Der Formel-1-Champion macht in Melbourne das Beste aus einem insgesamt verpatzten Saisonstart. Räikkönen siegt vor Alonso.

Melbourne. Vielsagend parkte Sebastian Vettel nach dem Großen Preis von Australien falsch ein. Als er in der engen Boxengasse im Albert Park zu Melbourne ankam, stellte er seinen Red-Bull-Boliden direkt hinter den Lotus von Sieger Kimi Räikkönen. Als Dritter hätte er eigentlich auf der rechten Seite halten müssen.

Stattdessen versperrte Vettel dem großen Rivalen Fernando Alonso den Weg, der seinen Ferrari nur mit größter Mühe in die für den Zeitplatzierten vorgesehene Lücke steuern konnte. Auf dem Weg zur Siegerehrung wies Alonso den deutschen Weltmeister auf dessen Fauxpas hin. Das erste Duell der beiden großen Titelfavoriten spielte sich in Australien auf einem Parkplatz ab. Der überlegene Mann auf der Rennstrecke war Kimi Räikkönen.

Der Finne hatte als Einziger der Spitzenpiloten mit seinem Lotus nur zwei Reifenwechsel benötigt. "Das war unser Plan von Anfang an", sagte der von Position sieben gestartete Finne später. "Ich habe einen guten Start erwischt, es hat alles geklappt. Ich konnte die Reifen schonen, es war einer meiner leichtesten Siege."

Weil die übrigen Piloten allesamt drei Boxenbesuche eingeplant hatten, entwickelte sich ein unterhaltsames Rennen mit vielen Führungswechseln - neben dem Siegertrio lagen zwischenzeitlich auch mal Alonso-Stallgefährte Felipe Massa, die Mercedes-Piloten Nico Rosberg und Lewis Hamilton sowie Force-India-Mann Adrian Sutil vorn.

Vor allem Sutil genoss die Führungskilometer; für den Bayern war es ein mehr als gelungenes Comeback nach 15-monatiger Formel-1-Abstinenz. "Sehr stolz" sei er, sagte der 30-Jährige, der letztlich als Siebter vor seinem Stallgefährten Paul di Resta ins Ziel kam: "Das war ein perfekter Start."

Zu einer ähnlichen Erkenntnis gelangten auch die Vettel-Herausforderer im Kampf um den WM-Titel. Wichtiger als die drei Punkte Vorsprung vor dem Seriensieger der vergangenen Jahre war Alonso die Erkenntnis, schon zum Auftakt mit Vettel mithalten zu können.

"Wir sind in dieser Saison mit dem richtigen Fuß aufgestanden", befand der 31-Jährige. "Wir kämpfen von Anfang an mit den Besten. Zusammen mit den Ergebnissen der Wintertestfahrten ist dies ein sehr ermutigendes Zeichen."

Sebastian Vettel, der seit drei Jahren die Formel 1 dominiert, verlor so viele Ränge auf der Strecke wie seit Juli nicht mehr. "Ich bin nicht beunruhigt. Wir müssen eben zugeben, dass manchmal die anderen auch schneller sind", erklärte der Titelverteidiger nach der unerwartet klaren Niederlage. "Ein Trend, den es in Australien gab, der hat meist nicht lange gehalten." Die Verfolger sind zumindest unter Rennbedingungen dem Red Bull näher auf den Heckflügel gerückt. Das Qualifikationstraining, das wegen starker Regenfälle verschoben worden war, hatte das Red-Bull-Duo Vettel und Mark Webber noch dominiert - auf einer schnellen Runde ist das österreichisch-britische Team unverändert am schnellsten.

Doch nach nicht einmal einem Fünftel des Grand Prix begannen die Reifen derart schnell abzubauen, dass in der Red-Bull-Box Hektik ausbrach. Erst kam Webber, wenig später Vettel zum Reifenwechsel. "Wir sind im Rennen ein wenig zu aggressiv mit unseren Reifen umgegangen", sagte Vettel. "Vorn und hinten gingen die Gummis schnell in die Knie, das haben die anderen ein wenig besser hinbekommen."

Räikkönen zum Beispiel. Der Weltmeister von 2007 fuhr trotz seiner alten Gummiwalzen kurz vor Schluss die mit Abstand schnellste Rennrunde. Als er nach der Siegerehrung gefragt wurde, ob er nun zu den Anwärtern auf den WM-Pokal gezählt werden wolle, sagte er nach kurzem Zögern: "Muss man wohl so sagen, wenn man das erste Rennen gewinnt! Aber es war erst der erste von 19 Läufen. Wir müssen versuchen, so wenige Fehler wie möglich zu machen. Dann haben wir eine Chance."

Auch Lewis Hamilton deutete bei seiner ersten Dienstfahrt für Mercedes an, dass er den Rennstall der Spitze zumindest näher gebracht hat und auf Dauer nicht ganz so chancenlos sein wird, wie er es noch vor einem Monat erwartet hat. Als Fünfter holte er das beste Silberpfeil-Ergebnis seit sechs Rennen und sagte im Anschluss: "Es ist viel besser, als wir es erwartet hatten."

Nicht zuletzt wird der 28-Jährige mit einiger Genugtuung registriert haben, dass sein bisheriger Arbeitgeber McLaren derzeit in größeren Schwierigkeiten steckt. "Wichtig ist, dass wir jetzt ein Auto haben, mit dem wir arbeiten können", sagte Hamilton.

Dass sein Teamkollege Rosberg von einem altbekannten Problem mit der Stromzufuhr ausgebremst wurde, trübte hingegen die Laune im Sterne-Lager. "Das ist inakzeptabel", wetterte der neue Teamchef Toto Wolff. "Das müssen wir in den Griff kriegen und sehen, was es ist." Wolff bekannte, nach den hervorragenden Testergebnissen etwas voreilig in Euphorie verfallen zu sein.

Vor allem ein kurzfristiger Strategiewechsel bei Hamilton sorgte für Verwirrung. Von den geplanten zwei Stopps schwenkte der Kommandostand mittendrin doch auf eine Drei-Stopp-Taktik um, weil die Reifen nicht hielten. Niki Lauda, der neue Aufsichtsratschef, bezeichnete diese Entscheidung in seinem Zweitjob als Fernsehexperte als falsch: "Der Boxenstopp von Hamilton war im Vergleich zu den anderen fünf Runden später. Vielleicht hätten wir früher reinkommen können."

Nico Hülkenberg konnte im Sauber gar nicht erst starten. Wegen technischer Probleme mit der Benzinzufuhr verzichtete das Team aus Sicherheitsgründen auf einen Start seines neuen Nummer-eins-Fahrers.