Warum HSV-Nachwuchstrainer Richard Golz zu Hertha BSC wechselt

Hamburg. In den nächsten Tagen heißt es für Richard Golz, die Koffer zu packen. Sonntag startet Bundesliga-Aufsteiger Hertha BSC mit der Vorbereitung auf die neue Saison – mit dem 45-Jährigen, der von 2008 bis 2013 als Co-Trainer beim HSV-Nachwuchs gearbeitet hat, als neuem Torwarttrainer.

Hamburger Abendblatt:

Herr Golz, sind Sie enttäuscht, Hamburg wieder mal verlassen zu müssen?

Richard Golz:

Nein, wieso? Meine Sichtweise ist eher so, dass ich nach Berlin gehe. Ich verlasse Hamburg auch nicht ganz. Meine Familie bleibt in den kommenden drei Jahren hier, die Jungs sollen erst die Schule zu Ende machen.

Was hat Sie an Hertha gereizt?

Golz:

Vor dem letzten Spiel der U23 gegen Meppen klingelte das Telefon: Hallo, hier ist Jos Luhukay. Das Gespräch verlief so positiv, dass ich mir sofort vorstellen konnte, mit ihm zu arbeiten. Ich bin froh, dass ich im Nachwuchsbereich meine Erfahrungen sammeln durfte, aber in der Bundesliga spielt nun mal die Musik. Und dass es jetzt in Berlin weitergeht...

...Ihrer Heimatstadt...

Golz:

...kommt noch dazu.

Hat es der HSV verpennt, mit Ihnen rechtzeitig zu verlängern?

Golz:

Es war schon relativ schwierig. Ende des Jahres suchte ich ein Gespräch mit Frank Arnesen, weil ich in irgendeiner Form weiterkommen wollte. Parallel hatte ich ja ein Hochschulstudium zum Sport- und Eventmanager abgeschlossen. Ich habe ihm erzählt, dass ich mir vorstellen könne, nicht nur als Trainer zu arbeiten, sondern auch eine Funktion im Nachwuchsleistungszentrum zu übernehmen.

Wie hat Arnesen reagiert?

Golz:

Er sagte: Toll, das behalte ich im Kopf. Was die Trainer beträfe, könne er sich jetzt noch nicht festlegen. Sie würden schon gerne die besten Leute behalten wollen, aber erst im Frühjahr entscheiden und mit den Leuten sprechen.

Und das Frühjahr zog sich hin.

Golz:

Ich habe danach nie mehr ein Wort mit ihm gewechselt. Aber ich machte mir keine großen Sorgen, weil mein Vertrag nach fünf Jahren in einen unbefristeten Zustand übergegangen wäre. Es konnte nur niemand genau sagen, was ich inhaltlich machen soll. Es hieß nur hinter vorgehaltener Hand: Wir wollen umstrukturieren, vielleicht nicht mehr so viele Trainer bei der zweiten Mannschaft haben.

Sie streben danach, einmal ein Manageramt zu übernehmen. Sind Sie traurig, beim HSV nicht gefragt worden zu sein?

Golz:

Ich bin nicht der Typ, der jedem hinterherrennt, um das Interesse an einem Job zu hinterlegen. Situation und Zeitpunkt müssen passen.

Mehr als zehn HSV-Trainer und Betreuer wussten nicht, wie es mit Ihnen weitergeht. Ist das normal?

Golz:

Ich glaube, Arnesen hat einfach lange nicht gewusst, was er machen soll, vielleicht hatte das auch mit Geld zu tun. Ich denke schon, dass man grundsätzlich den Trainern auch die Chance geben sollte, sich rechtzeitig etwas Neues suchen zu können.

Fühlt man sich ungerecht behandelt?

Golz:

Wie soll ich das formulieren? (überlegt) Es hing einfach ganz viel an Arnesen. Er wollte viele Dinge entscheiden, hat sich aber nicht so richtig darum gekümmert. Lee Congerton, der technische Direktor, sollte sein Statthalter sein im Nachwuchsleistungszentrum. Den habe da ich nicht einmal gesehen. Ich korrigiere mich: Einmal war er bei einer Besprechung dabei. Einmal.

Unglaublich. Er sollte doch das Bindeglied sein.

Golz:

Er wurde uns auch als unser Ansprechpartner angekündigt. Aber in diesem Nadelöhr sind dann einfach die Dinge stecken geblieben.

