Formel-1-Weltmeister Vettel hadert in Shanghai mit den Reifen und wird Vierter, Alonso feiert ersten Saisonsieg

Shanghai. Fernando Alonso ist etwas aus der Übung gekommen. Fast neun Monate lang wurde auf keinem Formel-1-Treppchen mehr die spanische Nationalhymne gespielt, die Sieger kamen stattdessen aus Deutschland, Finnland oder England. In China lauschte der Mann aus Oviedo den ersten Tönen daher mit genüsslich geschlossenen Augen, bevor er an die Mütze auf seinem Kopf dachte. Hektisch korrigierte er das Missgeschick und nahm die Sponsorenkappe ab.

Das Champagnerspritzen hat Alonso hingegen nicht verlernt: Mit kindlicher Freude durchnässte er den zweitplatzierten Kimi Räikkönen, auch der Dritte Lewis Hamilton bekam reichlich Sprudel ins Gesicht. Der Mann, der es zuletzt geschafft hatte, dass die deutsche Hymne fast in Endlosschleife gespielt worden war, war da bereits auf den Weg zum Duschen.

Nach 28 Runden hatte Sebastian Vettel einen Funkspruch erhalten wie wohl noch nie in seiner Karriere. "Verschwende keine Zeit, gegen Alonso zu kämpfen", befahl Renningenieur Guillaume Rocquelin: "Es ist aussichtslos."

Anders als in Malaysia hielt sich der dreimalige Weltmeister an die Anweisung vom Kommandostand. Ihm blieb auch gar nichts anderes übrig. Locker zog der Spanier an seinem Red-Bull-Rivalen vorbei und feierte nach mittelmäßigem Saisonstart seine sportliche Wiederauferstehung. "Nach Malaysia standen wir unter Druck, wieder ein Rennen zu beenden", sagte der 31-Jährige. "Ich denke, wir haben noch mehr Potenzial als im vergangenen Jahr."

Bei Red Bull dürfen sie das getrost als Drohung verstehen, denn selbst 2012 hatte es eines maximalen Kraftaktes bedurft, um den Spanier in die Knie zu zwingen. Das Team des Brauseherstellers war nach der magersten Ausbeute der Saison hin und her gerissen. Einerseits hatte Vettel von Startplatz neun aus fünf Ränge gutgemacht. Andererseits war Stallgefährte Mark Webber nach einer bemerkenswerten Verkettung von Missgeschicken ausgeschieden: Das rechte Hinterrad hatte sich nach seinem zweiten Boxenstopp verselbstständigt. Im Training war er ohne Benzin liegen geblieben und auf den letzten Startplatz strafversetzt worden.

Mit Blick auf den Gewinner des internen Machtkampfes sagte Red-Bull-Motorsportdirektor Helmut Marko, dass auch Rang zwei möglich gewesen wäre für Vettel: "Doch dafür hing er zu lange hinter Nico Hülkenberg fest." Der Sauber-Pilot führte sogar einige Runden und sicherte am Ende als Zehnter immerhin einen Zähler. Bei Vettel war die Emotionslage eindeutiger. Das Tempo stimme, sagte er, kritisierte aber die Reifen: "Im Moment hat die Formel 1 nicht viel mit Rennfahren zu tun."

Vor allem die weichen Gummimischungen bauten auf dem heißen Asphalt sehr schnell ab und sorgten für ein unübersichtliches Rennen. Abgesehen von Alonsos Parforceritt sahen die 100.000 Zuschauer kaum direkte Überholmanöver. Der Große Preis von China war ein Wettstreit der Garagencrews. Auf der Strecke lief es nicht problemfrei für den Seriensieger der vergangenen Jahre. "Einige Teams haben besser mit den Reifen haushalten können", sagte Vettel. "Auf uns wartet viel Arbeit."

Das steht auch Mercedes bevor, obwohl die Reifen bei den Schwaben etwas länger hielten. Dennoch war die Stimmung gedämpft. Nach den verheißungsvollen Startplätzen eins für Hamilton und vier für Nico Rosberg lief im Rennen wenig nach Plan.

Zwar behielt Teamchef Ross Brawn recht mit seiner Ankündigung, dass es nach fünf Runden eng werden könnte in der Boxengasse. Fast alle Fahrer tauschten zu diesem frühen Zeitpunkt erstmals ihre Reifen, Hamilton und Rosberg gelang sogar das seltene Kunststück eines Doppelwechsels: Als der Brite vorn wieder herausgerollt war, drängte von hinten Rosberg in die Mechanikertraube. Doch gemessen am Vorjahr, als dem Wiesbadener sein erster Sieg gelungen war, verlief der Grand Prix für Mercedes ernüchternd.

Rosberg wurde in aussichtsreicher Position ausgebremst von einem gebrochenen Stabilisator am Wagenheck - sein zweiter Ausfall in dieser Saison. Hamilton freute sich zwar über den zweiten Podestplatze in Folge. Sein Blick verriet allerdings, dass auch er sich mehr versprochen hatte.

Dafür fehlte dem Silberpfeil das Tempo von Lotus und vor allem Ferrari. Hätte das Rennen eine Runde länger gedauert, hätte Hamilton den Podestplatz wohl noch an Vettel verloren. Gegen Alonso hatte er ohnehin keine Chance.