Freude bei 1899 Hoffenheim, Trauer beim 1. FC Kaiserslautern. Die Gisdol-Elf schaffte das, was ihnen keiner mehr zugetraut hatte - den Klassenerhalt in der Bundesliga.

Kaiserslautern. Markus Gisdol sah die Bierdusche als Erster kommen, konnte aber trotzdem nicht mehr ausweichen. Gerade wollte der Hoffenheim-Coach noch den nächsten Nachwuchsspieler loben, da stürmten aus der hinteren Ecke des Medienraums im Fritz-Walter-Stadion wie im Rausch seine feiernden Spieler nach vorne - und tränkten den Macher des „kleinen Fußball-Wunders“ mit dem Inhalt ihrer bestimmt nicht ersten Dosen Gerstensaft. „Ich weiß nicht, was wir heute noch machen, aber es könnte fürchterlich werden“, hatte Gisdol schon vor der feuchtfröhlichen Pressekonferenz, die im Internet blitzschnell die Runde machte, prophezeit.

Nach dem vor wenigen Wochen kaum für möglich gehaltenen Klassenerhalt in der Bundesliga-Relegation gegen den 1. FC Kaiserslautern brachen bei den Kraichgauern alle Dämme. „Das kann man nicht beschreiben“, sagte Stürmer Sven Schipplock nach dem 2:1 (1:0) im Rückspiel auf dem Betzenberg: „Das war eine enorme Last, die seit Wochen auf uns lastet, weil jedes Spiel ein Endspiel war.“

Bereits im ersten Südwest-Derby vor vier Tagen in Sinsheim (3:1) hatte die Gisdol-Elf eindrucksvoll bewiesen, bei weitem kein „normaler“ Abstiegskandidat zu sein - der 43 Jahre alte ehemalige Nachwuchstrainer, der seit dem 2. April im Amt ist, sorgte in nicht einmal acht Wochen für den Umbruch beim einstigen Chaos-Klub, den in einer Saison mit vier Trainern und noch mehr Skandälchen schon viele in die Zweitklassigkeit gesehen hatten. „Wir haben in einer Situation angefangen, in der wir eigentlich schon weg waren“, sagte Profifußball-Leiter Alexander Rosen, der mit Gisdol zusammen in Zuzenhausen angetreten war, um die Geister des Hoffenheimer Aufschwungs von 2008 zu beschwören, als das Team als Aufsteiger zur Herbstmeisterschaft gestürmt war. „Wir sind unfassbar erleichtert. Keiner hat uns etwas zugetraut“, sagte er: „Markus Gisdol war der Schlüssel. Was der Mann mit seinem Team bewegt hat, wie authentisch er ist - das ist einfach nur beeindruckend“. Die Geschichte der TSG sei „um ein erhebliches Kapitel bereichert worden“.

Die beiden Innenverteidiger David Abraham (44.) und Jannik Vestergaard (74.), im Kraichgau „Bestergaard“ genannt, sorgten in Kaiserslautern bei den rund 4600 mitgereisten 1899-Fans für grenzenlosen Jubel. Selbst das Gegentor durch Alexander Baumjohann (65.) und die lautstarke Kulisse der Roten Teufel steckten die Gäste weg. „In der Vergangenheit wären wir nach dem 1:1 eingebrochen“, sagte Mittelfeldspieler Tobias Weis: „Jetzt waren wir da und haben noch einmal eins draufgelegt.“

Schon Minuten vor dem Abpfiff hallten aus dem Hoffenheim-Block euphorische „Markus Gisdol“-Sprechchöre. Am Ende musste der Coach irgendwie hoch auf das Absperrgitter klettern, um die „Humba“ einzuleiten. „Es ist uns gelungen, all das auszublenden, was im Vorfeld auf die Spieler eingestürzt ist“, sagte Gisdol: „Der Schlüssel war aber nicht das heutige Spiel.“

Das Hoffenheimer Glück, rechtzeitig die Notbremse gezogen zu haben, war das Lauterer Pech. Nach der verpassten Chancen zum direkten Wiederaufstieg flossen bei den Spielern und Verantwortlichen bittere Tränen. „Es braucht Zeit, diesen Tag zu verkraften“, sagte FCK-Boss Stefan Kuntz sichtlich angeschlagen: „Wir müssen jetzt aus dieser bitteren Niederlage Lehren ziehen, dass wir nicht daran kaputt-, sondern gestärkt daraus hervorgehen.“ Hoffenheim, „wenn man versucht es nicht durch die rot-weiße Brille zu sehen, war besser“, sagte Kuntz: „Es hätte schon arg viel zusammenkommen müssen gegen den stärksten Relegations-Gegner, der in der Verlosung war“.