Ein Kommentar von Christian-A. Thiel

Vor 100 Jahren hatten französische Journalisten eine pfiffige Idee: eine Radrundfahrt quer durch Frankreich. Seither ist die Tour de France ein Klassiker. Wer sich die Pässe der Alpen und Pyrenäen hinaufquälte, Solofahrten gegen die Uhr bewältigte, Massenspurts des Feldes überstand und nach drei Wochen auf den Champs-Élysées in Paris triumphierte, galt als ganz Großer seines Sports und beeindruckte das Publikum.

100 Jahre Grande Boucle, die große Schleife – erstaunlich, dass die Tour de France ihr Jubiläum von diesem Sonnabend an überhaupt feiern kann. Denn leider hat sich die Frankreich-Rundfahrt zur größten Betrugsshow des Sports entwickelt. Legionen von Spitzenfahrern hielten dank verbotener Zaubertränke, Spritzen und Pillen das Tempo hoch. Immer, wenn ein Held vom Sockel stürzte, wurde dem treuen Publikum suggeriert, der große Rest des Feldes sei sauber. Erst mit der Enttarnung Lance Armstrongs als cleverstem aller Gauner wurde klar: Das ganze System des Profiradsports ist zutiefst verseucht. Niemandem, wirklich niemandem, ist mehr zu trauen. Jungen Radrennfahrern, die ihre Jugend für den Sport opferten, ist klar geworden: Ihre Idole von einst haben ganze Generationen von Sportlern betrogen. Wer nicht dopte, hatte keinen Erfolg. So einfach ist das.

Solange aber Protagonisten wie der fünfmalige Tour-de-France-Sieger Bernard Hinault Doping-Enthüllungen kritisieren („Wir sollten aufhören, Tote ans Tageslicht zu bringen“), wird sich nichts ändern. Dann könnte man die Ergebnisse der Tour auch gleich in der „Apotheken-Umschau“ veröffentlichen. Schade um eine schöne Idee.