Mit eindeutigen Parolen wie “Sexy Paul, heirate mich!“ feiern insgesamt 4500 Zuschauer beim Darts-Weltcup die Stars der Szene.

Hamburg. Auf den ersten Blick sieht man: nichts. Unmöglich, von den hinteren Sitzreihen zu erkennen, ob in 30 Meter Entfernung der Pfeil ein acht Millimeter breites Feld getroffen hat oder nicht. Aber zum Glück sind neben der Bühne zwei Großbildleinwände aufgebaut. Und zum Glück gibt es Russ Bray. Der Engländer ist die Stimme des Dartssports. Er sagt die Ergebnisse durch - oder besser: Er krächzt sie ins Mikrofon, und wann immer sich seine Reibeisenstimme überschlägt, muss etwas Außergewöhnliches passiert sein.

Es ist das Signal, auf das die 1500 Fans in der Sporthalle Hamburg nur gewartet zu haben scheinen. Sie stehen von den Stühlen auf, viele stellen sich darauf, schwenken singend ihre Bierbecher oder wedeln mit bunten Schildern. Auf den meisten steht schlicht "180", die höchste Punktzahl, die man mit drei Pfeilen erwerfen kann. Es finden sich aber auch Liebeserklärungen ("Sexy Paul, heirate mich!"), Grußadressen ("an alle, die mich kennen") und verschlüsselte Botschaften ("Bei niemandem: 'Wiesel'!").

Köln hat seine Prunksitzung, München das Oktoberfest. Hamburg hat den Betfair World Cup of Darts. Etwa 1500 Zuschauer wurden an jedem der drei Veranstaltungstage des vergangenen Wochenendes gezählt, 200 mehr als bei der Premiere im Vorjahr. Es gab Männer mit bunten Perücken oder Bierkrügen auf dem Kopf und Frauen mit aufgesteckten Hasenohren. Und die Zapfhähne, vier Euro der halbe Liter Bier, standen nur selten still.

Auch Jaqueline Schubert und Dirk Zahlmann haben sich zu diesem Ereignis verkleidet. Beim Fußball machen es sich die beiden aus Finkenwerder schwer: Sie hält zum HSV, er zum FC Bayern. Beim Darts sind sie sich einig: Phil Taylor hat es ihnen angetan. Faszinierend sei es, mit welcher Präzision der 16-malige Weltmeister aus England seine Pfeile ins Ziel befördere.

Schubert, 23, und Zahlmann, 22, können es beurteilen. Beide spielen selbst mehrmals wöchentlich in einer Kneipe Darts. Diese Leidenschaft verbindet sie mit vielen der Zuschauer. Und mit den Stars der Branche, die ihr Handwerk selbst in Pubs gelernt haben. Wohl in kaum einem anderen Sport ist die Schnittmenge zwischen den Profis und den Fans so groß. Zumindest aber die emotionale Nähe zueinander.

Taylor, 52, hat sich vom unteren Rand der Gesellschaft zu einer weltweit verehrten Sportikone hochgespielt. Er sagt: "Ich bin Weltmeister, ich bin reich - ich bin ein glücklicher Mann." Und er macht bei allem Ehrgeiz nie den Eindruck, als würde er sich und das alles wirklich ernst nehmen. Seine Anhänger lieben ihn dafür. Die weiblichen bitten ihn schriftlich um einen Kuss, die Männer grölen seine Erkennungsmelodie: "Walking in a Taylor Wonderland".

Am Freitagabend hatten sich noch HSV- und St.-Pauli-Fans Gesangsduelle geliefert. An diesem Sonntagnachmittag, sagt Organisationschef Sebastian Mayer vom Verband PDC Europe, seien die wahren Dartsfans da. Sie werden von ihrem Liebling nicht enttäuscht. Im Viertelfinale gegen Japan beschließt Taylor sein Einzel gegen Haruki Muramatsu mit einer 167, der Maximalpunktzahl, mit der man ein Leg beenden kann. Und weil er später auch im Doppel die entscheidenden Treffer setzt, bleibt der Hauptdarsteller der Veranstaltung erhalten.

Da tut es der Stimmung keinen Abbruch, dass das deutsche Team mit Jyhan Artut und Andree Welge sein Viertelfinale gegen Finnland später mit 1:2 verliert. Jaqueline Schubert und Dirk Zahlmann jedenfalls wollen zur Finalrunde am Abend wiederkommen. Diese entschieden am Ende die Engländer Adrian Lewis und Darts-Legende Phil Taylor (wer sonst?) gegen Belgien für sich.