Simon Frenz, Florian Pößl, Predi Fritsche spielen im Alter von über 40 Jahren in der Squash-Bundesliga. Ihr Ehrgeiz ist geblieben, die Schmerzen sind neu

Hamburg. Vor 32 Jahren trafen sie sich das erste Mal in Köln bei einem Nachwuchsturnier, in dieser Saison treten sie im nun fortgeschrittenen Alter für das Quartett des Hamburger Bundesliga-Aufsteigers HanseSquash an: die ehemaligen Weltranglistenspieler, deutschen Meister und Europapokalsieger Simon Frenz, 41, und Florian Pößl, 44, dazu Ü-40-Europameister Predi Fritsche, 44. Am nächsten Freitagabend (19 Uhr, Kaifu-Lodge, Bundesstraße 107) wollen sie gegen Black&White Worms ein weiteres Mal beweisen, dass sie den Squashcourt noch nicht ihren jüngeren Konkurrenten überlassen müssen. Worms und HanseSquash kämpfen um den vierten Tabellenplatz, der den Klassenerhalt sichert und zur Teilnahme an der Meisterschaftsendrunde berechtigt.

Hamburger Abendblatt:

Meine Herren, Sie haben Ihre Karrieren hinter sich, haben Familien und sind erfolgreich im Beruf. Was treibt Sie noch auf den Court?

Predi Fritsche:

Sportlicher Ehrgeiz, zu beweisen, dass man in einer körperlich anspruchsvollen Sportart noch in diesem Alter konkurrenzfähig ist, aber auch das Gemeinschaftserlebnis. Das bleibt für mich die größte Motivation.

Florian Pößl:

Wir haben zuletzt drei Jahre Zweite Liga gespielt. Irgendwann kam uns der Gedanke, wie schlagen wir uns eigentlich noch mit denen aus der Ersten Liga? Weil der zeitliche Aufwand mit zehn festen Terminen in der Saison überschaubar ist, glaubten wir, uns in dieses Abenteuer stürzen zu können.

Simon Frenz:

Für uns gilt: einmal Leistungssportler, immer Leistungssportler. Unser Ehrgeiz ist ungebrochen wie die Lust auf Wettkämpfe, dieses Messen mit anderen. Beides verlierst du nicht, das bleibt ein Leben lang. Das Ganze hat zudem einen leicht beknackten Touch, der wiederum auch reizvoll ist. Am Anfang mussten wir uns dennoch einen kleinen Ruck geben, bis wir uns entschieden haben: Wir machen es!

Und Ihre Familien haben Hurra geschrieen, als sie von Ihren Plänen hörten?

Frenz:

Das muss ich dann wohl überhört haben. Aus meinem Freundeskreis sind schon Fragen mit diesem unüberhörbaren Unterton gekommen, warum ich mir das antue. Wahrscheinlich hat mich meine Frau auch Ähnliches gefragt, aber das habe ich wohl verdrängt.

Pritsche:

Meine Frau hat noch nie verstanden, dass ich zum Squashspielen nach Stuttgart fahren muss. Das versteht sie jetzt noch viel weniger. Aber dass ich Lust auf dieses Gemeinschaftserlebnis habe, dass man dadurch Freundschaften pflegt, das kann sie schon nachempfinden.

Pößl:

Meine Frau war selbst eine starke Squashspielerin, sie kennt diese Szene und versteht meinen Ehrgeiz. Sie unterstützt mich aber auch, weil sie merkt, wie viel Spaß mir das Squashspielen weiterhin macht.

Sie sind in Ihrem Alter immer noch konkurrenzfähig. Was sagt das über das deutsche Squash aus?

Frenz:

Ausschließlich, dass wir unglaublich gut sind (lacht).

Pritsche:

Natürlich mangelt es in Deutschland an starkem Nachwuchs, nicht in der Spitze, da sind wir momentan wahrscheinlich besser als jemals zuvor, jedoch in der Breite. Da fehlen von der Anzahl der Spieler fast zwei Generationen. Zu unserer Ehrenrettung muss ich aber auch sagen, es gibt wenige in unserem Alter, die in der Ersten Bundesliga mithalten könnten.

Frenz:

Wenn wir gegen die Top acht in Deutschland spielen, wird es eng. Gegen die haben wir bei Spielen über drei Gewinnsätze, die dann rund eine Stunde dauern können, keine Chance mehr, gegen den Rest schon.

Ein guter Squashspieler, sagt man, ist schnell wie ein Sprinter und ausdauernd wie ein Marathonläufer. Ist es bei Ihnen inzwischen umgekehrt: Sind Sie so schnell wie ein Marathonläufer und so ausdauernd wie ein Sprinter?

Pößl:

Sie vergessen eins: Als Squashspieler brauchst du auch das strategische Denken eines Schachspielers. Das haben wir den meisten Jüngeren voraus, und das erspart uns den einen oder anderen unnötigen Laufweg. So etwas nennt man dann Erfahrung. Von der profitieren wir auch, weil wir mal international gespielt haben, die meisten unserer Gegner aber nicht.

Frenz:

Das Lesen eines Spiels ermöglicht uns, unsere verbliebenen Kräfte gezielter einzusetzen. Außerdem sind wir mental immer im Vorteil. Ein 21-Jähriger, der gegen uns alte Säcke antritt, kann nichts gewinnen, nur verlieren. Von dieser Konstellation lassen sich einige unserer jüngeren Gegner durchaus verunsichern.

