Sandro Cortese wird mit seinem Sieg in Malaysia vorzeitig Champion der Moto3-Klasse

Berlin/Sepang. Richtig wehmütig sah der Junge mit dem roten Basecap, den Mützenschirm in den Nacken gedreht, in die Sonne: "Schade, morgen muss ich wieder zur Schule." Nichts Ungewöhnliches für einen gerade 15-Jährigen. Es war Sandro Cortese, der den Seufzer Mitte März 2005 in der Boxengasse der Grand-Prix-Strecke von Barcelona in den Himmel geschickt hatte. Sein erster Kontakt zu einem WM-tauglichen Rennmotorrad hatte den schmächtigen Schwaben verzaubert. Seit gestern, nach dem Sieg in Sepang (Malaysia), ist der mittlerweile 22-jährige KTM-Pilot aus Berkheim Motorradweltmeister - und immer noch von seinem Sport verzaubert. In der letzten Runde entriss er Lokalmatador Zulfahmi Khairuddin (KTM) auf der Zielgeraden Platz eins, Kalex-Fahrer Jonas Folger aus Schwindegg wurde Dritter.

Cortese geht in die WM-Geschichte ein - nicht weil er bereits im 15. von 17 WM-Durchgängen uneinholbar vorn liegt, sondern weil sein Name die Statistiken als erster Titelträger der neuen Kategorie Moto3 (früher Klasse bis 125 Kubikzentimeter) ziert. Ein Champion, der den größten Teil seiner Karriere als "Weichei" verspottet wurde. Zu zögerlich, zu nachdenklich sei er. Alles vergessen nach dem Triumph in Malaysia. In den strömenden Regen mischten sich bei der Siegerehrung ein paar Tränen - bei Corteses Mutter Karin, bei seinem Vater Antonio, bei einigen Angestellten im Team des Finnen Aki Ajo. "Bis zur letzten Rille stockt einem der Atem, du leidest. Es ist aber wirklich ein unglaubliches Gefühl", sagte Karin Cortese. "Das ist jetzt die Krönung, uns ist ein riesiger Stein vom Herzen gefallen", ergänzte Ehemann Antonio.

Der neue Weltmeister erklärte sich kurz und bündig für "völlig alle". Später, Cortese hatte zwischenzeitlich allen im Team versprochen, in den Abendstunden in der rund 50 Kilometer vom Rennkurs entfernten Hauptstadt Kuala Lumpur "die Sau rauszulassen", gab er ein paar Einblicke in sein Seelenleben: "Die Nationalhymne war der emotionalste Moment meiner Karriere. Ich kann noch gar nicht richtig ausdrücken, was dieser Erfolg für mich bedeutet."

Corteses Ausgangsposition hatte sich schon am Freitag entscheidend verbessert, als der bisherige WM-Zweite, Maverick Viñales aus Spanien, nach teaminternen Querelen nicht mehr angetreten war. Und als sich dann auch noch Luis Salom (Spanien) als neuer härtester WM-Rivale bei der Reifenwahl verzockte und der Spitzengruppe nicht mehr folgen konnte, war der Titelgewinn in seinem 131. Grand-Prix-Rennen in Folge perfekt. Cortese stand in dieser Saison sechsmal auf der Poleposition und 13-mal auf dem Siegerpodest. Viermal wurde er Erster, viermal Zweiter und fünfmal Dritter.

Angefangen hat das Abenteuer Motorsport für Sandro Cortese - er ist der siebte deutsche Weltmeister seit WM-Start 1949 - übrigens 1994. Mit vier Jahren kletterte der Winzling in der Kiesgrube Max Wild in Edenbachen auf ein Mini-Motocross-Motorrad und holte sich Rang drei. "Den Pokal habe ich noch in meinem Zimmer", ließ er später wissen. In der nächsten Saison startet der Moto3-Premierenweltmeister eine Kategorie höher, in der Moto2. Das Ziel: Weltmeister werden, wie sein Freund Stefan Bradl es 2011 geschafft hat.

Bradl ging gestern in der MotoGP-Klasse leer aus. Er stürzte in der 14. Runde, blieb aber unverletzt.