Auf den Kapverden gibt es keinen Rasenplatz. Dennoch sind die „Blauen Haie“ bei ihrem Debüt weiter ungeschlagen - auch dank Platini.

Köln/Johannesburg. Platini hat einen dunklen Lockenkopf, spielt beim portugiesischen Zweitligisten Santa Clara und ist seit Mittwoch der neue Nationalheld der Kapverden. Der Stürmer, der eigentlich Luis Carlos Almada Soares heißt und den Namen seines großen Idols auf dem Trikot trägt, versetzte mit seinem Treffer beim 1:1 gegen Marokko die Fußball-Fans der kleinen Insel-Republik in einen Rausch.

Nach zwei Unentschieden steht der krasse Außenseiter bei seinem Afrika-Cup-Debüt vor dem Einzug ins Viertelfinale. „Wir haben allen gezeigt, dass wir eine großartige Mannschaft haben. Meine Spieler können bei Chelsea, Manchester United, Milan, Real Madrid und Barcelona spielen. Ja, das können sie“, sagte Trainer Lucio Antune, der nach dem Spiel gegen den Afrikameister von 1976 vor Stolz beinahe platzte: „Das war ein großer Abend für den Fußball auf den Kapverden und für unser ganzes Land. Jetzt hoffen wir auf den nächsten Schritt.“

Ganze 500.000 Einwohner leben auf den 15 Inseln im Atlantik, von denen nur neun bewohnt sind. Damit sind die Kapverden das kleinste Land, das sich je für den Afrika-Cup qualifiziert hat. Dabei sind die Voraussetzungen denkbar schlecht: Die Temperatur in der Hauptstadt Praia liegt das ganze Jahr zwischen 23 und 30 Grad, einen echten Rasenplatz gibt es in dem Land nicht. Die Fifa half mit ihrem Kunstrasenprogramm, seit 2006 können die wichtigsten Partien im Estadio da Varzea (8000 Plätze) ausgetragen werden. Dort fand im September auch die denkwürdige Play-off-Begegnung gegen Kamerun statt: Der Außenseiter siegte 2:0, im Rückspiel reichte gegen den Topfavoriten mit Weltstar Samuel Eto’o eine 1:2-Niederlage zur Sensation.

Das Team ist eine Ansammlung von Namenlosen. Der überwiegende Teil des Kaders spielt wie Platini in der ersten und zweiten portugiesischen Liga, lediglich die Torhüter Fock und Rilly sind noch in der nationalen Sao Vicente Liga aktiv. Dabei gibt es Stars mit kapverdischem Blut: Der Portugiese Nani, Verteidiger von Manchester United, ist in Praia geboren. Der Vater des ehemaligen schwedischen Nationalspielers Henrik Larsson stammt von dem Archipel. Und auch Weltmeister Patrick Vieira, Besiktas-Mittelfeldspieler Manuel Fernandes und Malagas Eliseu haben kapverdische Wurzeln.

Doch ihre Vorfahren suchten ihr Glück im reichen Europa, wie so viele: Heute leben mehr Kap Verdier in Europa oder Amerika als auf der unwirtlichen Inselgruppe. Noch im Jahr 2000 betrug dort der Altersdurchschnitt 17,4 Jahre. Die Begeisterung für Fußball ist auf den „Inseln über dem Wind“ und „Inseln unter dem Wind“ dennoch ungebrochen. Die Meister der neun bewohnten Flecken spielen den Champion des Landes aus. Und wenn dann die Topklubs CS Mindelense und Sporting Praia aufeinandertreffen, sind Spannungen und sogar Ausschreitungen nicht ausgeschlossen.

„Jeder im Lande spricht über Fußball - vom Minister bis zum Landwirt“, sagt Nationaltrainer Antune. Nun also der Afrika-Cup. Schon das 0:0 im Eröffnungsspiel gegen Südafrika war eine dicke Überraschung. 80.000 Zuschauer sahen im Final-Stadion der WM 2010 in Johannesburg das achtbare Remis. Gegen Marokko hätte es um ein Haar zum ersten Sieg gereicht, erst in der 78. Minute fiel der Ausgleich. Im dritten Gruppenspiel gegen Angola könnte dem 70. der Weltrangliste ein Unentschieden zum Einzug ins Viertelfinale reichen.

Auf ihre erste WM-Teilnahme müssen die Kapverden wohl noch warten. In der Qualifikation für die Endrunde 2014 in Brasilien steht der Insel-Staat derzeit noch ohne Punkt da. Trotz Platini.