Jetzt hat sich auch IOC-Kronprinz Thomas Bach mit seinem Wahlprogramm positioniert. Im Sechskampf um das wichtigste Amt des Weltsports macht sich der Präsidentschaftskandidat für einen olympischen TV-Kanal stark – und für „Evolution statt Revolution“.

Berlin. Als Reformer und Bewahrer will IOC-Kronprinz Thomas Bach die Ringe-Organisation in die Zukunft führen. Pünktlich zum Ende der Bewerbungsfrist der Präsidentschaftskandidaten hat der 59 Jahre alte Anwalt aus Tauberbischofsheim sein 30-seitiges Wahlprogramm unter dem Motto „Einheit in Vielfalt“ an die IOC-Mitglieder verschickt – und dabei vor allem auf konventionelle Themen wie Reform des Olympia-Programms, Beschränkung der hohen Kosten, Veränderung der Olympia-Bewerbungen und Verstärkung des Anti-Doping-Kampfes gesetzt. „Wir brauchen Kontinuität durch Evolution statt Revolution“, schrieb Bach an seine IOC-Kollegen. Die Einzigartigkeit von Olympia müsse geschützt werden. Die angekündigte Einrichtung eines Olympia-Kanals, der die TV-Präsenz kleinerer Sportarten zwischen den Spielen erhöhen soll, ist in seinem Manifest der größte Schritt in die Zukunft.

Bach hielt sich wie seine Rivalen Richard Carrion (Puerto Rico), Ng Ser Miang (Singapur), Denis Oswald (Schweiz), Sergej Bubka (Ukraine) und Wu Chingo-Juo (Taiwan) im Sechskampf um den IOC-Thron mit konkreten Änderungsvorschlägen zurück – trotzdem ging er von allen Kandidaten mit seinem Papier noch am meisten in die Tiefe. Keiner der Anwärter will im Wahlkampf die stimmberechtigten Kollegen mit all zu revolutionären Ideen oder Forderungen abschrecken. Die 125. Vollversammlung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) entscheidet am 10. September in Buenos Aires, wer als neunter IOC-Präsident die Nachfolge von Jacques Rogge antreten wird.

„Der IOC-Präsident leitet dieses Orchester als Dirigent“, erklärte Bach und machte sich bei der überfälligen Modernisierung des olympischen Programms für „ein Gleichgewicht zwischen Tradition und Fortschritt“ stark. Nach der Empfehlung der IOC-Exekutive, Ringen den Olympia-Status abzuerkennen, war Rogges ohnehin wenig effektive Programmpolitik in die Kritik geraten. Das olympische Programm sei wie ein Puzzle. „Man kann nicht einfach Teile rausnehmen und einfach durch andere ersetzen, weil es die Harmonie des Gesamtbildes zerstören könnte“, meinte Bach. „Wir sollten uns bei der Programmgestaltung mehr Flexibilität erlauben. Ein Weg könnte sein, eher an Disziplinen als an Sportarten ranzugehen.“ Es sei denkbar, neue Sportarten bei den Jugendspielen zu testen. Dafür infrage kommen zum Beispiel Karate, Rollschuhsport oder Klettern, die bei der Aufnahme ins olympische Programm bisher gescheitert sind.

Die Struktur des IOC müsse generell gründlich analysiert werden. Dazu gehöre auch die Altersregel, nach der Olympier im Alter von 70 ausscheiden müssen. Auch der Bewerbungsprozess für die Ausrichtung Olympischer Spiele bedürfe einer detaillierten Überarbeitung. Die Verbreitung des Sports sei wichtiger als die Optimierung des Gewinns, sagte Bach in einem Interview der „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (Freitag). „Es ist nicht das einzige Ziel, viel Geld zu erlösen, sondern sie müssen darauf achten, dass die Spiele an möglichst viele Menschen herangebracht werden.“

Die Spiele dürften nicht reduziert werden auf ihren finanziellen Erfolg. „Das ist für mich nur Mittel zum Zweck, kein Selbstzweck“, sagte der Strippenzieher, der im IOC für die Vermarktung der europäischen TV-Rechte verantwortlich ist, sich bei der Vergabe künftiger Spiele aber eine weitere Öffnung verspricht: „Ich finde es prima, wenn Organisatoren aus allen Weltgegenden, hoffentlich auch bald aus Afrika, ihre Vorstellung von Sport, ihre Kultur weltweit präsentieren können.“ Er möchte „ein IOC-Präsident für alle werden“, so Bach in der „FAZ“.

Klar sei, das Premium-Produkt Olympia dürfe nicht gefährdet werden. „Wir müssen sicherstellen, dass die Einzigartigkeit der Olympischen Spiele nicht durch andere Veranstaltungen verwässert wird“, forderte Bach. In der vergangenen Woche hatte Marius Vizer als frisch gekürter Präsident der Vereinigung aller olympischen und nichtolympischen Sportarten (SportAccord) mit einem revolutionären Plan für großes Aufsehen gesorgt. Der Rumäne will von 2017 an im Vier-Jahres-Rhythmus „vereinte Weltmeisterschaften“ für 91 Sportarten veranstalten. Damit würde das Ringe-Spektakel Konkurrenz aus der eigenen Familie bekommen.

Zur besseren Promotion Olympias auch vor und zwischen den Spielen will Bach einen eigens dafür vorgesehenen TV-Kanal schaffen. Eine Vision wäre, „ein digitaler olympischer Fernsehkanal, der das weltweite Sportprogramm bündelt und dann ständig auf Sendung wäre“, sagte er der „FAZ“. Vor vier Jahren war das Nationale Olympische Komitee der USA (USOC) mit einem ähnlichen Plan auf massiven Widerstand des IOC und des amerikanischen Olympia-Senders NBC gestoßen und hatte sein Vorhaben einstellen müssen.