Die Familie Herz investierte Millionen in die Rennbahn. Doch die Umsätze gehen weiter zurück. Karfreitag beginnt das Frühjahrsmeeting. Dass es die Wende zum Guten bringt, darf bezweifelt werden.

Hamburg . Ein Trost zumindest bleibt den Managern der Trabrennbahn am Volkspark: Noch schlechter kann der Wettumsatz kaum werden. Denn ausgerechnet vor dem Frühjahrs-Meeting mit Veranstaltungen am Karfreitag und Ostermontag ergab sich am vergangenen Donnerstag eine bisher unvorstellbare Minusmarke. Trotz gut besetzter Tribüne verwetteten die Besucher am Bahn-Totalisator in acht Rennen gerade einmal 11.100 Euro. Umgerechnet sind das pro Start weniger als 1.400 Euro. Behalten Skeptiker Recht, die Trabrennen für eine sterbende Sportart halten?

Denn es gab doch andere Zeiten. Ganz andere Zeiten. Noch Mitte der 1980er-Jahre war das damals dreitägige Oster-Meeting am Volkspark ein echter Höhepunkt des Hamburger Sportjahres. Mehr als 10.000 Zuschauer strömten auf die Bahn, das Fernsehen berichtete über Spitzensport im Sulky. Die Wettumsätze waren zehnmal höher als heute. Auch der zweite Stock der Tribüne, der seit Jahren nicht mehr benutzt wird, war in der Regel ausverkauft. Tausende standen an den Rails und sorgten für eine begeisterte Stimmung.

Der engagierte Rennbahn-Chef Jan Kleeberg will die Talfahrt nicht leugnen: "Unser Image ist nicht gut. Traben ist noch nicht wieder in den Köpfen der Hamburger angekommen." Dabei handele es sich bei dem Hippodrom in Bahrenfeld um die "modernste und beste Rennbahn" in Deutschland. "Wir stellen uns dem Wettbewerb im umkämpften Freizeitsektor", meint Kleeberg. "Es gibt keinen besseren Ort, um mit der Familie einen entspannten Nachmittag oder Abend zu verbringen." Tatsächlich bestätigen selbst Kritiker den hervorragenden Zustand der Anlage.

Die Familie des Milliardärs und früheren Kaffeekaufmanns Günter Herz (Tchibo) hat sich den Luxus reichlich kosten lassen. Rund fünf Millionen Euro wurden auf dem Gelände investiert. Umso ernüchternder sind die aktuellen Umsatzzahlen zu werten. "Es ist schlicht und ergreifend deprimierend", heißt es hinter vorgehaltener Hand. Selbst immense Werbeeinsätze - auch HSV-Barde Lotto King Karl wurde für ein Konzert verpflichtet - brachten nicht annähernd die für einen ausgeglichenen Betrieb erforderlichen Zuschauerzahlen und Wettumsätze. Fehlende Fernsehpräsenz und eine umstrittene Terminansetzung tragen zur Talfahrt des Trabens bei. So wurde in den letzten vier Monaten nur an drei Donnerstagen getrabt. Einstmals galt dieser Abend als Jour fixe für Pferdefreunde und Zocker.

Das nach wie vor ungeklärte Problem einer vom Senat grundsätzlich befürworteten Kombi-Rennbahn für Traber und Galopper in Horn trägt zur Verunsicherung bei. Der Pachtvertrag mit der Stadt muss jährlich verlängert werden. Spätestens 2017 soll am Volkspark Schluss mit Traben sein. Bis dahin soll das Areal je nach Bebauung für 100 bis 180 Millionen Euro verkauft werden, auch um den geplanten Elbtunneldeckel zu finanzieren.

Vergleich der Jahresumsätze dramatisch

Umsatzzahlen dokumentieren den Tiefpunkt des Trabrennens. So lag der Bahnumsatz pro Renntag am Volkspark in diesem Jahr im Schnitt lediglich bei 1.603,81 Euro. Außer auf den provinziellen Bahnen in Karlshorst und Straubing wurde auf keiner der acht deutschen Trabrennbahnen weniger verwettet. Der Vergleich der Jahresumsätze fällt noch dramatischer aus. 2012 wurden in Bahrenfeld 3,7 Millionen Euro umgesetzt; rund eine Million am Toto vor Ort, der Rest bei auswärtigen Wettannahmestellen. Zehn Jahre zuvor waren es noch insgesamt 21,3 Millionen Euro, davon 7,2 Millionen direkt auf der Bahn. Mit anderen Worten: Trotz Millionen-Investitionen sanken die Wetten in Hamburg seit 2002 um 85 Prozent.

Dieses finanzielle Desaster geht einher mit einem sportlichen Aderlass: Immer weniger Besitzer leisten sich Rennpferde. Wurden Mitte der 90er-Jahre pro Saison noch 2.700 Traberfohlen geboren, so sind es aktuell 500. Selbst exzellent gezogene Rennpferde finden kaum noch Käufer. Konsequenz: Renommierte Gestüte in Norddeutschland verlieren ihre Existenzgrundlage. Für Besitzer rechnet sich der Sport nicht. Im Siegfall gibt es in einem durchschnittlichen Rennen 750 Euro zu gewinnen. Training, Tierarzt, Startgelder und so weiter sind teurer. Auch Trainern und ihren Angestellten geht es wirtschaftlich schlecht. Die Stimmung an der Basis ist miserabel.

Keine Frage, der traditionsreiche Trabrennsport ist an den Wurzeln erkrankt. Noch nicht einmal Millionen-Investitionen wie in Bahrenfeld mit einer der modernsten Bahnen Europas können den Sturzflug bremsen. Vielleicht auch deshalb hat die milliardenschwere Familie Herz ihr Trabrenn-Imperium zum Jahreswechsel neu organisiert. Die bisher für das Gesamtgeschäft zuständige Dachfirma Win Race verantwortet jetzt nur noch den Wettbetrieb. Als Direktion fungiert neuerdings die Rennsport-Management GmbH RSM.

Neben mehreren anderen Mitarbeitern ging auch der Chef. Dietrich von Mutius, ebenso wie der ideenreiche Jan Kleeberg Pferdefachmann mit Herzblut, schied "im Einvernehmen", wie es offiziell heißt. Geschäftsführer der RSM ist seit Januar Philipe Boff. Der Franzose ist Präsidiumsmitglied des Straßburger Rennvereins und gilt als Rennsportprofi mit weltweitem Netzwerk. In Hamburg arbeitet er an drei Tagen in der Woche. Hinter den Kulissen wird verwundert registriert, dass der neue Boss bisher noch keinen Renntag in Bahrenfeld miterlebte.

"Trotz aller Bemühungen um attraktiven Sport können wir mit den Umsätzen seit Anfang des Jahres nicht zufrieden sein", sagt Philipe Boff. "Durch den harten Winter konnten Aktive ihre Pferde nicht genügend trainieren." Dies habe eine rückläufige Starterzahl sowie sinkende Wettumsätze zur Folge. Hamburg sei keine Ausnahme. Die beiden Oster-Termine, nach dem Grand Prix im Oktober Hauptattraktionen des Jahres, sollen besser als die letzten Renntage verlaufen. Dieser Anspruch ist nicht sehr hoch.