Die slowenische Skirennläuferin dominiert den alpinen Weltcup deutlich und peilt bei der WM in Schladming Gold an

Courchevel/Berlin. Tina Mazes Faible für Musik ist unverkennbar. Mit einem eigenen Lied samt Musikvideo ("My Way Is My Decision") ist die alpine Skirennläuferin seit Herbst ein kleiner YouTube-Popstar geworden, ihre Leistungen auf den Pisten ordnet die Slowenin nicht selten mit Textzeilen aus Songs ein. "Auf nach Are", postete Maze bei Facebook und rezitierte eine US-Soulgröße: "Alicia Keys singt: 'Sie ist nur ein Mädchen, und sie brennt'!"

Und das augenscheinlich jedes Wochenende aufs Neue. Von bislang zwölf Rennen dieser Saison gewann Maze fünf, erreichte außerdem viermal einen Platz unter den besten Vier. Zum Weltcup nach Schweden an diesem Mittwoch und Donnerstag (Riesenslalom, Slalom) reist die 29-Jährige als Nummer eins der Welt an. Maze sagt: "Ich kenne mich selbst kaum wieder, so gut wie ich im Moment fahre." Zur Rasanz hat sich Konstanz gestellt. Mit 799 Punkten führt sie die Weltcup-Gesamtwertung vor Olympiasiegerin Maria Höfl-Riesch (468/"Tina ist sicher die härteste Nuss"), der Österreicherin Kathrin Zettel (440) und Vorjahressiegerin Lindsey Vonn (USA/414) deutlich an. Dass es ihr an Talent und Biss nicht mangelt, weist die Blondine aus dem kleinen Dorf Èrna na Koroskem seit Jahren nach. 2010 war sie Vierte im Gesamtweltcup, 2011 Dritte, 2012 Zweite - und jetzt? "In Mathe würde man von der fehlenden Eins sprechen", feixt sie. "Klar ist das ein Ziel." Sie weiß: "Wenn man besser sein will als Lindsey Vonn, muss man mehr trainieren, mehr riskieren und alles besser machen."

Einst haftete Maze der Ruf an, ein sehr ernster Mensch zu sein. Als sie neulich in Aspen gefragt wurde, ob sie denn immer noch zornig sei, da lachte Maze und antwortete: "Ich bin immer noch wütend, ja - aber das Problem ist: Es gibt gerade nichts, auf das ich zornig sein könnte." Wozu auch? Die Dinge fügen sich derzeit blendend. Natürlich weiß auch Maze, dass der Winter noch lang und ermüdend sein wird ("Es ist so hart, dieses Tempo zu halten, immer Gas zu geben"). Erst etwa ein Drittel der Wettbewerbe ist gefahren.

Doch ihre Vielseitigkeit kommt Maze zugute, ihre Lockerheit seit dem Auftaktsieg in Sölden im Oktober lässt ihr die Dinge leicht von der Hand gehen. Die beste Riesenslalomfahrerin der vergangenen Jahre, Viktoria Rebensburg, 23, sagt: "Sie surft zurzeit auf einer Welle, da fährt es sich wie von alleine."

Ihren Weg fand Maze als Individualistin - gemäß dem Motto ihres Songs: "Mein Weg ist meine Entscheidung". 2008 kehrte sie dem slowenischen Verband nicht eben in Harmonie den Rücken, zog ihr eigenes Team auf und gab ihm den doppeldeutigen Namen "Team to aMaze" ("Team zum Erstaunen"). Eine Gruppe von Fachkräften um den früheren Konditionstrainer Andrea Massi machte die 1,71 Meter große Slowenin zu einer der stärksten Frauen in der Weltspitze. Auch privat fanden Maze und Massi ihr gemeinsames Glück.

Die Slowenin beweist gern ihren eigenen Kopf. Im vergangenen Januar stand sie im Mittelpunkt einer pikanten Affäre um angeblich nicht regelkonforme Unterwäsche. Das Schweizer Team protestierte nach einem Rennen, angeblich sei Mazes Textil weniger luftdurchlässig und so windschnittiger gewesen. Die Schweizer Boulevardzeitung "Blick" schrieb vom "Höschen-Zoff", bevor die Sache im Sande verlief und Maze ("Meine Unterwäsche ist wohl zu sexy für die Schweizer") bei einem der nächsten Rennen im Zielraum frech ihren BH entblößte. Darauf stand als Botschaft an den Weltverband geschrieben: "Nicht eure Angelegenheit."

Humor hat sie ja, die Hobbymusikerin, die sich schon mal nach einer Pressekonferenz an einen Hotelflügel setzt und ein wenig klimpert. Sie entwirft ihren eigenen Silberschmuck, ist als Model in Modezeitschriften gefragt und ließ sich auch schon lediglich mit zwei Retrolatten bedeckt ablichten.

Mazes skifahrerischen Fähigkeiten stehen außer Frage. Dass sie in diesem Winter ihrer sportlichen Vita eine zweite Goldmedaille bei einem Großereignis hinzufügt, ist wahrscheinlich: Nach zweimal Olympiasilber in Vancouver (Riesenslalom, Super-G) und dem WM-Titel im Riesenslalom in Garmisch-Partenkirchen 2011 soll Anfang Februar in Schladming der zweite folgen.

"Es ist eine Herausforderung, Risiko zu gehen, wenn man eigentlich nicht 100 Prozent Energie hat", sagt die Weltcupführende. "Und es ist eine Herausforderung, die Nummer eins zu sein und das Tempo zu halten." Neugierig versucht sie gerade zu sehen, "wo meine Grenzen sind. Ich weiß es noch nicht." Aber: "Wer es nicht probiert, wird es auch nicht wissen."