Bundestrainer Löw hat sich für die harsche Kritik an Verteidiger Schmelzer öffentlich entschuldigt. Er habe sich unglücklich ausgedrückt.

Hamburg/Berlin. In schonungsloser Offenheit hat Fußball-Bundestrainer Joachim Löw am Montag Fehler im Umgang mit Nationalspieler Marcel Schmelzer eingeräumt. „Ich habe mir meinen Wortlaut noch einmal angeschaut, das war sehr, sehr unglücklich“, sagte Löw vor dem WM-Qualifikationsspiel gegen Schweden in Berlin am Dienstag (20.45 Uhr/ARD). „Ich habe darüber mit ihm auch noch mal gesprochen.“

Löw hatte den Dortmunder Außenverteidiger Schmelzer vor dem 6:1-Sieg in Irland ungewöhnlich scharf kritisiert. „Er hat gegen Österreich kein gutes Spiel gemacht. Viele Alternativen gibt es jetzt auch nicht, also müssen wir mit Schmelzer die nächsten zwei, drei, vier fünf Monate weiterarbeiten, das werden wir auch, und Alternativen schaffen“, hatte Löw gesagt.

Am Montag betonte Löw, seine Aussagen hätten „von der Wortwahl nicht gepasst. Das war nicht mein Ansinnen, das so zu machen. Die Wortwahl war nicht in Ordnung.“

Löws Aussagen hatten hohe Wellen geschlagen. BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke hatte umgehend beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) interveniert und laut eigener Aussage „deutlich“ seine Meinung dargestellt. Selbst Oliver Bierhoff, der Manager der Nationalmannschaft, bezeichnete Löws Kritik als „unglücklich“ und „sicher nicht so gemeint“.

Das mit Leichtigkeit herausgespielte 6:1 gegen Irland glättete in der Nationalmannschaft die Wogen der vorangegangenen Tage. Nach den Debatten um eine Bemerkung von Bastian Schweinsteiger über den verbesserungswürdigen Teamgeist bei der EM und den Diskussionen um die Kritik von Bayern-Präsident Uli Hoeneß wirkte die Reisegruppe der 20 Nationalspieler, als sie aus Dublin kommend für das WM-Qualifikationsspiel gegen Schweden in Berlin eintraf, harmonisch wie zu besten Zeiten.

Doch viele Spieler sind genervt, Medientermine nehmen sie nur ungern wahr. Jeder kann mit unangenehmen aktuellen Fragen konfrontiert werden, bei deren Beantwortung man sich die Zunge verbrennen kann. Auch Bundestrainer Joachim Löw reagiert sensibler als früher. Die Kritik nach dem Aus gegen Italien im EM-Halbfinale hat ihn, wie einige sagen, dünnhäutiger gemacht, andere beobachten bei ihm eine Verunsicherung. Auch nach der Gala in Dublin wirkte der 52-Jährige verschnupft, nicht nur wegen der Erkältung, die ihn plagte.

Seit der Europameisterschaft hat sich etwas verändert. Es war ein fast beiläufiger Satz von Schweinsteiger, den er aber nicht unbedacht gemacht, sondern mit Absicht lanciert hatte. Der „gute Geist“, der aktuell den FC Bayern auszeichne, wäre bei der Nationalelf während der EM so nicht vorhanden gewesen. Er wolle nur dazu beitragen, dass bald endlich ein Titel gewonnen werde, begründete Schweinsteiger seine Kritik, für die der DFB einem Ballack oder Frings vor einigen Jahren den Kopf gewaschen hätte.

Löw war bemüht, das Thema totzutreten. Schweinsteiger sei bei der EM verletzt und in nicht guter Form gewesen, deswegen habe er die Lage wohl negativer eingeschätzt, als sie war. Schweinsteiger beharrt aber auf seinem Standpunkt. Die unterschiedliche Beurteilung des Sozialklimas zwischen Cheftrainer und seinem Führungsspieler, den Löw als „emotionalen Leader“ bezeichnet, kennzeichnet einen Riss in der heilen Welt der Nationalmannschaft. Es war zuerst Teammanager Oliver Bierhoff, der die Wahrnehmung des Vizekapitäns bestätigte. Am Sonntag stellte sich dann auch noch Kapitän Philipp Lahm hinter seinen Teamkollegen. Bastian sei ein erfahrener Spieler. „Dass er sich kritisch äußert, ist ganz normal und auch wichtig“, sagte der Verteidiger in Berlin.

