Radtalent Rasmus Ramm, Landestrainer Robert Kores und Hamburgs Radpräsident Marc Bator sprechen über ihren Sport, das U19-Team und die Geißel Doping.

Hamburg. Es ist ein frischer Morgen in der HafenCity. Der Hamburger Nachwuchs-Radrennfahrer Rasmus Ramm, 18, und Landestrainer Robert Kores, 27, haben ihren Präsidenten, den scheidenden Tagesschausprecher Marc Bator, 40 (lesen Sie dazu den Bericht auf Seite 28), zum Gespräch mitgebracht, alle gut eingepackt zum Schutz vor den in der Frühe immer noch kühlen Temperaturen. Das Rennrad nehmen sie sicherheitshalber mit ins Café - das Sportgerät ist 2500 Euro wert.

Hamburger Abendblatt: Der Frühling ist da. Wie oft sind Sie jetzt mit dem Fahrrad unterwegs?

Rasmus Ramm: Wenn man das Training auf der Rolle mitzählt, sitze ich fünf- bis sechsmal in der Woche auf dem Rad, 200 bis 400 Kilometer. Im Sommer auch mindestens fünfmal, insgesamt 300 Kilometer.

Robert Kores: Weil ich jetzt Triathlon mache, dafür noch laufe und schwimme, fahre ich "nur" zwei- bis dreimal in der Woche, im Winter 150, im Sommer bis 200 Kilometer. Insgesamt trainiere ich zwölf bis 15 Stunden die Woche.

Marc Bator: Ich fahre drei- bis fünfmal in der Woche, jetzt etwa 200 Kilometer, im Sommer 300.

Herr Bator, Sie führen seit zwei Monaten Hamburgs Radsportverband mit derzeit 2400 Mitgliedern in 31 Vereinen. Wie können Sie junge Menschen begeistern?

Bator: Die Entwicklung ist stabil. Wir wollen feste Strukturen schaffen und diese dann auch kommunizieren, besonders zu den Eltern. Wir wollen Brücken schlagen zu anderen Sportarten, aber auch in die Schulen.

Ramm: Man muss die Leute aufs Rad setzen! Wenn die nach anderthalb Stunden wieder runterkommen, sind sie total fertig, aber auch glücklich.

Kores: Es ist ein Gefühl der Freiheit. Nach dem Training unter der Dusche zu stehen und die Schwere in den Beinen zu spüren, im Bewusstsein, es geschafft zu haben, das finde ich einmalig.

Bator: Wer jung ist und eine Beziehung zu seinem Fahrrad hat, zur Freude am Fahren, zum Spaß an der Geschwindigkeit und der Koordination, das Gefühl, eins zu sein mit seinem Rad, bei dem kommt der Gedanke auf: Mache ich vielleicht Sport? Ein gutes Beispiel bietet die Harburger RG, die südlich der Elbe sehr aktiv ist und gerade ein neues Männer-Team gegründet hat.

Herr Ramm, wie sind Sie zum Radsport gekommen?

Ramm: Durch meinen besten Freund, Leon Rohde. Er ist ein ziemlich erfolgreicher Rennfahrer, war deutscher Meister, wohnte 300 Meter von mir entfernt in Wedel. Von meinen Eltern war ich nicht vorbelastet. Meine Mutter hat Basketball gespielt, mein Vater hat gar nichts gemacht. Ich fand Radsport als Kind schon toll, mit elf Jahren haben mir meine Eltern das erste Rennrad versprochen. Als das mit diesen Dopinggeschichten anfing, ließ mein Interesse nach. Bis mich Leon mal mit zum Training nahm. Ich bin zweimal gefahren - und dabeigeblieben.

Wie kann der Verband helfen?

Bator: Ich glaube, dass der Radsport lebt, auch in den Herzen. Man muss nur die Zugänge verbessern. Das war meine Motivation. Wir denken darüber nach, wie wir ein "Bike Academy"-Programm ins Leben rufen können, mit einem Sponsor, der gezielt hilft, dass Trainer da sind, Material und Strukturen.

Kores: Wir können auf unsere guten Treffpunkte verweisen. Zum Beispiel das Sperrwerk in Rothenburgsort, da kann man wunderbar direkt an der Elbe trainieren. Oder unsere Bahn, die viele gar nicht kennen. Da habe ich mit 14 Jahren Rad fahren gelernt.

Bei der Bahn in Stellingen gab es allerdings Probleme mit der Sanierung ...

Bator: Da sind wir dran. Aber es sieht leider nicht so gut aus, weil der Winter streng war und die Eishockeysaison lange gedauert hat. Wir können nur mit Verspätung in die Saison starten. Unser Wunsch ans Bezirksamt Eimsbüttel ist, dass das jetzt schnell klappt.

