Partenkirchener belegt Platz zwei im Slalom bei der Generalprobe in Kitzbühel. Der Trainer sagt: “Wir reden um Medaillen mit.“

Kitzbühel. Sich selbst zu überraschen, das zählt im Leben eines Profisportlers zu den angenehmsten Momenten. Natürlich hatte Felix Neureuther, 28, den Traditionsslalom in Kitzbühel vor drei Jahren schon einmal gewonnen, und diesen Winter ist der deutsche Skirennläufer so konstant flott unterwegs wie nie zuvor. Doch für Kitzbühel 2013, sagt er, sei die Erwartungshaltung sehr gestiegen. "Es war eine echte Generalprobe, auch vom Rummel her. Diesem Druck habe ich standgehalten. Ich bin echt locker geblieben. Das stimmt mich positiv für die WM."

Im letzten Slalomrennen vor dem Saisonhöhepunkt in Schladming, die in der nächsten Woche beginnt (4. bis 17. Februar), wurde Neureuther am Sonntag hinter dem Österreicher Marcel Hirscher und vor dem Kroaten Ivica Kostelic Zweiter. Von seinem Kumpel Hirscher will er künftig noch mehr lernen: "Diese Aggressivität, dieser unbändige Siegeswille, den Marcel an den Tag legt, der hat mir heute gefehlt", sagte Neureuther. "Mich mit einem zweiten Platz nicht zufriedenzugeben, mich immer mehr zu pushen, daran muss ich im Training arbeiten."

Wäre da nicht der wie auf Schienen zu Tal rauschende Hirscher gewesen, Felix Neureuther könnte an dessen Stelle verdientermaßen die Weltcupwertung im Slalom anführen. Dort liegt der Deutsche nach dem neuerlichen Nachweis seines Könnens mit deutlichem Vorsprung auf den Schweden Andre Myhrer (204 Punkte), aber 134 Zähler hinter Hirscher auf Platz zwei. Dass er nebenbei Vierter der Gesamtweltcupwertung ist, amüsiert Neureuther indes mehr, als dass es ihn interessiert.

Gemausert hat sich der Sieger des Weltcups von Wengen vor einer Woche sichtlich - vom großen Talent zu einem echten Sieganwärter selbst unter kniffligsten Bedingungen wie diesmal am extrem eisigen Ganslernhang. Und zum Anführer einer erfolgreichen deutschen Technikertruppe, die dem Deutschen Skiverband (DSV) Freude bereitet.

Nun ist es nicht so, als würde sich die Menge teilen, wenn eine hellblaue Bogner-Jacke vorm Starthäusl um die Ecke biegt. Aber Anerkennung aus den anderen Nationen im Weltcup verspüren sie im DSV dann schon. "Eine große sogar", meint Fritz Dopfer, Sonntag in Kitzbühel hervorragender Siebter, "denn die wissen, welche Arbeit bei uns dahintersteckt."

Dass sich diese Arbeit nicht wie Maloche anfühlt, dafür sorgt die gute Stimmung im Team. Dopfer sagt: "Unsere Trainer geben die Richtung vor. Sie geben vollen Einsatz - und das münzt sich auf uns um." Neureuther findet: "Schön, dass wir wieder eine richtige Mannschaft haben. Speziell für mich. Ich muss zum Beispiel in der Vorbereitung nicht alleine vier Wochen nach Neuseeland reisen. Diese Truppe, das sind einfach alles positiv Verrückte."

Dazu zählen neben ihm und Dopfer unter anderem der hoch talentierte Stefan Luitz, 20, und Dominik Stehle, 26, die Sonntag allerdings mit hohen Startnummern an dem Unterfangen scheiterten, den zweiten Durchgang zu erreichen. Was die DSV-Torläufer bei der WM in Schladming zu leisten imstande sind? Cheftrainer Karlheinz Waibel sagt: "Favoriten sind andere. Aber wir wollen in den technischen Disziplinen zumindest mitreden um die Medaillen." Was er von seinen Burschen höre, stimme ihn positiv: "Dass sie nämlich Spaß haben" - im Gegensatz zu den Speedfahrern um Stephan Keppler, der in der Abfahrt am Sonnabend beim Überraschungssieg des Italieners Dominik Paris den mauen 28. Platz belegte.

Spaß scheint derzeit auch Felix Neureuthers Treibstoff zu sein. In sieben Slalomrennen der Saison fuhr er vier Podestplatzierungen ein, lag nie schlechter als auf Rang sieben, feierte einen Sieg, überraschte obendrein mit einer blendenden Riesenslalombilanz und - ebenso wichtig - brachte alle seine Läufe ins Ziel. Solch eine Konstanz genoss Neureuther junior noch nie. "Es gab Punkte in meiner Karriere, an denen ich mich nach großen Niederlagen wieder zurückgekämpft habe. Jetzt lösen sich viele Verkrampfungen", sagt er.

Früher habe er oft behauptet, aus Pleiten gestärkt herauszugehen. "Doch das war nicht immer ehrlich gemeint", sagt Neureuther heute. Mit demnächst 29 Jahren wähnt sich der kernige Bayer nun wirklich reif für echte Großtaten. "Die WM fängt wieder bei null an. Von der ganzen Körpersprache her werde ich das Ganze ein bisschen spritziger angehen", verkündete er angriffslustig.

Zunächst starten Neureuther und Dopfer zu einem strapaziösen Kurztrip nach Russland. In Moskau lässt der Ski-Weltverband am Dienstag die zwölf besten Slalomfahrer sowie die vier Erstplatzierten der Gesamtweltcupwertung zu einer Parallelslalom-Gaudi antreten, wie sie am Neujahrstag schon in München ausgetragen wurde. Der mit 100 Weltcuppunkten entlohnte Gewinner vor knapp vier Wochen hieß Felix Neureuther. Kein Wunder, dass er im Gegensatz zu vielen Konkurrenten sagt: "Klar ist es stressig. Aber ich finde, das ist ein cooles Event."