Wie der Hamburger Hockey-Bundestrainer Markus Weise mit Rechenaufgaben und Puppenspiel die Kreativität seiner Nationalspieler fördert.

Hamburg. "Basteln", nennt es Markus Weise. Wie in der Kindergruppe. Man hat Papier, Schere, Kleber, und dann macht man. Ideen entwickeln, rumspinnen, ausprobieren. Und improvisieren. Wie gerade wieder. Über Pfingsten hat die Hockey-Nationalmannschaft einen Lehrgang in Mannheim, Vorbereitung auf die neu geschaffene World League einschließlich WM-Qualifikation, die Ende Juni in Malaysia ausgetragen wird. Aber die Nationalspieler von Rot-Weiß Köln sind nicht dabei, weil sie Europacup spielen. Andere sind verletzt oder beruflich verhindert. "Eine Vollkatastrophe" nennt Weise die Vorbereitung, zumal ihm beim Lehrgang über Ostern sogar 17 Spieler fehlten: "Da lastet schon ein hoher Druck auf dem kreativen Potenzial."

Aber irgendwie hat er es immer hinbekommen. Mit den Herren wiederholte er 2012 in London den Olympiasieg von 2008 in Peking. 2004 in Athen gewann er Gold mit den Damen. Irgendetwas muss der 50-Jährige richtig machen. "Ich hasse es ja, wenn jemand sagt, er sei 'unter' Trainer Weise Olympiasieger geworden, "das alles ist eine gemeinsame Arbeit." Der Einfluss der Spieler ist ausdrücklich gewollt. "Sie bringen sich ein, wir behandeln sie als Experten", sagt Weise. Wie beim Basteln der Ecken, zum Beispiel.

Da hat man einen Ball, einen Schusskreis, vier Verteidiger und einen Torwart. Und dann lässt man rumspinnen, ausprobieren und improvisieren. "Die Spieler haben Ideen, die Trainer haben Ideen, und dann schauen wir mal, was geht", beschreibt der Bundestrainer den Prozess, wie eine Variante entsteht. Auf Videos wird studiert, wie der Gegner verteidigt, wo sich eine Lücke ergibt, eine Abspielmöglichkeit. Aus der Idee wird der Spielzug.

Andauernde Wiederholungen sind notwendig für die Präzision der Abläufe. Und im Training lässt Weise kopfrechnen. 17 mal 2? Und Schuss! "Wir üben Tausende Ecken, da brauchen die Spieler Abwechslung." Zudem erhöht "Multitasking" die Handlungsschnelligkeit. Denn ab und an müssen die Spieler spontan umdenken.

Gebastelt werden aber nicht nur Strafecken. "Wir haben Anfang des Jahres eine ,Taktik-Taskforce' gebildet", erzählt der Bundestrainer, "wir werden nämlich zunehmend von den anderen Nationen kopiert." Weise und seine Spieler sehen sich deshalb gezwungen, sich Neues einfallen zu lassen. "Wir können nicht immer beim 4-3-3-System bleiben."

Ideenreichtum fördert die Abwechslung in der Vorbereitung und erhöht die Aufmerksamkeit während eines Turniers. Bei Olympia in London kamen Fingerpuppen zum Einsatz, die die Mutter des Teampsychologen gebastelt hatte. In Kleingruppen spielten die Spieler damit am Finaltag Situationen durch, die im Endspiel auf sie zukommen könnten. "Dadurch hatten sie sich gedanklich schon mit allen Umständen beschäftigt und waren deshalb in der Lage, entsprechend zu handeln", begründet Weise seine Anleihe an lustiges Kinderspiel, "sie sollen durchmachen, was auf sie zukommt." Schon vor dem Halbfinale gegen Australien mussten die Spieler deshalb in vier Gruppen Zeitungsartikel schreiben, in denen sie schildern, was so passieren würde. "Eine Gruppe hatte exakt das Ergebnis und den Spielverlauf vorausgesehen", erinnert sich der Coach.

90:10 etwa, meint Weise, sei in der Trainerausbildung der Anteil zwischen "klassischer" Trainingslehre und kreativer Methodik aufgeteilt. Deswegen erstaunt es ihn immer wieder, wie eintönig meist Standardsituationen im Fußball gespielt werden. "Ronaldo mit seinem Affentheater vor Freistößen - hat der eigentlich schon mal getroffen?"

Wahrscheinlich hat der Star von Real Madrid einfach niemanden, der mit ihm mal bastelt, Ideen entwickelt, rumspinnt und ausprobiert.