Der 20 Jahre alte Allgäuer wird sensationell Zweiter im Riesenslalom in Val d'Isère

Val d'Isère/St. Moritz. Stefan Luitz stand bei minus zwölf Grad im Zielraum des Riesenslaloms in Val d'Isère in der Box des führenden Fahrers und konnte es nicht fassen. Als 25. des ersten Durchgangs hatte der 20 Jahre alte Nachwuchsrennläufer aus Bolsterlang im Allgäu in seinem zweiten Lauf eine herausragende Fahrt abgeliefert und wunderte sich nun, dass alle Favoriten mit schlechteren Zeiten das Ziel erreichten. "Unbeschreiblich", sagte Luitz. "Ich bin da unten gestanden, und einer ums andere war langsamer als ich." Am Ende war nur der Österreicher Marcel Hirscher schneller - Luitz aber fuhr das beste deutsche Riesenslalom-Ergebnis im Weltcup seit 19 Jahren (Tobias Barnerssoi) heraus. Felix Neureuther, der als Vierter ein Resultat komplettierte, dass es so zuletzt 1971 gegeben hatte, klopfte Luitz immer wieder auf den Helm, ehe er seinen Teamkollegen dann doch umarmte. Der letzte Deutsche, der einen Weltcup-Riesenslalom gewinnen konnte, hieß übrigens Max Rieger. Das ereignete sich 1973 in Quebec. Rieger ist heute 66 Jahre alt.

Neureuther hatte bereits am Sonnabend im Slalom seinen dritten Weltcupsieg nur knapp verpasst. Eine halbe Sekunde fehlte ihm im Ziel auf den Franzosen Alexis Pinturault, der den Partenkirchener mit einem herausragenden zweiten Durchgang noch überholt hatte. "Dieser Erfolg war schon wichtig für mich, jetzt hat man den ersten Stress ein bisserl weg", sagte Neureuther. "Aber Stefans zweiter Platz, das ist eine viel größere Sensation. Das freut mich so für den Kerl, den muss man jetzt feiern."

In der Tat. In der Geschichte des alpinen Skiweltcups ist es vor Luitz erst vier Fahrern gelungen, in einem Riesenslalom 23 oder mehr Plätze aufzuholen. Den Rekord hält der Franzose Gauthier De Tessières, der vor vier Jahren ebenfalls in Val d'Isère vom 30. auf den dritten Rang nach vorn fuhr.

Stefan Luitz, der jüngste Starter im deutschen Team, bestritt erst im Januar 2011 sein erstes Weltcup-Rennen, nachdem er 2010 bei den Junioren-Weltmeisterschaften in Les Houches die Silbermedaille in seiner Spezialdisziplin Riesenslalom gewonnen hatte. In dieser Saison ging es Schlag auf Schlag. In Beaver Creek im US-Bundesstaat Colorado fuhr er zum ersten Mal unter die besten 20, und nun gelang ihm in Val d'Isère der Durchbruch. Mit dem besten Rennen seiner Karriere qualifizierte sich Luitz zugleich für die Weltmeisterschaften 2013 in Schladming. Die deutschen Damen waren vor ihrem zeitgleich ausgetragenen Riesenslalom in der Schweiz extra lange im Aufwärmzelt geblieben und hatten die Läufe von Luitz und Neureuther auf dem Bildschirm verfolgt. "Wow, das ist Wahnsinn", sagte Maria Höfl-Riesch.

Der deutsche Alpindirektor Wolfgang Maier sprach nach dem überaus erfolgreichen Wochenende von einem "Glücksgefühl". Er habe "nichts zu nörgeln", denn: "Mit dem alpinen Skisport in Deutschland kann man im Moment extrem zufrieden sein." Auch die Damen hatten einen Podestplatz beigesteuert. Viktoria Rebensburg fehlten im Riesenslalom in St. Moritz nur acht Hundertstelsekunden auf die siegreiche Slowenin Tina Maze, die überragende Läuferin dieses Winters. Schon im Super-G hatte Rebensburg den sechsten Platz belegt. Nachdem sie sich kurz über den verpassten Sieg geärgert hatte ("Dafür bin ich ja Rennfahrerin"), gab sich Rebensburg dann doch zufrieden: "Ich bin echt glücklich. Ich weiß, dass es in die richtige Richtung geht, auch mit dem Material. Das tut gut."

Auch Maria Höfl-Riesch fuhr mit den Plätzen fünf und neun solide Resultate heraus. "Da ist noch Luft nach oben", fand die Olympiasiegerin. Immerhin hat sie als bislang einzige deutsche Läuferin in diesem Winter schon ein Weltcup-Rennen gewonnen: den Slalom im finnischen Levi.