des Drachens hinter dem Rücken von der einen in die andere Hand zu übergeben. Nicht nur diesen Trick haben die Kitesurfer vom Wakeboarden übernommen. Sabrina Lutz ist oft auf dem Wakeboard anzutreffen. „Die Sprünge sind ganz ähnlich“, sagt Lutz. Da trifft es sich gut, dass ihr Freund Wakeboarder ist.

Jung, erfolgreich und sexy

In Lutz’ VW-Bus, der bei den Wettkämpfen ihr Zuhause ist, sei zum Glück genug Platz für beide. Das senkt die Kosten, denn die lassen sich mit Preisgeldern nicht immer einspielen. Sabrina Lutz bezeichnet sich zwar selbst als „Profi“, aber das beschreibt eher ihren sportlichen Anspruch. Richtiges Geld verdient sie dann, wenn sie gelegentlich für eine Cateringfirma arbeitet. Dabei bringt sie vieles mit, was sich vermarkten ließe: Sie ist jung, erfolgreich, und wenn der Boulevard über sie berichtet, darf das Attribut „sexy“ nicht fehlen. Dass ihr Sport niemanden interessiert, lässt sich auch nicht sagen. 2012 wurden beim Kitesurfcup 90.000 Zuschauer gezählt, beim Weltcup in St. Peter-Ording sogar doppelt so viele. Die Disziplin Kiterace war sogar kurz im Programm für Rio 2016, ehe die Funktionäre doch den Windsurfern die olympischen Bühne überließen.

Sabrina Lutz hat dies achselzuckend zur Kenntnis genommen: „Race ist mir ohnehin nicht actionreich genug, da geht es nur um Geschwindigkeit.“ Dass sie auch die zu beherrschen weiß, beweisen ihre drei deutschen Meistertitel in dieser Disziplin.