Der Ex-Radprofi, der im Februar 2012 bereits gestanden hatte, Kontakt zu Fuentes gehabt zu haben, behauptet aber, keine anderen Dopingmittel als sein eigenes Blut verwendet zu haben.

Köln. Nach unzähligen verklausulierten Andeutungen und halbseidenen Entschuldigungen hat Jan Ullrich erstmals ein Doping-Geständnis abgelegt - und wirft dennoch weiter Fragen auf. Der Tour-de-France-Sieger von 1997 gab in einem Focus-Interview zu, Blutdoping-Behandlungen beim umstrittenen spanischen Sportmediziner Eufemiano Fuentes bekommen zu haben. „Ja, ich habe Fuentes-Behandlungen in Anspruch genommen“, sagte der 39-Jährige. EPO-Doping oder den Gebrauch von Wachstumshormonen streitet er nach wie vor ab.

Der Ex-Radprofi, der nach seiner Verurteilung durch den Internationalen Sportgerichtshof CAS im Februar 2012 bereits eingeräumt hatte, Kontakt zu Fuentes gehabt zu haben, behauptete auf Nachfrage indirekt, keine anderen Dopingmittel als sein eigenes Blut verwendet zu haben. Ullrichs PR-Berater Falk Nier sagte, die Interpretation, dass es sich um ein Blutdoping-Geständnis handle, sei „zulässig“. Die 24 Fuentes-Besuche in Madrid, die aus BKA-Ermittlungen hervorgingen, bestätigte Ullrich im Grundsatz. „Das weiß ich doch heute nicht mehr, wie oft ich bei Fuentes war. Die Zahl könnte aber hinkommen“, sagte er.

Nach Jahren voller vager Aussagen zum Thema Doping befinde sich Ullrich in einem „Reifeprozess und Verarbeitungsprozess“, sagte Nier: „So, wie sich in den letzten eineinhalb Jahren die Geschichte des Radsports entwickelt hat, ist nie Ruhe eingekehrt.“ Auch das sei ein Grund für seinen Klienten, reinen Tisch zu machen. Dass er dies tatsächlich getan hat, bezweifeln nicht nur Dopingexperten. „Selbst jetzt arbeitet er nach meinem Gefühl noch mit rhetorischen Winkelzügen. Dass hilft weder ihm noch dem Radsport weiter“, sagte DOSB-Präsident Thomas Bach. Generaldirektor Michael Vesper sagte, Ullrich solle „endlich aufhören, scheibchenweise vorzugehen, sondern einen Schnitt machen. Es ist doch auch in seinem Interesse, den Schritt so zu gehen wie Lance Armstrong.“

Ullrichs früherer Teamkollege Rolf Aldag ist nicht beeindruckt. „Die Überraschung hält sich in Grenzen. Er hat bestätigt, was lange bewiesen ist“, sagte der heutige Manager des Quick-Step-Teams, der selbst 2007 Doping gestanden hatte. Zu Vorwürfen des EPO-Dopings, wie sie der ehemalige Betreuer Jef d’Hont vor Jahren geäußert hatte, sagte Ullrich nichts. „Ich will mich mit der Vergangenheit nicht mehr beschäftigen“, antwortete er auf eine entsprechende Frage und zitierte aus einem Lied von Xavier Naidoo mit dem Titel „Schau nicht mehr zurück“. Berater Nier versicherte, Ullrich befinde sich in einem „juristischen Labyrinth“, ihm seien „die Hände gebunden“. Dies lässt die Interpretation zu, dass der gebürtige Rostocker bei einer gänzlichen Öffnung wie auch immer geartete Konsequenzen fürchten muss. Seinen Tour-Titel von 1997 oder seine Goldmedaille aus dem olympischen Straßenrennen von Sydney 2000 kann Ullrich jedenfalls nicht mehr verlieren. Sportrechtlich wären etwaige Vergehen verjährt. Nach Niers Meinung ist daran weiter „nicht zu rütteln“.

Anti-Doping-Kämpfer Werner Franke bezeichnete die Aussagen Ullrichs als „neuen Europarekord der Lüge“. Die Behauptung, Ullrich habe ausschließlich Eigenblutdoping betrieben, kommentierte der Heidelberger Molekularbiologe wie folgt: Ullrich habe „germanisches Blut, dazu gehört, geschichtliche Lügen fortzuführen, fortzuführen, weiter, weiter fortzuführen. Jetzt wird sehr zeitnah herauskommen, dass er auch mit verbotenen Substanzen gedopt hat.“

Auch für Fritz Sörgel, Leiter des Instituts für Biomedizinische und Pharmazeutische Forschung in Heroldsberg, gesteht Ullrich scheibchenweise: „Dass er bei Fuentes war, ist nur ein Teil der Geschichte.“

Ullrichs einstiger Rivale Lance Armstrong (USA) hatte Anfang des Jahres in einer Fernsehbeichte jahrelanges Doping gestanden. „Beide sind wir nicht davongekommen und schuldig. Ich bin nicht besser als Armstrong, aber auch nicht schlechter. Die großen Helden von früher sind heute Menschen mit Brüchen, mit denen sie klarkommen müssen“, sagte Ullrich. „Mir war immer klar: Auch Lance Armstrong wird nicht davonkommen, selbst wenn er vermutlich jahrelang von der einen oder anderen Institution und dem Weltverband geschützt wurde.“

Trotz seines Geständnisses hält Ullrich an seiner These fest, dass er zwar unerlaubte Methoden praktiziert, aber nicht betrogen hat. „Fast jeder hat damals leistungssteigernde Substanzen genommen. Ich habe nichts genommen, was die anderen nicht auch genommen haben“, sagte Ullrich: „Betrug fängt für mich dann an, wenn ich mir einen Vorteil verschaffe. Dem war nicht so. Ich wollte für Chancengleichheit sorgen.“ Er habe lange gebraucht, um alles zu verarbeiten. Die „Hetzjagd“, an der er „auch selbst“ Schuld gewesen sei, habe ihn sehr mitgenommen. In der Phase seiner psychischen Probleme war er daher neun Wochen lang in einer Züricher Klinik zur psychologischen Behandlung. „Es war genau vor drei Jahren, als der Knoten in meinem Kopf sich wieder löste. Seitdem fühle ich mich wie neu geboren.“ Ullrich war im Februar 2012 vom CAS schuldig gesprochen worden, gegen die Anti-Doping-Regeln verstoßen zu haben. Wegen der Verwicklung in die Fuentes-Affäre wurde er zu einer zweijährigen Sperre rückwirkend zum 22. August 2011 verurteilt. Sämtliche Resultate seit dem 1. Mai 2005 wurden ihm aberkannt.