Es ist ja seit längerer Zeit in Mode, auf den Nachwuchs des HSV einzuprügeln. Wie fällt denn Ihr Urteil aus?

Golz:

Ich war am Wochenende in Berlin, als die B-Junioren von Hertha im Endspiel auf Stuttgart trafen. Als ich dastand, habe ich mir überlegt: Wie viel besser sind diese Teams als unsere U17 beim HSV? Gravierende Unterschiede habe ich nicht gesehen.

An HSV-Junioren in einem Endspiel können wir uns aber nicht erinnern.

Golz:

Mein Lieblingsthema in den vergangenen fünf Jahren war Mentalität. Wir trainieren alles Mögliche, bieten Individualtraining an. Aber das, was am Wichtigsten ist, trainieren wir fast am Wenigsten: den Kopf. Wenn du besser sein willst als die anderen, musst du viel mehr Wert auf Mentalität legen. Da ist noch viel rauszuholen.

Der HSV hatte doch einen Psychologen.

Golz:

Einstellen alleine reicht nicht, man muss ihn auch einbinden und ihm die Chance zur Mitarbeit geben. Sein Vertrag wurde ja jetzt nicht verlängert.

Wie würden Sie das machen?

Golz:

Die Trainer, die auf die jungen Spieler losgelassen werden, müssen in dem Bereich richtig fit sein, nur dann kannst du auch besser sein als die anderen. Unsere Jungs sind fußballerisch nicht schlechter. Aber wenn man sich bei den 15- bis 17-Jährigen umschaut, schüttelst du manchmal den Kopf, und denkst: Wer steht da auf dem Platz?

Nämlich?

Golz:

Die Abteilung der ganz Abgedrehten, die der moderne Fußball eigentlich nicht mehr vertragen kann. Das ist aber kein HSV-typisches Problem. Gerade deshalb wäre es wichtig, die Trainer permanent fortzubilden. Natürlich werden in einem DFB-Lehrgang zur A-Lizenz Inhalte aus der Psychologie oder Pädagogik vermittelt, aber das ähnelt doch eher einem Crashkurs. Die Konsequenz daraus ist dann häufig, dass aus einem guten Fußballer kein richtig guter Mannschaftsspieler wird.

Zahlt der HSV auch den Preis für zu viele Wechsel in der Führung des Nachwuchsbereichs?

Golz:

Natürlich. In einem Jahr kann man nichts bewirken. Jedes Jahr ein neuer Leiter und ein neues Konzept, das kann ja nicht funktionieren.

Da Sie jetzt so viele Konzepte kennen: Gab es eines, das Sie überzeugt hat?

Golz:

Paul Meier kam aus der Trainerausbildung, hat die HSV-Trainer besser gemacht und damit auch die Spieler. Diesen Ansatz finde ich sehr schlau, weil man sich so auch die Trainer für die höheren Mannschaften aufbaut. Du musst alle Beteiligten permanent weiterentwickeln, unterstützen. Die Trainer aus dem Nachwuchs sind auf Dauer sehr viel besser als diejenigen, die gleich in der Bundesliga eingestiegen sind.

Dann könnte man vielleicht auch die häufig anzutreffenden Mentalitätsprobleme bei den Profis eliminieren.

Golz:

Ich habe kürzlich mit Freiburgs Christian Streich gesprochen. Wissen Sie, was er gesagt hat? Das wichtigste Kriterium dort ist soziale Kompetenz, das heißt: Wie verhält sich ein Spieler beispielsweise gegenüber den Kollegen und den Fans.

Hinter den Kulissen laufen Bestrebungen, die Strukturen des HSV zu ändern. Befürworten Sie das?

Golz:

Ich glaube schon, dass man schneller handeln können muss.

Wenn immer erst mal der Aufsichtsrat einberufen wird...

Golz:

... ist das unpraktisch, macht auch keinen Sinn. Die Leute im Vorstand werden für ihre Arbeit bezahlt. Auf der anderen Seite sucht ein ehrenamtlicher Aufsichtsrat, der sein Amt aus Spaß ausübt, einen Sportchef. Unlogisch.

Sorgen Sie sich um die Zukunft?

Golz:

Die Situation ist weiter schwierig. Auch wenn die letzte Serie ja ganz gut über die Bühne ging, heißt das nicht, dass es zwangsläufig besser wird. In der Bundesliga wird jede Schwäche gnadenlos ausgenutzt. Es ist jedes Jahr ein harter Kampf. Auch für den HSV.