Im Wimbledon-Achtelfinale warten nun Djokovic und Williams

London. Am Sonnabendabend standen sie einträchtig zusammen auf der Rasenterrasse des internationalen TV-Zentrums und genossen den majestätischen Blick aufs grüne Grand-Slam-Imperium von Wimbledon. Und als sie gerade noch für ein Erinnerungsfoto posierten, Tommy Haas und Sabine Lisicki, der alte Meister und das junge Fräulein, da sprach der emotional aufgewühlte Haas auch das Wort zum Sonntag: „Das hier, das ist der Platz, an dem du gut spielen willst.“

Er darf es auch noch ein bisschen länger. Er, der Marathonmann der Tour. Aber eben auch Lisicki, die Verwandlungskünstlerin, die wie Haas von der Magie dieses besonderen Tennisorts angetrieben und inspiriert wird. Wimbledon mag für andere ein Pokalwettbewerb unter vielen sein – für Haas und Lisicki, die beiden letzten deutschen Solisten bei diesen Offenen Englischen Meisterschaften des Jahres 2013, ist es die Sehnsuchtsstation und der Höhepunkt der Saison. „Wimbledon ist meine Tennisliebe. Ich habe hier ein ganz anderes Lebensgefühl“, sagt Lisicki, die am Sonnabend eine fulminante Drittrundenaufholjagd gegen die Australierin Samantha Stosur mit einem 4:6, 6:2, 6:1-Sieg krönte. Auch Haas kam langsam, dann aber gewaltig in Schwung und besiegte den gefährlichen spanischen Rivalen Feliciano Lopez mit 4:6, 6:2, 7:5 und 6:4.

Als Haas und Lisicki am Ende der ersten, höchst turbulenten Turnierwoche ihren Stafettenlauf bei den Fernsehanstalten absolvierten, da fiel ganz unweigerlich der Blick auch auf den berühmtesten aller Tennisplätze, den Centre-Court von Wimbledon. Dort werden sie an diesem Montag nun beide zur denkbar schwersten Herausforderung gebeten, zum Rendezvous mit den Branchenführern. Für Lisicki heißt das Showtime mit Überfrau Serena Williams (USA). Und für Haas Verabredung mit dem Serben Novak Djokovic.

Haas und Lisicki sind beide Schützlinge des US-amerikanischen Kulttrainers Nick Bollettieri. Große Teile ihrer Karriere haben sie in der Drillstätte des ehemaligen Fallschirmjägers in Florida verbracht, Haas, 35, kam als 13-jähriger Steppke, Lisicki nur wenig später in ihren Teenagerjahren. „Jedem, der bei mir anfängt, sage ich eins: Wimbledon ist das Maß aller Dinge im Tennis. Dort musst du bereit sein für große Leistungen“, sagt Bollettieri. Doch während Lisicki sofort von der Faszination des Rasenspektakels angesteckt war, ging Haas lange, verschlungene Umwege – bis auch bei ihm Wimbledon einen festen Platz im Herzen hatte. „Ich hatte früher nicht die Reife, um zu erkennen, was dieses Turnier bedeutet“, sagt Haas, „wie du hier spielst und auftrittst, das definiert dich aber als Tennisprofi.“

Wer ihn in diesen Tagen sieht, mit einem alles verzehrenden Ehrgeiz und einem Willen, der scheinbar jeden Weg eröffnet, der kann kaum glauben, dass Haas in jungen Jahren einmal meinte, Gras sei nichts für Tennisspieler, „sondern für Kühe“. Nun, weit jenseits der Dreißig, wirbelt er mit dem späten Sturm und Drang eines Mannes, der zwar nicht mehr alles Verpasste aufholen kann – der aber die verbleibenden Chancen mit glühender Leidenschaft nutzen möchte. Und immerhin hat er beide bisherigen Spiele auf Rasen gegen Djokovic gewonnen.

Und Lisicki? Die blonde Berlinerin spielt in Wimbledon mit einer Überzeugungskraft und Souveränität, als wären die Krisenmonate im Tourzirkus nie da gewesen. „Manchmal denkst du, sie ist hier vor dem ersten Ballwechsel irgendwie verzaubert worden“, sagt Bundestrainerin Barbara Rittner, „sie zeigt einfach nur blendendes Tennis.“ „Ich weiß“, sagt Lisicki, „dass ich hier immer noch etwas Besonderes schaffen kann. Hier habe ich einfach mehr Kraft, mehr Zutrauen, auch mehr Power.“ Und so ist ihr auch vor Williams nicht bange. „Ich freue mich darauf. Das ist die große Bühne, die ich liebe“, sagt Lisicki. Und vielleicht auch die Bühne der nächsten Grand-Slam-Sensation. Rittner sagt jedenfalls: „Es gibt nur eine Gegnerin, die Serena Williams schlagen kann. Und die heißt Sabine Lisicki.“