Kores: Das wirft uns extrem zurück. Ende April starten wir in die Bundesliga, da wollten wir uns eigentlich auf der Bahn vorbereiten - jetzt müssen wir ausweichen und das Training auf die Straße verlagern. Wir versuchen jetzt so viele Kilometer zu machen wie möglich.

Das neue U19-Bundesliga-Team "LV Hamburg" ist ein Leuchtturmprojekt.

Kores: Diese Bundesliga ist für die 18-Jährigen das Nonplusultra in Deutschland. Wir wollten dieses Team unbedingt, aber ohne eine Eigenbeteiligung der Eltern in Höhe von 1000 Euro für jeden Sportler ging es nicht. Trotzdem haben alle zugesagt! Wir sind Hamburg herzverbunden. Jetzt versuchen wir Sponsoren zu finden, damit wir so viel wie möglich zurückzahlen können.

Bator: Dieses Team ist so etwas wie eine Visitenkarte für unseren Verband. Ein Projekt, bei dem man den Weg von der Schule zum Leistungssport nachvollziehen kann. Wir wünschen uns drei, vier Unternehmen, die der Stadt Hamburg nahestehen und vielleicht eine kleine Summe geben - und dann ist das Team refinanziert. Ich kann garantieren: die Fahrer sind zu 100 Prozent dopingfrei.

Ramm: Ich hätte auch in einen anderen Landesverband gehen können. Ich habe hier zwar deutlich weniger Mittel zur Verfügung, aber ich wollte eben gern für Hamburg fahren. Ein Traum wäre ein Bundesligarennen in Hamburg, vielleicht vor den Cyclassics. Das würde noch mehr junge Leute animieren.

Welche Ziele setzen Sie sich in der Premierensaison dieses Teams?

Kores: 18 Teams starten in dieser Liga. Wir wollen unter die Top zehn.

Bator: Die Bundesliga ist sehr anspruchsvoll. Unsere Gesellschaft erwartet gern Siege und Spitzenplätze. Aber gerade vor dem Hintergrund der Vergangenheit dieser Sportart müssen es sich Fahrer und Teams auch erlauben können, zu verlieren.

Herr Ramm, was sorgte für den Kick, Leistungssportler zu werden?

Ramm: Ich habe zehn Jahre lang Fußball gespielt, Judo betrieben und mehr. Aber ich brauche dieses Gefühl, wirklich etwas geleistet zu haben, sonst bin ich nicht ausgeglichen. Irgendwann wirst du süchtig danach. In meinem ersten Rennen in Kellinghusen kam ich als Neunter von 20 Fahrern an. Das war ein Erfolgserlebnis, das ich beim Fußball nie hatte.

Bei den Cyclassics starten mehr als 20.000 Radfahrer. Ist das ein Potenzial, das Sie abgreifen können?

Bator: Es ist ein Potenzial, gleichzeitig aber auch ein Problem. Der Jedermannsport boomt und man kann einigen Vereinen den kleinen Vorwurf nicht ersparen, dass sie vielleicht nicht genug tun, neue Mitglieder zu gewinnen. Im Jedermannsport entstehen mittlerweile auch Strukturen, die sogar den Lizenzsport bedrohen könnten.

Was meinen Sie mit "Bedrohung"?

Bator: Wir haben nicht nur die Cyclassics, wir haben eine Serie von 15 großen Rennen in einem "German Cycling Cup". Wenn diese Serien immer stärker werden, sinkt die Zahl der Lizenzsportler in den Vereinen. Es sind auch schon einige Rennen gestorben in Norddeutschland. Wir haben zwei deutsche Meisterschaften - die offizielle und die der Jedermänner. Wer ist denn nun deutscher Meister? Da muss der Bundesverband aktiv werden.

Gerade bei den Jedermannrennen gibt es oft gefährliche Situationen ...

Bator: Schnell fahren mit einem Rad für 5000 Euro kann heute jeder. Aber fahren Sie mal sauber um eine Kurve!

Kores: Radfahren ist eben nicht trivial, da muss man vieles lernen. Wenn Sie am Hinterrad fahren und plötzlich einem Gully ausweichen, wird es eng.

Ramm: Gefährlich wird es erst, wenn Fahrer, die es können, mit solchen zusammenkommen, die es nicht können. Bei den Cyclassics gibt es dieses "Safer Cycling", da bin ich unter anderem mit Erik Zabel mitgefahren. Wir haben viele positive Rückmeldungen bekommen.

Ganz ungefährlich sind Ihre Rennen aber auch nicht, wie die Blessuren zeigen ...