„Zuerst hieß es, in der Wohlfühloase würde zu viel gekuschelt. Jetzt ist ein bisschen Reibung da“, sagte Bierhoff und ging damit auch auf die Kritik von Hoeneß ein, der die Luxuszustände und den laschen Führungsstil von Löw kritisiert hatte. Laut Bierhoff ist ein Wandel eingetreten im Innenleben, der aber nur schwer feststellbar ist, weil die Mannschaft völlig abgeschottet wird und das Verbot besteht, Interna nach außen zu tragen. „Wir haben nun zwei Blöcke von Spielern von den Bayern und aus Dortmund, dazu zwei Spieler von Real Madrid, zwei Engländer und Miro Klose“, sagte Bierhoff. Münchner und Dortmunder ziehen zwar in der DFB-Auswahl an einem Strang, doch ihre Konkurrenzsituation lässt sich nicht verleugnen. Sie wirkt in das Team hinein.

„Es herrscht eine andere Konstellation“, sagte Bierhoff. „Wann hatten wir es, dass so viele spielen können?“ Um die elf Plätze in der Startformation wird gerungen, nach außen – wie es Löw erwartet - voller Respekt für die Kollegen, aber innen kann es, gerade bei Trainingsspielen, durchaus zu beinharten Kämpfen kommen. Der Grat ist schmal zwischen Kooperation und Konkurrenz, die grundsätzlich als leistungsfördernd eingestuft wird. „Dass es so ist, freut uns“, sagte Bierhoff.

Dann traute sich auch Löw vor dem Spiel in Dublin, einzuräumen, dass die Harmonie keineswegs himmlisch ist. Wenn 23 Spieler wie bei der EM sechs, sieben Wochen an einem Stück zusammen seien, „gibt es Reibereien, das ist völlig normal“, meinte Löw. Bundesliga-Teams sei das Problem unbekannt, weil sie nie so lange zusammengepfercht werden. „Die Grundstimmung war absolut in Ordnung, 2010 war sie überragend gut, 2012 war sie gut, aber nicht so wie 2010“, schilderte er den atmosphärischen Unterschied bei der WM und der EM.

Die Lage kann sich weiter zuspitzen. Jede Aufstellung, auch die gegen Schweden, wird für Löw zum komplizierten Puzzle. Bei einem kompletten Kader können niemals alle Stars zum Zuge kommen. Lukas Podolski sagte, es wäre kein Beinbruch, mal nicht zu spielen, aber wie lange hält er aus, mit 104 Länderspielen nur zweiter Mann hinter Marco Reus zu sein? Andre Schürrle, der sich Hoffnungen machte, Podolski zu verdrängen, ist in der Hierarchie nach hinten gerückt. Für Mario Götze wäre kein Platz in der Dublin-Elf gewesen. Dass er angeschlagen war, erleichterte Löw den Verzicht.

Hätten Mats Hummels und Philipp Lahm spielen können, wäre Per Mertesacker auf die Bank gewandert, worauf sich Jerome Boateng gefasst machen muss. Toni Kroos, der schon bei der EM der erste war, der meckerte, war gegen Irland trotz bestechender Vorstellungen bei den Bayern wieder zunächst nur Ersatz, ehe er für Sami Khedira ran durfte und zwei Tore schoss. Dass sich Khedira verletzte, könnte Löw gegen Schweden von der Qual der Wahl im defensiven Mittelfeld befreien. Verschärfter Konkurrenzkampf könnte auch der Grund sein, dass Löw bei der Torwartwahl das Leistungsprinzip außer Kraft setzt. Würde er die besten drei Torhüter auswählen, befänden sich neben Manuel Neuer wahrscheinlich Rene Adler und Roman Weidenfeller und weniger Ron-Robert Zieler und sicher nicht Marc-Andre ter Stegen im Kader. Doch zwei zusätzliche starke Persönlichkeiten, die nicht spielen, würde die fragile Hierarchie und Löw sicher überfordern.