Der norwegische Skispringer Anders Jacobsen steht bei seinem Comeback vor dem zweiten Toursieg

Garmisch-Partenkirchen. Das Funkeln in seinen Augen hört gar nicht mehr auf. Anders Jacobsen, 27, verzaubert erneut die Skisprungwelt. "Es ist der Wahnsinn. Es war wie ein Schock", sagt der 1,73 Meter kleine Norweger mit dem jungenhaften Charme. Er reklamiert den Ruhm aber nicht für sich allein: "Unser Team funktioniert prächtig, wir sind eine gute Gang." Seine Augen werden in Momenten, in denen er lacht und grinst, zu kleinen, lustigen Schlitzen. Und er lacht eigentlich fast immer. Anders Jacobsen hat den Spaß am Sport zurück. Und den Erfolg.

Der Tourneefavorit hat bewegte Jahre hinter sich und fesselt sein Land wieder - genauso wie 2006/07, als er sensationell die Tournee gewann. Nach seinen Erfolgen in Oberstdorf und Garmisch-Partenkirchen - jeweils vor Gregor Schlierenzauer - fühlt er sich wieder "wie im Märchen". Und doch ist einiges anders als damals. Vor allem aber ist alles anders als 2011.

Im Winter jenes Jahres war das Funkeln in seinen Augen erloschen. Ende Mai 2011 kündigte er mit traurigem Blick vor der norwegischen Presse eine Pause an. Damals war die Rede von einem Motivationsloch, heute sagt er: "Ich hatte das Skispringen satt, vor allem das viele Reisen." Er wollte mehr Zeit mit seinem Sohn Isak verbringen, der im Januar 2011 auf die Welt gekommen war. Auch mit Cheftrainer Mika Kojonkoski kam Jacobsen nicht mehr klar. Es war einfach alles zu viel. Alexander Stöckl, Kojonkoskis Nachfolger, spricht gar davon, Jacobsen sei kurz vor einem Burn-out gewesen. Und nun steht er vor dem zweiten großen Erfolg seiner Karriere. "Jacobsen ist bei der Tournee vom ersten Tag an geflogen wie ein Engel", sagt Bundestrainer Werner Schuster. "Er weiß, wie man gewinnt."

Der Tourneetriumph 2006/07 kam damals genauso überraschend wie der Erfolg jetzt. Damals sprang der gelernte Klempner seine erste Weltcupsaison, heute ist es seine erste Saison nach einer Pause. Nach dem Triumph 2007 blieben große Siege aus. Als es 2011 nur noch zu Platz 19 im Gesamtweltcup reichte, war es genug.

"Ich bin aber nicht zurück in meinen alten Beruf gegangen", sagt Jacobsen lachend. Er verbrachte stattdessen viel Zeit mit seiner Familie, kaufte ein Haus und renovierte es. Und er zeigte bei der norwegischen Version der TV-Show "Let's dance" seine Qualitäten als Tänzer. "Ich wollte sehen, ob ich einen Idioten aus mir machen kann."

Doch immer wieder dachte er an die Schanzen. "Springen und Fliegen ist meine Freiheit", sagt er. "Ich musste einfach zurückkehren." Er tat es Schritt für Schritt. Erst kommentierte Jacobsen im vergangenen Winter für das norwegische Fernsehen, dann absolvierte er ein hartes Konditionstraining. Aus dem Flieger Jacobsen wurde ein Athlet mit Ausnahmefähigkeiten im Flug. Nicht viele Springer hätten solch einen missglückten Flug wie in Garmisch sturzfrei überstanden und gewonnen.

"Ich bin ein glücklicherer Mann als in meinem ersten Leben als Skispringer", sagt Jacobsen. "Ich habe eine wunderbare Frau, ein kleines Kind und ein schönes Zuhause." Und er ist abgehärtet. Zur Vorbereitung fror er am Mittwoch in einer Kältekammer bei minus 110 Grad. Da kann ihn auch ein Schlierenzauer nicht mehr schocken.