Pritsche:

Wir haben keinen Druck, das ist ein kleiner Vorteil, aber kein entscheidender. Eine gute Physis wiegt am Ende schwerer als alle psychischen Komponenten.

Sind Ihre Niederlagen jetzt schmerzhafter als früher?

Pritsche:

Jede Niederlage, die vermeidbar gewesen wäre, schmerzt nach wie vor; körperlich nur etwas mehr als in jüngeren Jahren.

Pößl:

Im spüre die Matches schon. Ich habe früher sieben Mal die Woche Sport getrieben, heute reicht es gerade noch zu drei Trainingseinheiten. Ich bin nicht mehr so fit und stecke Spiele auf diesem Niveau nicht mehr so leicht weg. Aber nach ein paar Tagen geht's wieder.

Frenz:

Muskuläre Probleme sind bei mir noch das Geringste. Meistens kann ich nach den Spielen wegen meiner Arthrose in den Knien tagelang keine Treppen mehr steigen.

Dann sollten Sie aufhören.

Frenz:

Es wird Sie überraschen, daran habe ich auch schon gedacht.

Und? Wann hören Sie auf?

Frenz:

Solange es Fahrstühle gibt, kann ich mir noch ein bisschen Zeit lassen. Aber im Ernst: Ob ich in der nächsten Saison noch einmal antrete, werde ich mir sehr genau überlegen.

Wann ist der richtige Zeitpunkt des Aufhörens gekommen?

Pößl:

Wenn wir uns lächerlich machen würden. Aber noch lacht keiner über uns, im Gegenteil, überall werden wir freudig begrüßt.

Frenz:

Noch wollen uns die Leute spielen sehen, die Meister von früher. Man muss ja nicht jedem gleich erzählen, dass die Jahreszahl unserer Titelgewinne mit 19 anfängt.

Pößl:

Die Resonanz bei unserem ersten Heimspiel vor zwei Monaten war überragend. Mit mehr als 200 Zuschauern war das eines der am besten besuchten Bundesligaspiele aller Zeiten.

Das Publikum war dasselbe wie vor zehn Jahren, als mit dem Squash-Hof-5-Linden das bislang letzte Mal eine Hamburger Mannschaft Bundesliga gespielt hat.

Pritsche:

Das spricht dafür, dass in Hamburg immer noch großes Interesse daran besteht, gutes Squash zu sehen. Ein paar neue Gesichter waren im Übrigen doch dabei.

Warum hat Squash in Deutschland seine einstige Faszination eingebüßt?

Fritsche:

Weil es diese ganzen Funsportarten gibt. Die sind wesentlich unverbindlicher, du musst nicht Mitglied eines Vereins oder einer Mannschaft sein. Da gehst du eine Zeit lang hin, dann lässt du es wieder sein. Sportarten wie Squash musst du mit einer gewissen Kontinuität betreiben, wenn du etwas erreichen willst. Dieser Durchhaltewillen fehlt heute vielen Jugendlichen.

Pößl:

Nicht nur die Masse der Squashspieler ist weniger geworden, auch die Zahl der Courts. Das hängt ursächlich zusammen. Ich sehe das bei meiner Familie. Ich würde begrüßen, wenn meine Kinder Squash spielten, der nächste Court ist jedoch von unserem Zuhause mehr als eine halbe Stunde Fahrzeit mit dem Auto entfernt. So nehmen sie sich das Fahrrad und gehen Basketball spielen oder schwimmen. Und dann werden Kinder in den Anlagen nicht mehr so aufgefangen wie früher, als überall ein Topspieler Training gab. In Hamburg zum Beispiel waren in den 1980er-Jahren die besten sechs Spieler der Weltrangliste regelmäßig auf Anlagen wie der Kaifu-Lodge zu sehen. Das waren Vorbilder zum Anfassen. Die fehlen.

Frenz:

Auch der Komfort vieler Anlagen spielt eine große Rolle. Wo es nur Squashcourts, aber keine Wellnessbereiche gibt, gehen nur die ganz Harten noch hin. Hinzu kommt: In meiner Jugend gab es eine Handvoll Sportarten. Irgendwann entschied man sich für eine, der blieb man treu. Heute ist das anders, und das hat auch mit den Veränderungen in unserer Gesellschaft zu tun. Der Spaß steht im Vordergrund. Wenn etwas langweilig und anstrengend wird, und das wird Sport nach einem halben Jahr, probiert man eben etwas anderes aus, was dann gerade cool ist.

Pößl:

Die Kinder, die Sport machen, gibt es ja noch. Die laufen heute aber fast alle zum Fußball. Um da überhaupt ein bisschen mithalten zu können, müssen wir im Squash Strukturen schaffen, um diese Kinder einzufangen. Dass Squash Spaß macht, steht außer Frage, wir müssen das nur vermitteln können.

Fritsche:

Wir brauchen neben besseren Anlagen vor allem Idole. Wenn du als Sportart nicht mit deinen Helden bei YouTube zu sehen bist, hast du verloren.

Das heißt, Squash braucht noch lange unverwüstliche Typen wie Sie?

Frenz:

Das macht meine Pflegeversicherung kaum mit. Wir engagieren uns aber alle seit drei Jahren intensiv in der Nachwuchsarbeit. Irgendwann werden wir unsere Nachfolger präsentieren können. Für mich hoffe ich, dass dieser Tag in nicht allzu weiter Ferne liegt.