Susi Kentikian verliert in Düsseldorf ihren Comeback-Kampf nach Punkten gegen Carina Moreno. Ihr Promoter Felix Sturm spricht von Betrug.

Düsseldorf. Der Blick ging ins Leere, doch an ihren Augen war abzulesen, wie es in ihr brodelte. Und wenn ihr jemand die Worte übersetzt hätte, mit denen ihre Gegnerin Carina Moreno in englischer Sprache das Geschehen im Ring zusammenfasste, dann hätte ein Dutzend Journalisten möglicherweise schon auf der Pressekonferenz Teil zwei eines Kampfes miterleben können, der für Gesprächsstoff sorgen wird in den kommenden Wochen. Doch weil niemand übersetzte, blieb Susi Kentikian in der schwärzesten Stunde ihrer Profiboxkarriere allein mit ihrem Frust.

Sie hatte sich so viel vorgenommen, die 25 Jahre alte Hamburgerin, für ihr Comeback im neuen Umfeld. Nach der überraschenden Punktniederlage gegen Melissa McMorrow (USA) im Mai, der ersten in ihrer Laufbahn, hatte sie alles auf Anfang gestellt. Sie wechselte vom Magdeburger SES-Team zum Stall des Kölner Mittelgewichtlers Felix Sturm, tauschte ihr Management aus, durfte nach zwei Jahren im Abseits erstmals bei Sat.1 und damit auf großer Fernsehbühne auftreten, sofort um den vakanten WBA-WM-Titel im Fliegengewicht boxen - und hatte für ihr Comeback nicht weniger als die Rückkehr zur alten Stärke angekündigt: kämpfen ohne Rücksicht auf Verluste.

Und dann musste sie feststellen, dass das alles, all die schönen Veränderungen, die ihr den Spaß am Boxen zurückgebracht hatten, nicht ausreichte, um Carina Moreno zu schlagen, eine ehemalige Weltmeisterin im Minimumgewicht, die mit der zweifelhaften Empfehlung von vier Niederlagen aus ihren letzten fünf Kämpfen im Düsseldorfer Castello in den Ring stieg.

Natürlich lässt sich über die Nebengeräusche dieser Niederlage diskutieren. Moreno war mit ihrem schnellen Jab stets gefährlich und trug mit ihrer Aktivität viel dazu bei, dass die rund 1500 Zuschauer einen hochklassigen Frauenboxkampf zu sehen bekamen. Allerdings setzte Kentikian, die sehr variabel zu Werke ging, die klareren Treffer. Die komplizierte Box-Arithmetik, die schon so oft für Verwirrung gesorgt hat, hatte zur Folge, dass der polnische Punktrichter Leszek Jankowiak, der die Anzahl der Treffer höher bewertete, einen 97:93-Sieg für Kentikian notierte. Sein Landsmann Pawel Kardyni und der Finne Erkki Meronen dagegen sahen Moreno wegen ihrer höheren Schlagrate mit 96:94 Punkten vorn. In der Endabrechnung ergab das einen 2:1-Mehrheitsentscheid zugunsten der 31 Jahre alten US-Amerikanerin.

Dieses Urteil brachte Promoter Felix Sturm, 33, dermaßen in Rage, dass er sich in wüste Verschwörungstheorien verstieg. "Wenn ich mir angucke, dass von den letzten Runden keine an Susi ging, dann muss ich schon befürchten, dass da etwas abgesprochen wurde, um uns zu schaden", warf er den Punktrichtern offen Betrug vor. Supervisor George Martinez und Ringrichter Jesus Morata Garcia hätten den Kampf für Kentikian gewertet, Martinez habe sich sogar für das Urteil bei ihm entschuldigt. "Deshalb ist ganz klar, dass wir dieses Urteil niemals akzeptieren und Protest einlegen werden", sagte Sturm. Dies wiederum konnte Moreno nicht verstehen: "Ich habe viel mehr geschlagen und jeden ihrer Einzeltreffer mit fünf, sechs Treffern beantwortet. Ich finde es peinlich, dass Susi hier sitzt und rumheult." Das war der Moment, in dem man froh sein musste, dass die Sprachbarriere größer war als die Distanz zwischen den Kontrahentinnen.

Kentikian, die noch im Ring von ihrem Vater Levon getröstet wurde, wollte am liebsten gar nichts mehr kommentieren. "Ich kann das Urteil nicht verstehen. Für mich war es nicht einmal ein knapper Sieg", sagte sie. Wie die Zukunft aussehen könnte angesichts von nun zwei offenen Rechnungen mit Moreno und McMorrow, will sie erst nach einem mehrwöchigen Urlaub überlegen. Sturm stellte klar, dass Sat.1 an Kentikian als Hauptkämpferin festhalten werde. "Sie hat bewiesen, warum sie meine Nummer eins ist, und sie wird bald wieder Weltmeisterin sein!"

Was sollte er auch sonst sagen? Immerhin muss Sturm, der am 2. Februar gegen den Australier Sam Soliman einen WM-Ausscheidungskampf beim Verband IBF bestreiten wird, 2013 fünf Veranstaltungen bieten, auf denen er nicht selbst in den Ring steigt. Ob der Protest einen Effekt haben wird, bleibt abzuwarten. Letztlich passte das Ergebnis des Hauptkampfs zu einem Abend, an dem sonst nichts passte. So sagten die als zweite Hauptkämpfer eingeplanten Ex-Weltmeister Ruslan Chagaev und Firat Arslan kurzfristig ab, die fünf Vorkämpfe hatten allenfalls drittklassiges Niveau. "Wir müssen und werden besser werden", sagte Sturm.

Es war der beste Treffer eines ernüchternden Abends.