Ein Kommentar von Christian-A. Thiel

Drei Weltmeister-Titel hat Sebastian Vettel bereits gewonnen. Aber anders als sein Vorgänger Michael Schumacher genoss der Rennfahrer aus Heppenheim bislang nicht den Ruf, seine Ziele skrupellos und ohne Rücksicht auf Freund und Feind zu verfolgen. Der jungenhafte 25-Jährige galt als höflicher Gentleman des Kreisverkehrs, der sein schnelles Vorankommen auf der Piste allein seinem Naturtalent verdankt.

Weit gefehlt. Wer sich in der Ego- und Neidgesellschaft Formel 1 durchsetzen will, braucht neben dem Gasfuß auch Ellenbogen. Nur wer immer und um jeden Preis gewinnen will, kann am Ende auch den Weltmeisterpokal in die Höhe stemmen. So gewannen schon Niki Lauda, Ayrton Senna und Schumacher ihre Titel. Wer im Weg steht, wird beiseite geräumt - und wenn es der eigene Teamgefährte ist. Sebastian Vettel hat mit seinem aggressiven Überholmanöver in Malaysia belegt, dass er das Schumacher-Gen in sich trägt. Sein Motto: Wer nachgibt, ist der erste Verlierer.

Die Entschuldigung, die Vettel nach seiner Attacke in Richtung des gedemütigten Mark Webber absonderte, hätte gern etwas weniger zerknirscht ausfallen können. Solche Krokodilstränen nimmt ihm - und auch seinem Team - ohnehin niemand ab. Vettel ist und bleibt der Chef im Bullen-Stall. Am Ende zählt beim millionenschweren Einsatz nur der Erfolg. Außerdem könnte man sagen: Vettel war an diesem Tag in Malaysia der Schnellste. Auch das wäre fair.