Ramm: Wenn es zum Schlusssprint kommt, wird mit harten Bandagen gekämpft. Das hier (zeigt auf eine Wunde am Ellenbogen, d. Red.) ist beim Zieleinlauf passiert, da hat mich einer gegen den Kantstein gedrückt. Zum Glück habe ich mir noch nie etwas gebrochen. Das Risiko kann man nie ausschließen.

Wäre es für Sie eine Perspektive, aus der U19 in die U23 aufzusteigen? Da gibt es mit dem KED Stevens Team auch eine Hamburger Mannschaft.

Ramm: Das mache ich davon abhängig, wie sich die Saison entwickelt. Wenn ich merke, die Flasche ist leer und ich bringe keine Leistung mehr, werde ich vielleicht noch C-Lizenz-Rennen fahren, muss mir aber nicht mehr die U23-Bundesliga antun. Ich fahre jetzt 13.000 Kilometer im Jahr, in der U23 wären es dann schon 20.000. Ich mache mein Abitur und muss sehen, ob es sich lohnt.

Kores: Deswegen wäre es eben schön, wenn wir hier in Hamburg ein Sportinternat anbieten könnten. Rasmus muss in der Schule um die Freistellung für einen Tag kämpfen.

Bator: Wer Vertragssportler werden will, muss alles dafür opfern und kann mit Glück eine duale Ausbildung machen oder ein Fernstudium. Muss man dem Sport alles unterordnen?

Herr Kores, wollten Sie in Ihrer aktiven Zeit auch einmal Profi werden?

Kores: Ja, selbstverständlich. Ich habe aber mit 19 schon aufgehört. Ich bin damals schwer gestürzt, hatte nicht mehr so viel Lust auf das harte Wintertraining, lernte meine erste große Liebe kennen - all das spielte eine Rolle. Aber wenn man den Leistungssport einmal so richtig erlebt hat, verliert man diesen Drang nie. So bin ich zum Triathlon gekommen.

Herr Kores, Sie sind auch Anti-Doping-Beauftragter im Verband. Können Sie garantieren: Wir bieten sauberen Sport?

Kores: Ich kenne die Vereinstrainer und weiß, was im Verband geschieht. Ich kann zu 100 Prozent sagen, dass hier nichts passiert. Dafür stehe ich.

Bator: Ein klares Bekenntnis zu "No Doping" ist mir ganz wichtig. Auch wenn der Bund Deutscher Radfahrer hin und wieder in der Kritik gestanden hat: Der BDR hat ein klares Dopingpräventionsprogramm aufgelegt. Im Spitzensport wird wahrscheinlich nie eine saubere Ausübung zu 100 Prozent möglich sein - und zwar nicht nur im Radsport. Aber was die Nachwuchsklassen in Hamburg angeht, kann ich sagen: Das garantiere ich.

Es ist ja zuletzt eine ganze Generation von Vorbildern weggebrochen.

Ramm: Ich traue niemandem mehr. Bei Leuten wie Jens Voigt möchte ich mir wünschen, dass er nicht gedopt hat, aber ich kann es nicht mehr beschwören. Sicher sind diese Leute Opfer des Systems, gerade wenn bei Rundfahrten mehrmals Berge mit 27 Prozent Steigung angefahren werden - unser Waseberg hat 16 Prozent. Aber letztlich kann jeder Mensch selbst entscheiden. Ein Profi, der dopt, zieht unseren Sport in den Dreck. Ich verachte diese Leute.

Bator: Die vergangenen Jahre zeigen doch: Es lohnt sich eigentlich nicht, am Ende des Tages fliegt alles auf. Will man als 25-Jähriger geächtet sein? Das müssen wir jungen Sportlern mit auf den Weg geben.

Kores: Mein Traum bleibt es, dass wir junge Sportler ausbilden können, die eine vernünftige Schulausbildung haben, die nicht vor der Wahl "Alles oder nichts" stehen und trotzdem Profi werden können.

Haben wir die Talsohle mit dem Sturz von Lance Armstrong überschritten?

Bator: Das haben wir schon zweimal gedacht. Ich bin vorsichtig mit solchen Einschätzungen. Ich hoffe, dass wir den richtigen Kurs eingeschlagen haben.

Wie beurteilen Sie in diesem Zusammenhang die Wiederwahl Rudolf Scharpings zum Präsidenten des BDR?

Bator: Die Wahl war ein demokratischer Vorgang, den man so akzeptieren muss. Rudolf Scharping hat viel bewegt in den bislang zwei Perioden seiner Amtszeit. Er ist, wenn mir diese persönliche Kritik erlaubt ist, eine bessere Kommunikation schuldig geblieben. Es gibt ein Arbeitsprogramm - und er wird sich daran messen lassen müssen, ob es ihm gelingt, dieses Programm mit Leben zu erfüllen.