1300 Kampfsportler maßen sich am Wochenende in Hamburg bei den German Open. Das internationale Topturnier war für die Organisatoren eine logistische Herausforderung.

Hamburg. Fast ein wenig verloren sitzt sie auf der Tribüne der Sporthalle. Mit ihrer quietschpinken Weste kann man Helena Fromm eigentlich nicht übersehen, trotzdem kann die 25-Jährige ungestört die Taekwondo-Wettkämpfe bei den German Open beobachten. Ein Indikator, welchen Stellenwert der koreanische Kampfsport in Deutschland noch hat. Kein Fanansturm, keine Autogrammjäger, Helena Fromm geht fast ein wenig in der Masse unter. Dabei hat sie bei den Olympischen Spielen in London die Bronzemedaille gewonnen und ist das Aushängeschild ihrer Sportart. Das aber interessiert in Hamburg erst einmal wenig.

Am Tag zuvor hatte sich dafür alles um Helena Fromm gedreht. In ihrem ersten Turnier seit Olympia kämpfte sie einen starken Wettbewerb. Nach monatelanger Verletzungspause kam sie bis ins Finale, das sie mit 3:9 Punkten gegen die Russin Anastasia Baryschnikowa verlor. Mit dem Ergebnis sei sie zufrieden, sagt Fromm. "Natürlich fehlt es noch an Kondition und an Wettkampfhärte." Einen Tag später schaut sie nur noch zu. "Sehr lädiert" sei sie, sagt ihr Trainer Carlos Esteves schmunzelnd. Baryschnikowa sei eine "Maschine" gewesen, doch auch er ist mit der Leistung zufrieden.

Und während Helena Fromm auf der Tribüne regeneriert, platzt die Sporthalle Hamburg fast aus allen Nähten: 1300 Taekwondo-Sportler aus über 50 Nationen sind an diesem Wochenende in der Stadt. "Wie ein Ameisenhaufen", so Fromm, tummeln sich die Athleten in der Halle. "Eine logistische Meisterleistung" nennt es dagegen Michel Mialki, einer der Organisatoren. Dazu kommen an beiden Tagen rund 2000 Zuschauer. Auf elf Kampfflächen liefern sich die Sportler teilweise hitzige Duelle. Taekwondo ist schnell, dynamisch und akrobatisch. Immer wieder attackieren die Sportler ihre Gegner mit eingesprungenen Spin-Kicks. Diese Dreh-Tritte bringen als Kopftreffer mit vier Punkten das Maximum (normale Kopftreffer drei Punkte). Vor Jahren war das noch anders. Durch Regeländerungen haben die Verbände versucht, den Sport spektakulärer zu machen, vor allem für das Fernsehen, denn nur so lässt sich der Olympia-Status des Taekwondo langfristig sichern.

Wie schnell und dramatisch der Sport sein kann, zeigt der Viertelfinalkampf von Levent Tuncat. Der Deutsch-Türke, dreimaliger Europameister, war 2008 in Peking Olympiateilnehmer. Gegen den Russen Shalva Shubitidze führt Tuncat mit 6:1, bis er zwei Sekunden vor dem Ende zwei blitzschnelle Kopftreffer nacheinander kassiert und 6:7 verliert. Auch das ist Taekwondo.

Deutsch hört man in den Gängen der Sporthalle nur selten - die German Open sind ein Topturnier von internationalem Format. Die Teilnehmer kommen aus aller Welt, einer der Kampfrichter sogar von den Cayman Islands.

Das britische Team ist mit zwölf Kämpfern vertreten. Mit dabei sind auch zwei Videoanalysten. Mit insgesamt acht Kameras beobachten die Briten jedes Detail ihrer Athleten. "Das ist wirklich eine Menge Arbeit", sagt Des Blackburn aus Manchester, der das Team seit fast fünf Jahren begleitet.

Die Briten haben in der Sporthalle ihren Platz an der Garderobe gefunden, wenige Meter weiter tummeln sich die Russen, daneben die Türken. Trotz der vielen Kabinen kommt die Halle in die Grenzen ihrer Kapazität. In den Gängen schlafen ausgeschiedene Athleten auf dem Boden, iPad und iPod sind wichtige Hilfsmittel gegen die Langeweile. Im Lager der Franzosen liegt ein riesiges Luftbett, umrahmt von verschwitzten Socken und halb verzehrten Pizzaresten. Ein wenig Chaos, gepaart mit dem Charme einer Nischensportart.

Das US-Team um Headcoach Greg Tubbs ist seit Donnerstag in Hamburg. "Eine wirklich schöne Stadt", sagt Tubbs. Nur der Schnee ist für den Texaner etwas völlig Neues. Mit kalten Utensilien kennt sich dagegen Sina Petzky bestens aus. Mit dem ASB kümmert sie sich um die Verletzten. 140 Kilogramm Eis waren bestellt, bis zum Nachmittag waren 80 Kilogramm ausgeteilt. "Es sind primär Prellungen und Nasenbluten, wir hatten aber auch schon zwei Frakturen", sagt Petzky, die zum sechsten Mal bei den German Open ist - jedes Mal ehrenamtlich.

Am späten Sonntagnachmittag beginnt in der Sporthalle die große Abreisewelle, in deren Zuge auch Helena Fromm noch etwas zu tun bekommt. Einige Jugendliche haben sie erkannt und so darf sie dann doch noch ein paar Autogramme schreiben.