Die 23 Jahre alte Berlinerin gewinnt 6:2, 1:6 und 6:4 gegen die Weltranglistenerste aus den USA und steht damit im Viertelfinale des traditionellen Rasenturiners in London.

London. Sabine Lisicki fiel vornüber auf den Heiligen Rasen, warf eine Kusshand ins Publikum und heulte einfach drauflos. Auf der Tribüne herzte Bundestrainerin Barbara Rittner Lisickis Mama. Die Zuschauer auf der bedeutendsten Tennisbühne der Welt saßen nach dem sensationellen Schauspiel in drei Akten längst nicht mehr. Die 23 Jahre alte Berlinerin bezwang am Super-Montag von Wimbledon die Weltranglisten-Erste, Titelverteidigerin, fünfmalige Wimbledon-Siegerin und unangefochtene Top-Favoritin Serena Williams mit 6:2, 1:6, 6:4.

„Ich zittere immer noch“, sagte Lisicki in ihrem ersten Interview. Dann erstickten die Tränen der Freude für einen kurzen Moment die Stimme. „Es ist natürlich unglaublich für mich, dieses Match noch gewonnen zu haben. Es ist ein wunderbares Gefühl“, sagte sie. „Ich habe alles gegeben und um jeden Punkt gekämpft.“

Belohnung für die Meisterleistung gegen die zuletzt alles beherrschende Williams ist nun das vierte Wimbledon-Viertelfinale nach 2009, 2011 und 2012. Und in diesem verrückten Jahr scheint noch sehr viel mehr möglich. Lisickis nächste Gegnerin Kaia Kanepi hat zwar in der zweiten Runde die Vorjahres-Halbfinalistin Angelique Kerber besiegt, doch die Berlinerin ist als Nummer 24 der Welt 22 Plätze besser notiert als ihre nächste Gegnerin aus Estland.

Nach einer Demonstration der Stärke gegen die Beste der Welt braucht sich Lisicki vor keiner Kontrahentin mehr zu fürchten. „Darüber denke ich jetzt noch nicht nach“, sagte sie nach ihrem Coup auf dem Centre Court. Es klang fast wie eine Warnung an die Konkurrenz, als sie hinterher schob: „Das Turnier ist noch nicht vorbei.“

Für Williams schon – obwohl die 31-Jährige zuletzt 34 Siege nacheinander feierte, die French Open gewann und seit dem überraschenden Aus von Maria Scharapowa für manche schon als logische Siegerin vorab gekürt wurde. Bis zu diesem denkwürdigen Montagnachmittag, bis zu dem beinahe schon unglaublichen Auftritt der jungen Deutschen.

+++DIE HÖHEPUNKTE DES MATCHES ZUM NACHLESEN+++

Bei jeder Gelegenheit hatte Lisicki in den vergangenen Tagen betont, wie sehr sie die Atmosphäre im All England Lawn Tennis Club liebe und wie gern sie diesen mythenumwobenen Centre Court betrete. So war der Applaus auch ein bisschen lauter und der Empfang ein bisschen herzlicher, als die blonde Berlinerin am Montagnachmittag vor dem ersten Ballwechsel auf ihre Seite des Netzes schritt.

23 Minuten alleine für die ersten vier Spiele

Diesen einzigartigen Tag, an dem nur bei diesem der vier großen Turniere alle Achtelfinal-Partien angesetzt werden, nennen sie in England gerne „Manic Monday“. Normalerweise spielen dann die Herren Federer und Nadal, die Damen Scharapowa und Asarenka. 2013 aber durfte Lisicki im ersten Match des Tages auf die bedeutungsvollste Tennisbühne der Welt – und schuf sich ihren eigenen „Magic Monday“.

Alleine die ersten vier Spiele des ersten Durchgangs dauerten 23 Minuten – da hatte Williams zuletzt schon ganze Sätze für sich entschieden. Lisicki entledigte sich ihres Langarm-Shirts, Williams bändigte ihre anfangs noch etwas flatternde Mähne mit einem Knoten. Spätestens zu diesem Zeitpunkt demonstrierten beide Protagonistinnen in der nicht ganz voll besetzten Tennis-Arena, dass sie sich in diesem Duell nicht einen einzigen Punkt schenken würden.

„Serena ist auch nur ein Mensch“

Als eine krachende Rückhand von Williams im Aus landete, schaffte Lisicki das Break zum 4:2. Immer wieder blickte die jüngere der beiden Williams-Schwestern auf die andere Seite des Platzes und schien sich zu sagen: „Du kleine freche Berliner Göre, was erlaubst du dir da eigentlich?“ Lisicki punktete diesmal nicht nur mit ihren bis zu knapp 200 Stundenkilometern harten Aufschlägen. Sie entnervte die Branchen-Beste auch mit cleveren Schlägen gegen die Laufrichtung. Nach 44 Minuten stieß die 23-Jährige ein lautes „Come on“ aus und nahm Williams zum zweiten Mal den Aufschlag ab zum 6:2.

„Wieso sollte ich Angst haben? Serena ist auch nur ein Mensch“, hatte Lisicki vor der Partie gesagt. Im zweiten Satz schien der Mensch aber kurzzeitig zur Maschine zu mutieren. Nur einen Punkt erlaubte die French-Open-Siegerin ihrer Kontrahentin und entschied nach 27 Minuten Durchgang zwei für sich. Im dritten Satz ging es hin und her, die Fans hielt es nicht mehr auf den Sitzen. Nach 2:02 Stunden nutzte Lisicki ihren zweiten Matchball – und sank ins Gras.