Die Bundesligafrauen des VT Aurubis erklären, wie sie ihre wichtigsten Arbeitsgeräte trainieren, pflegen und vor Verletzungen schützen.

Hamburg. Das Fatale an Unfällen ist, dass man sie nicht kommen sieht - und Sekundenbruchteile manchmal ein ganzes Leben, zumindest aber einen Lebensabschnitt verändern können. Femke Stoltenborg hat das im Herbst des vergangenen Jahres erlebt. Bei einem Abwehrversuch rutschte die niederländische Zuspielerin im Training der Bundesliga-Volleyballerinnen des VT Aurubis so unglücklich gegen den Schuh einer Mitspielerin, dass der kleine Finger der rechten Hand brach. Drei Monate statt der erhofften sechs Wochen dauerte es, bis die 21-Jährige wieder ihrem Beruf nachgehen konnte.

Ihr Fehlen bewirkte, dass die Mannschaft im Training nie untereinander Testspiele bestreiten konnte und dass die zweite Zuspielerin Mareike Hindriksen in den Spielen die Last allein schultern musste. Aurubis startete schlecht, erholte sich davon im Saisonverlauf nur unzureichend. Als Konsequenz daraus wurde die direkte Viertelfinal-Qualifikation verpasst. An diesem Sonnabend (19 Uhr, CU-Arena) muss sich der Club im ersten von maximal drei Spielen der Pre-Play-off-Serie gegen den VfB Suhl behaupten.

Stoltenborgs Geschichte zeigt auch, welch herausragende Rolle die Hände im Volleyball spielen. Auf allen Positionen, besonders aber im Zuspiel, ist Fingerspitzengefühl gefragt. "Die Hände sind neben der Sprungkraft das wichtigste Werkzeug, das eine Volleyballerin hat", sagt Cheftrainer Helmut von Soosten. Grund genug also, sich diesem Werkzeug einmal genauer zu widmen.

Der größten Verletzungsgefahr sind in der Theorie die Blockspielerinnen ausgesetzt. Sie sind diejenigen, die die mit bis zu 100 km/h anfliegenden Kunstlederkugeln direkt am Netz aufhalten sollen. "Besonders der kleine Finger ist anfällig, denn wenn das Timing beim Absprung oder die Handhaltung nicht stimmen, wird er von den Angreiferinnen angeschlagen", sagt Mittelblockerin Imke Wedekind, 28. Für die Außen- und Diagonalangreiferinnen ist der Daumen der Finger, der am meisten Schutz benötigt. Einen Bruch des Daumens fürchten Stellerinnen am meisten, da sie diesen für die Präzision ihrer Zuspiele benötigen.

Um Verletzungen vorzubeugen, ist eine Kräftigung der Unterarm- und Handmuskulatur ebenso vonnöten wie ein gezieltes Einüben der richtigen Handhaltung. "Ich lege Wert darauf, dass schon in den Übungen ohne Ball die Handhaltung korrekt ausgeführt wird, weil es sonst mit Ball auch nicht klappt", sagt von Soosten, 48. Spezieller Muskelaufbau sei dagegen nur in der Rehabilitation nach Verletzungen nötig. "Für Gesunde reicht das tägliche Training aus", sagt Jörn Schimkat, 56, Leitender Physiotherapeut der Mannschaft, "durch die ständigen Wiederholungen haben die Spielerinnen alle eine hohe Grundspannung in den Händen."

Ein ausgefeiltes Stretchingprogramm führen die VTA-Frauen für ihre Hände nicht aus. "Wichtig ist, dass die Hände warm sind. Deshalb dehne ich vor dem Training oder vor Spielen alle Finger einmal durch und puste mir zwischendurch die Hände warm", sagt Stoltenborg. Spezielle Massagen nur für die wichtigsten Arbeitsgeräte gibt es ebenfalls nicht. Der Physiotherapeut wird bevorzugt für das Kneten der Beine, Schultern und des Rückens benötigt. Tapeverbände, um die beanspruchten Hand- oder Fingergelenke zu stützen, sind bei Aurubis im Gegensatz zu anderen Teams ebenfalls nicht beliebt. "Tapes schränken die Beweglichkeit ein", erklärt Spielführerin Wedekind. An den Schmerz bei Ausführung oder Abwehr von Schmetterbällen sind die Spielerinnen ebenso gewöhnt wie an die Folgen dieser Belastungen. "Meine rechte Schlaghand ist stets dicker als meine linke Hand", sagt Wedekind.

Umso mehr Bedeutung hat die Pflege der Hände. Gerade im Winter müsse man sich gegen trockene, rissige Haut wappnen. "Ich creme mir täglich bis zu 20-mal die Hände ein", sagt Außenangreiferin Julia Hero, 20. Ein Tabu sind aufgrund der erhöhten Verletzungsgefahr lange Fingernägel. Dagegen ist das Lackieren bei mancher Spielerin fast schon eine Marotte. Libera Julie Jasova, 25, beispielsweise malt sich die Nägel vor jedem Spiel in den Farben ihres Trikots an. Von Soosten hält gründliche Handpflege für einen wichtigen Beitrag zur Gesunderhaltung der Hände. "Und die ist oberste Pflicht."

In dieser Saison ist die Mannschaft immerhin dieser Pflicht sehr gut nachgekommen. Stoltenborgs Fingerbruch war bislang die einzige Handverletzung, "Bei der immensen Beanspruchung der Hände ist das schon überraschend", sagt Physioenergetiker Schimkat. Beschreien will er es nicht.