Nach zwei Niederlagen ist der Druck immens, doch die Boxerin ist zuversichtlich vor ihrem Kampf gegen Toktaulova: „Fühle mich rumdum wohl“.

Hamburg. Schultern und Hände schmerzen vom harten Training. Einen chronischen Husten, der sie seit Wochen quälte, hat sie gerade erst durch die Einnahme von Kortison in den Griff bekommen. Der Druck, den sie nach zwei Niederlagen in Folge bei ihrem nächsten Comebackversuch an diesem Freitag (22.45 Uhr/Sat.1) im Düsseldorfer ISS Dome aushalten muss, ist immens. Und trotzdem sagt Susi Kentikian: „Ich fühle mich rundum wohl.“

Wer sie sah in der Nacht des 1. Dezember, als sie gerade ebenso überraschend wie ungerechtfertigt durch Mehrheitsentscheid gegen die US-Amerikanerin Carina Moreno verloren hatte, der hätte einen solchen Sinneswandel kaum für möglich gehalten. Die Hamburger Fliegengewichts-Boxerin war mit den Nerven am Ende, sie schäumte vor Wut und dachte damals, „dass jetzt alles kaputt und meine Karriere beendet ist“. Doch die Unterstützung, die sie erfuhr, von ihrem neuen Promoter Felix Sturm und dessen TV-Partner Sat.1, aber auch von ihren Fans und ihrem Team, habe sie schnell neuen Mut schöpfen lassen.

Dabei kam ihr auch die in dunklen Tagen als armenische Asylbewerberin antrainierte Fähigkeit zugute, Schlechtes schnell ausblenden zu können. „In meinem Herzen habe ich weder gegen Moreno noch den Kampf davor gegen Melissa McMorrow verloren. Deshalb zweifle ich auch nicht daran, dass ich wieder auf den Erfolgsweg zurückkehren werde“, sagt sie. Dass sie dazu schon zwei Monate nach dem letzten Kampf die Gelegenheit bekommt, ist ihr nur recht. „Ich mag keine langen Pausen. Ich will schnellstmöglich beweisen, wie stark ich bin.“

Ihre russische Kontrahentin Anastasia Toktaulova, 35, sollte ihr dabei nicht im Weg stehen. Vor gut vier Jahren trafen die beiden schon einmal aufeinander, es war ein enges Gefecht, das Kentikian nach Punkten für sich entschied. Ihre Zielsetzung ist deshalb eindeutig: „Ich will klarer und überzeugender gewinnen als damals, um zu unterstreichen, dass ich mich weiterentwickelt habe.“ Genau diese Weiterentwicklung ist es jedoch, die ihr zuletzt zu schaffen machte. Sie musste sich daran gewöhnen, nicht mehr die aggressive Knockouterin sein zu können, die sie zu Beginn ihrer Profikarriere vor acht Jahren war. „Damals habe ich die Gegnerinnen aus dem Ring geprügelt. Das geht auf dem Niveau, wo ich jetzt bin, nicht mehr. Da ist mehr taktisches Boxen gefragt.“ Dass die Fans dennoch vorzeitige Siege sehen wollen, kann die 25-Jährige verstehen. „Aber ich darf deshalb nicht verkrampfen, sondern muss mich auf das besinnen, was ich kann“, sagt sie.

Ihre Pläne, irgendwann mehrere Weltmeistertitel zu vereinigen, sind nicht vergessen. Der Rückkampf mit Moreno ist nur aufgeschoben, er war schon für diesen Freitag geplant, ehe die US-Amerikanerin wegen einer Knieverletzung absagen musste. „Ich werde mir den Titel wiederholen und dann weiter angreifen“, sagt Susi Kentikian. Doch zunächst einmal geht es für sie nur darum, wieder Kämpfe zu gewinnen. „Ich muss meine Emotionen ausblenden, nicht an Niederlagen oder Schmerzen denken, sondern mich nur auf meinen Kampf konzentrieren. Dann wird alles gut werden“, sagt sie. Hört sich eigentlich ganz einfach an.